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Notfall-Fahrpläne

S-Bahn massiv betroffen: 20-stündiger Warnstreik ab Mittwoch

Auf der S-Bahnlinie S3 drohen vor allem am Donnerstagmorgen massive Ausfälle.

Auf der S-Bahnlinie S3 drohen vor allem am Donnerstagmorgen massive Ausfälle. Foto: Jonas Walzberg/dpa/Symbolbild

So schnell hat das niemand kommen sehen. Die Lokführer gehen in den Ausstand. Die Bahn ist entrüstet und warnt Reisende. S-Bahn-Pendler sollen Alternativen nutzen.

Von Fabian Nitschmann, dpa Dienstag, 14.11.2023, 21:15 Uhr

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Berlin. Die Fahrgäste der Bahn müssen sich am Mittwoch und Donnerstag auf zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen einstellen. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat zum Warnstreik im Bahnverkehr von Mittwochabend, 22 Uhr, bis Donnerstagabend, 18 Uhr, aufgerufen. Die Deutsche Bahn teilte mit, dass sie mit „massiven Auswirkungen“ auf den Bahnbetrieb rechnet. „Bitte verschiebt Eure Reisen“, schrieb die Bahn bei bei X.

Die GDL ruft „Lokomotivführer, Zugbegleiter, Werkstattmitarbeiter und Disponenten in allen Unternehmen und zusätzlich Fahrdienstleiter und weitere Berufsgruppen bei DB Netz“ zur Arbeitsniederlegung auf. In ihrem Aufruf kritisierte die GDL am Dienstag vor allem, dass die Vertreter der Deutschen Bahn keinen Verhandlungsspielraum bei der Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung für Schichtarbeiter sehen.

Die Bahn will im Fernverkehr einen Notfahrplan anbieten. Das Angebot an Fahrten werde stark reduziert, teilte der Konzern mit. „Für diese Fahrten setzt die DB längere Züge mit mehr Sitzplätzen ein, um möglichst viele Menschen an ihr Ziel bringen zu können. Dennoch kann eine Mitfahrt nicht garantiert werden“, hieß es in der Mitteilung.

S-Bahn erwartet massive Einschränkungen auf Linie S3

Die S-Bahn Hamburg schrieb am Dienstagabend bei X, dass Pendler mit „massiven Beeinträchtigungen im Verkehr“ rechnen müssten. Fahrgäste sollten Alternativen wie den U-Bahn- und Busverkehr prüfen. Über Notfallfahrpläne und Ersatzverkehr will die S-Bahn gesondert informieren. Es seien alle Linien von und nach Hamburg betroffen.

Im Regionalverkehr ist es ebenfalls das Ziel der Bahn, ein stark reduziertes Angebot auf die Schiene zu bringen. „In welchem Umfang dies möglich ist, unterscheidet sich regional stark. In jedem Fall wird es auch im Regionalverkehr massive Einschränkungen geben“, teilte der Konzern mit.

Auch der Start Unterelbe auf seiner Fahrt zwischen Cuxhaven und Hamburg-Harburg warnte Reisende vor Ausfällen.

Fahrgäste, die ihre für Mittwoch und Donnerstag geplanten Reisen verschieben möchten, könnten ihre Tickets zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Die Zugbindung sei aufgehoben. „Die Fahrkarte gilt dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort auch mit einer geänderten Streckenführung. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden.“

Gähnende Leere am Hamburger Hauptbahnhof? Noch ist nicht ganz klar, wie schwer der Lokführerstreik ausfallen wird.

Gähnende Leere am Hamburger Hauptbahnhof? Noch ist nicht ganz klar, wie schwer der Lokführerstreik ausfallen wird. Foto: Bodo Marks/dpa

Die GDL und die Deutsche Bahn verhandeln erst seit vergangenem Donnerstag einen neuen Tarifvertrag. Gewerkschaftschef Claus Weselsky hatte allerdings vor Beginn der Gespräche in zahlreichen Interviews angedeutet, dass es im Rahmen der Verhandlungszeit wohl auch zum Arbeitskampf seiner Gewerkschaft kommen wird. Umso überraschter waren die DB-Vertreter vor einigen Tagen, als Weselsky am ersten Verhandlungstag zunächst keinen Streik ankündigte und stattdessen stundenlang verhandelte. Nun also die Eskalation zwei Tage vor dem nächsten Gesprächstermin. Ob dieser noch bestehen bleibt, blieb zunächst offen.

