Hafenblockade der Bauern: Der Protest reißt nicht ab

Der Protest der Landwirte und ihrer Unterstützer richtet sich gegen die Politik der Ampel-Regierung. Am Freitag haben sie alle Zufahrten des Hafens in Bremerhaven blockiert. Foto: Arnd Hartmann
Bauern und ihre Unterstützer blockieren erneut den Bremerhavener Hafen. Diesmal stehen 70 Trecker verteilt an allen Zufahrten. Während sie protestieren, beschließt der Bundestag die Abschaffung von Subventionen beim Agrardiesel. Die Wut ist groß.
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Bremerhaven/Berlin. Freitagmorgen, 5.30 Uhr, rund 26 Trecker und weitere Fahrzeuge bringen sich am Zolltor Roter Sand in Stellung. Es ist das dritte Mal, dass Landwirte und ihre Unterstützer den Bremerhavener Hafen blockieren. Sie stehen diesmal an allen Zufahrten. In Weddewarden versammeln sich rund 30 Traktoren und der Weg zur Kaiserschleuse ist mit sechs Maschinen versperrt. Neu ist, dass der Verkehr in regelmäßigen Abstand fließt. Mit der Polizei ist abgesprochen, alle fünfzehn Minuten die Autos und Lkws einspurig durchzulassen. „Manche Menschen müssen ja zur Arbeit, die wollen wir nicht aufhalten“, erklärt Kai, einer der Landwirte aus dem Kreis Rotenburg.

Die Wut über die Politik der Ampel-Regierung steht bei vielen Bauern und ihrer Unterstützer inzwischen im Vordergrund. Foto: Arnd Hartmann
Laut Kai gehe es schon länger nicht mehr nur um den schrittweise geplanten Abbau der Subventionen beim Agrardiesel. Der generelle Unmut über die Politik der Ampel-Regierung stehe mittlerweile im Vordergrund. Der Landwirt, der einen kleinen Hof bewirtschaftet, fordert unter anderem den Abbau von Bürokratie. „Kontrollen und Regelungen sind wichtig, aber wir wollen nicht alles doppelt und dreifach machen müssen.“ Er verbringe inzwischen 40 Prozent seiner Arbeitszeit im Büro.
Weniger Demonstrierende als Anfang Januar
Unzufrieden sind auch die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die aus den Kreisen Cuxhaven, Rotenburg und Friesland sowie aus Bremerhaven angereist sind. So wie der Landwirt Malte aus dem Cuxland, der sich über die EU-Politik und geplante Flächenregulierungen ärgert. Die Anzahl der heutigen Trecker ist mit 70 etwas weniger als bei der Blockade am 10. Januar, als über 120 Traktoren anrollten. Manche seien sicherlich demonstrationsmüde, andere müssten einfach arbeiten, meint Malte. Auch die Feuer, die am Tag zuvor entlang der Autobahn A27 gelegt worden sind, waren Gesprächsthema. „Niemand von uns weiß, wer dahintersteckt“, sagt Malte schulterzuckend. Die Ermittlungen der Polizei laufen dazu noch.

Rund 30 Trecker haben sich am Freitag am Zolltor Weddewarden versammelt. Foto: Arnd Hartmann
Von den rund 30 Anwesenden am Zolltor Weddewarden war keiner bereit, mit der „Nordsee-Zeitung“ zu sprechen. Grund dafür sei die Verärgerung über die Überschrift eines Artikels, in dem über die Symbolik der Aktion „Ein Herz für Deutschland“ berichtet wird. Auch wenn die Überschrift es nicht hergab, fühlten sich manche Bauern in die rechte Ecke gerückt.
In WhatsApp-Gruppen regt sich aber auch Widerstand gegen die Hafenblockaden. Man befürchtet, dass der Rückhalt in der Bevölkerung immer mehr bröckelt. Im Hafen verweist man am Freitag eher auf eine weiterhin „stabile Unterstützung“.
Ein Fahrradfahrer ruft den Protestierenden im Vorbeifahren jedoch ein Schimpfwort zu. Die letzten Hafenblockaden haben viel Unmut bei den ansässigen Betrieben, Logistikunternehmen und Hafenmitarbeitern ausgelöst. „Wir verstehen die Kritik, aber wir haben bisher mit anderen Protesten nicht viel erreicht, wir stehen hier aus der Verzweiflung heraus, dass wir gehört werden wollen“, so Landwirt Kai. Die Konsequenzen für den Hafenbetrieb nehmen sie in Kauf, um Druck aufzubauen. „Aber mit einem bitteren Beigeschmack.“

