Bauern beenden A7-Blockade bei Waltershof – Rückstau auf B73 und viel Kritik

Ein Lkw steckt in der Blockade von Landwirten auf einer Kreuzung mit Zufahrt zum Hafen im Süden von Hamburg. Foto: Steven Hutchings/dpa
Auch am Dienstag Pendlerfrust auf der Straße: Landwirte blockierten die Straßen rund um Finkenwerder bis in den späten Morgen hinein. Logistiker und Industrieverband reagierten gereizt.
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Hamburg. Nach etwa 24 Stunden haben die Landwirtinnen und Landwirte im Hamburger Hafengebiet südlich der Elbe ihre unangemeldete Demonstration weitgehend aufgelöst und die gesperrten Straßen wieder freigegeben. „Die Protestierenden haben sich gegen 7.30 Uhr selbstständig zu einer längeren Kolonne formiert und sind unter polizeilicher Begleitung in Richtung Landesgrenze gebracht worden“, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag in Hamburg. Am Morgen hatten noch rund 50 Menschen mit 40 Traktoren die Straße rund um den Finkenwerder Ring blockiert.
Die Landwirte hatten am Montag im Rahmen einer geplanten und angemeldeten Sternfahrt zum Hamburger Bahnhof-Dammtor zudem spontan die Straßen rund um den Finkenwerder Ring sowie die Kornweide blockiert. Im Bereich Kornweide in der Nähe der B75 bei Wilhelmsburg Süd und der Autobahn 1 bei Hamburg-Stillhorn hatten sich Polizeiangaben zufolge etwa 75 Traktoren bis etwa 2.30 Uhr dort unangemeldet versammelt.
Bauern blockieren A7-Auffahrt in Waltershof und Kreisel in Finkenwerder
Wenige Kilometer weiter, in der Finkenwerder Straße in der Nähe der A7-Abfahrt Waltershof, standen ebenfalls rund 75 Trecker. In der Spitze waren dort etwa 500 Protestierende anwesend. Trotz mehrerer Kooperationsgespräche blieben die Landwirte auch über Nacht vor Ort und bewegten ihre Traktoren zunächst nicht. Am Dienstagmorgen hatten rund 50 Menschen noch immer in rund 40 Treckern ausgeharrt. Bevor schließlich die Feuerwehr mit einem großen Kran zum Abschleppen der Traktoren vor Ort zum Einsatz kam, beendeten auch sie ihre Blockade.

Polizisten diskutieren mit uneinsichtigen Landwirten. Foto: Steven Hutchings/dpa
Die Trecker-Blockaden hatten sowohl am Montagmorgen und -nachmittag als auch am Dienstagmorgen und -vormittag enorme Auswirkungen auf den Verkehr. Auf der Autobahn 7 lief der Verkehr am Dienstagmorgen auf 14 Kilometern nur stockend, die Bundesstraßen waren verstopft. Auch alle großen und kleinen Straßen im Bereich Harburg, Heimfeld und Hausbruch waren von der Blockade betroffen. „Der Hamburger Süden ist verkehrsmäßig stark belastet“, sagte ein Sprecher der Verkehrsleitzentrale dazu. Auto- und Lastwagenfahrer mussten teils mehrstündige Verspätungen in Kauf nehmen.