Streitpunkt Arbeitszeitreduzierung

Die Gewerkschaft fordert in den Tarifverhandlungen unter anderem 555 Euro mehr pro Monat für die Beschäftigten sowie eine Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3000 Euro. Besonders wichtig ist Weselsky zudem eine Arbeitszeitreduzierung von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich. Die Bedeutung dieser Forderung für die GDL betonte er zuletzt immer wieder.

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Foto: Carsten Koall/dpa

Die Bahn hält eine Arbeitszeitreduzierung für nicht realisierbar und lehnt bisher jede Verhandlung darüber ab. DB-Personalvorstand Martin Seiler bot stattdessen in der ersten Verhandlungsrunde eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten an. Auch zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie zeigte er sich bereit, die erste Hälfte könnte nach DB-Vorstellung schon im Dezember überwiesen werden. „Zu wenig, zu lange und am Ende des Tages nicht ausreichend“, lautete Weselskys Kommentar zum Angebot.

Seiler: Streikbeschluss zum jetzigen Zeitpunkt ein Unding

Trotz der noch großen Differenzen konnten sowohl Seiler als auch Weselsky nach der ersten Runde Positives für sich aus den Gesprächen ziehen: Der Bahn-Personalvorstand wirkte zufrieden, dass für den Moment Warnstreiks kein Thema waren, der Gewerkschaftsboss verbuchte einen engen Terminrhythmus bei den weitere Verhandlungen für sich als Erfolg.

Nach der guten Stimmung steht mit dem plötzlichen Streikbeschluss zwei Tage vor dem nächsten geplanten Treffen alles wieder auf dem Kopf. „Jetzt zeigt die Spitze der Lokführergewerkschaft ihr wahres Gesicht, sie war nie an Lösungen interessiert. Der Streikbeschluss zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Unding“, polterte Seiler in einer Mitteilung. „Das ist eine Zumutung für die Bahnreisenden. Dieser Streik ist völlig unnötig.“

Potenzial für viele Zugausfälle durch streikende Lokführer

Die GDL ist die kleinere von zwei Gewerkschaften bei der Bahn. Sie vertritt viele Lokführer, verhandelt aber auch für weitere Berufsgruppen, etwa Zugbegleiter oder Teile der Verwaltung. Die Bahn wendet die Tarifverträge der GDL bisher in 18 von rund 300 Betrieben an und betont, von den nun begonnenen Tarifverhandlungen seien lediglich rund 10.000 Bahnbeschäftigte betroffen. Zum Vergleich: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG verhandelte im Frühjahr und Sommer neue Tarifverträge für gut 180.000 DB-Beschäftigte.

Das Potenzial für große Beeinträchtigungen im Bahnverkehr ist bei GDL-Arbeitskämpfen dennoch groß - eben weil vor allem viele der eminent wichtigen Lokführer Mitglieder sind. Zudem ruft die GDL auch explizit jene Gewerkschaftsmitglieder zum Ausstand auf, die nicht in den 18 Betrieben arbeiten, in denen nach GDL-Tarifverträgen bezahlt wird.

Der GDL-Aufruf zum Arbeitskampf richtet sich nicht nur an Beschäftigten der Deutschen Bahn, sondern auch an jene anderer Unternehmen, bei denen die Gewerkschaft derzeit neue Tarifverträge verhandelt. Die Deutsche Bahn ist aber in Deutschland das mit Abstand größte Eisenbahnunternehmen - der bundeseigene Konzern steht daher bei einem Warnstreik im Fokus.

Bahn-Tarifstreit: Wissing fordert „Weihnachtsfrieden“

Verkehrsminister Volker Wissing hatte zuvor vor Streiks in der Weihnachtszeit gewarnt. „Weihnachten gilt als die Zeit des Friedens – darüber sollten sich alle Tarifparteien Gedanken machen“, sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Gerade über die Weihnachtstage wollten die Menschen Verwandte und Freunde besuchen. Daher könne er nur „an alle Tarifparteien appellieren, sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst zu sein und mögliche Maßnahmen so zu gestalten, dass Menschen nicht darunter leiden müssen“. (dpa/tip)

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Stefan Klein
15.11.202300:57 Uhr

Man kann nur hoffen, dass die Technik in ein paar Jahren so weit ist, dass Nah- wie auch Fernverkehrszüge vollständig automatisiert ganz ohne Lokführer betrieben werden können. Dann haben wir dieses überaus ärgerliche Problem hoffentlich bald nicht mehr!

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