Die Demonstrierenden haben alle 15 Minuten Fahrzeuge durchgelassen. Die Verkehrsbehinderungen waren laut Polizei eher gering. Foto: Arnd Hartmann
Über die Hafenblockaden ärgert sich unter anderem Siegward Glomb vom gleichnamigen Bremerhavener Containerdienst. Dass dieses Mal der Verkehr etwas weniger behindert wurde, ändere nichts an seiner Wut. „Und nicht nur wir sind sauer, auch viele andere aus der Branche und unsere Kunden, alles Firmen, die den Bauern nichts getan haben“, ärgert sich Glomb. „Für mich sind die Blockaden der Bauern, wie die Blockaden der Klimakleber nicht in Ordnung.“ Seit der spontanen Hafenblockade am vergangenen Montag lässt der Spediteur rechtlich überprüfen, ob er eine Strafanzeige stellen kann, um Schadensersatz zu fordern.
Weitere Aktionen in den kommenden Tagen geplant
Während des Protests im Bremerhavener Hafen stimmt der Bundestag am Freitag der Rücknahme von Steuerentlastungen beim Agrardiesel zu. „Jetzt werden unsere Aktionen erst recht nicht abreißen“, schimpft ein anwesender Landwirt. Beschlossen ist das Gesetz damit noch nicht. Der Bundesrat muss zustimmen - hat die Entscheidung aber vertagt.
Gegen13 Uhr ist die Versammlung im Hafen beendet, laut Polizei sei alles ruhig und nach Vorschrift verlaufen. Gegen 15.30 Uhr fuhren 15 bis 20 Schlepper aus dem Kreis Cuxhaven und weitere Fahrzeuge spontan die Wurster Straße in Höhe des Amerikarings zu. Lastwagen stauten sich. Der Versammlungsleiter kam von einem Bauunternehmen. Nach eineinhalb Stunden fuhren die ersten Schlepper wieder los.
Bauern fahren zu Habeck nach Nordenham
In den kommenden Tagen werden weitere Aktionen folgen, weiß Horst Meyer, Sprecher von „Land schafft Verbindung“. Wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag Glencore Nordenham besucht, wollen die Bauern Präsenz zeigen. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass nicht nur in der Landwirtschaft Subventionen oder Fördergelder vom Staat gezahlt werden“, so Meyer.
Landwirte kippen Mist auf A2 bei Braunschweig
Auch andernorts gab es am Freitag Proteste: So haben Landwirte die Autobahn 2 zwischen Braunschweig-Watenbüttel und Peine-Ost blockiert - und Mist, Baumstämme und Autoreifen auf die Fahrbahn gekippt. Die Autobahn sei in Richtung Hannover gesperrt, der Verkehr werde in Watenbüttel abgeleitet, sagte ein Polizeisprecher am Freitagmorgen. Es gebe erste Staus.
Die Kommunikation mit den Landwirten sei „schwierig“, die technische Einsatzeinheit der Polizei sei alarmiert, um möglicherweise mit schwerem Gerät die Fahrbahn zu räumen. Etwa 30 Demonstranten seien auf der Autobahn, außerdem rund 15 Maschinen, vor allem Traktoren. Die Polizei prüft die Einleitung von Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren.

In Weddewarden standen rund 30 Trecker und zahlreiche Begleitfahrzeuge vor der Hafenzufahrt. Foto: Hanke