Landwirte sitzen um eine Feuertonne am Rand einer Blockade einer Kreuzung mit Zufahrt zum Hafen im Süden von Hamburg. Foto: Steven Hutchings/dpa
Am Mittag löste sich das Gedränge auf den Straßen langsam auf. Doch vor allem Lastwagenfahrer brauchten noch Geduld, vor allem auf der A7 kamen sie nur stockend voran. „Das sind die Nachwehen dieser Blockade.“
Landwirte demonstrieren
Protest: Bauern zündeln auf Finkenwerder Ring – Verkehrschaos in Hamburg
Weitere Treckerblockaden in Hamburg in der Nacht
Auch im Bereich Kornweide und Kirchdorf gab es in der Nacht den Angaben zufolge eine Blockade. Auch dort habe die Polizei versucht, den Protest aufzulösen. In den frühen Morgenstunden habe sich die Blockade dort dann aufgelöst. Autobahnnothelfer berichteten auf Twitter von Stau, unbeleuchtet abgestellten Lastwagen und Autofahrern, die aus dem Stau gelotst werden mussten.
Die Freien Bauern, eine Interessenvertretung der bäuerlichen Familienbetriebe in Deutschland, haben die Blockade der wichtigsten Zufahrten zum Hamburger Hafen am Dienstag in einer Mitteilung als „mutiges Signal für unsere heimische Landwirtschaft und eine sichere Lebensmittelversorgung“ bezeichnet. „Ich habe allerhöchsten Respekt vor den Berufskollegen, die mit dieser ebenso überraschenden wie aussagekräftigen Protestaktion zeigen, wie angreifbar der Agrarimport aus fernen Ländern ist“, sagte Peter Guhl von der Bundesvertretung.
Die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen das Versammlungsrecht und wegen des Verdachtes der Nötigung. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes hat die Ermittlungen aufgenommen, Beweise wurde aufgenommen, Identitäten der Protestierenden aufgenommen.
Industrieverband kritisiert Treckerblockade im Hafengebiet
Der Industrieverband Hamburg kritisierte die Aktion im Hafengebiet. „Der Ärger der Bauern mag nachvollziehbar sein, aber deshalb wichtige Industriebetriebe und deren Beschäftigte so in Bedrängnis zu bringen, ist falsch und unsolidarisch“, sagte der Vorstandsvorsitzende Matthias Boxberger. Die deutsche Industrie schaffe mit ihren Exporten auch die Grundlage dafür, dass steuerliche Entlastungen für die Landwirte erwirtschaftet werden könnten. „Wiederholte Blockaden lösen keine Probleme, sondern sorgen vielmehr für mangelnde Akzeptanz und schaden dem ohnehin hochbelasteten Wirtschaftsstandort Deutschland.“
Auslöser der bundesweiten Proteste der Bauern war eine Entscheidung der Bundesregierung, Agrardiesel nicht länger subventionieren und die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge beenden zu wollen. Die Pläne wurden inzwischen abgeschwächt: Die Vergünstigungen auf den Agrardiesel sollen schrittweise bis 2026 gestrichen werden, die Kfz-Steuerbefreiung bleibt.
Bauernprotest: Landwirte blockieren Hafen - Logistiker sauer
Auch in Bremerhaven und am Jade-Weser-Port wurden Häfen blockiert. In Wilhelmshaven hielten wie in Hamburg die Aktionen am Dienstagmorgen an.
In Bremerhaven haben am Montag 30 Traktoren laut Polizei die Zufahrten dicht gemacht. Die Polizei war mit den Protestlern im Gespräch und erwirkte, dass die Landwirte immer wieder Lastwagen in den Hafen fahren ließen. Bremerhavener Transportunternehmer sind dennoch sauer und fragen: „Warum trifft es immer uns?“, klagten sie in der „Nordsee-Zeitung“.
So wie Siegward Glomb vom gleichnamigen Bremerhavener Containerdienst: „So sehr eure Forderungen auch auf Verständnis unserer Branche stoßen, so sehr sind wir als Spediteure mittlerweile wütend darüber, dass immer wieder der Hafen blockiert wird. Ihr trefft die Falschen!“, beklagte der Unternehmer.
Spediteur verliert fünfstellige Summen
Der Hafen sei nicht die Regierung. „Allein unser Unternehmen kostet jeder einzelne Tag der Blockade eine fünfstellige Summe“, sagte der Spediteur. Und drehte den Spieß um: „Wie würdet Ihr es finden, wenn wir Spediteure während der Erntezeit gegen die Mauterhöhung demonstrieren und tage- und wochenlang mit unseren Lastwagen Hof- und Ackerzufahrten blockieren?“
Auch Eurogate schrieb in einer Mitteilung an die Kunden und Partner, dass die Blockade zu erheblichen Störungen geführt habe und man eine Blockade der Häfen für unverhältnismäßig halte.
Glomb und weitere betroffene Spediteure und Hafenbetriebe fühlten sich von den zuständigen Behörden in Bremen und Bremerhaven mit dem Thema allein gelassen. Man überlege, ob man rechtliche Schritte gegen einzelne Landwirte einleiten könne. Glomb hat einen deutlichen Appell für die Protestler: „Kippt euren Mist und eure Gülle vor die Rathäuser oder den Bundestag, aber lasst endlich die Hafenbetriebe in Ruhe arbeiten, sonst erwartet keine Solidarität.“
Agrardiesel: In dieser Woche wird im Bundestag entschieden
In dieser Woche stehen im Bundestag die Schlussberatungen für den Etat 2024 an. Vier Tage lang werden die Budgets für jedes Ministerium noch einmal debattiert. Danach soll der Haushalt am Freitag verabschiedet werden - ebenso wie ein Gesetz zur Umsetzung von Sparmaßnahmen.
Darunter die umstrittenste Kürzung: Die Koalition will Steuerbegünstigungen für Landwirte beim Agrardiesel schrittweise abschaffen - Auslöser der Protestwelle. Der Bundesrat muss der Kürzung nicht zustimmen, könnte noch am Freitag aber Einspruch einlegen und den Vermittlungsausschuss anrufen.
Bisher zeichnet sich dafür allerdings keine Mehrheit ab, denn in vielen Ländern gibt es Koalitionsregierungen mit Ampel-Parteien - und wenn sich eine Landesregierung uneins ist, muss sich das Land im Bundesrat enthalten beziehungsweise kann nicht zustimmen. (dpa/NZ)