Kritik an Ampel-Plänen zu 1000-Euro-Prämie für Arbeitslose

Hubertus Heil verschärft das Bürgergeld. (Archivfoto) Foto: Kay Nietfeld/dpa
Langzeitarbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen, kann schwierig sein. Die Ampel will nachhelfen mit einer „Anschubfinanzierung“. Die ist allerdings umstritten.
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Berlin. Die von der Bundesregierung geplante „Anschubfinanzierung“ von 1000 Euro für Langzeitarbeitslose, die einen sozialversicherungspflichtigen Job annehmen, stößt auf Widerstand. „Die 1000-Euro-Prämie ist blanker Hohn für diejenigen, die seit Jahren ihren Job machen. Die Ampel gefährdet den sozialen Frieden und gießt damit noch mehr Öl ins Feuer“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der „Bild“-Zeitung (Samstag). Das Bundeswirtschaftsministerium verteidigte die Prämie hingegen.
Das Kabinett hatte am Mittwoch Verschärfungen der Regeln für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger beschlossen. Bei Ablehnung einer Arbeit müssen sie bald mit höheren Strafen rechnen. Teil der Regelungen ist aber auch die sogenannte Anschubfinanzierung. Langzeitarbeitslose, die mehr als zwölf Monate in einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit beschäftigt sind, sollen einmalig 1000 Euro erhalten können.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Sozialpolitiker Frank Bsirske lehnt das Vorhaben ebenfalls ab. „Ich halte die Prämie nicht für erforderlich. Die allermeisten Menschen im Bürgergeld nehmen sowieso einen Job an, wenn sie die Chance dazu haben“, sagte er „Bild“. Der FDP-Haushaltspolitiker Frank Schäffler sagte der Zeitung: „Das Vorhaben ist ein Unding. Die Ausgaben explodieren ja jetzt schon. Die Prämie muss im Bundestag gestoppt werden.“
Das Bundeswirtschaftsministerium verteidigte indes das Vorhaben. Das Ministerium betonte, es gehe um reguläre, nicht geförderte Arbeitsverhältnisse. Gedacht sei die Finanzierung als Anreiz zur Suche nach einer existenzsichernden Beschäftigung. Zudem solle die Prämie ein Gegengewicht bilden zu Verlusten staatlicher Leistungen bei Aufnahme einer Arbeit. „Beschäftigungen mit niedrigeren Einkommen werden durch hohe Abzüge beim Bürgergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld unattraktiv“, hieß es. Das Problem sei im Rahmen der geltenden Rechtsprechung nur schwer zu mindern. Mit der Prämie spare der Staat unter dem Strich Geld.
Bürgergeld-Sanktionen sollen verschärft werden
Die Bundesregierung verschärft die Regeln für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger. Bei Ablehnung einer Arbeit müssen sie bald mit höheren Strafen rechnen. Das Bundeskabinett brachte einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg. Wer etwa eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme ohne triftigen Grund ablehnt, muss künftig sofort mit einer deutlicheren, nämlich 30 Prozent betragenden Kürzung der Grundsicherung für drei Monate rechnen. Wer Termine im Jobcenter ohne Grund nicht wahrnimmt, soll eine Leistungsminderung von 30 Prozent statt bisher 10 Prozent für einen Monat erhalten.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, wer nicht mitziehe oder durch Schwarzarbeit betrüge, „muss mit härteren Konsequenzen rechnen“. Die Änderungen sollen im üblichen Gesetzgebungsverfahren vom Bundestag beschlossen werden und zum Jahreswechsel in Kraft treten.
Heil: „Vermittlung bleibt der Kern“
Auch Bürgergeldbeziehenden, die Schwarzarbeit geleistet haben, soll die Leistung gemindert werden. Die Jobcenter sollen verpflichtet werden, einen Verdacht auf Schwarzarbeit an die Zollverwaltung zu melden. Heils Entwurf - eine sogenannte Formulierungshilfe - soll die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der geplanten Wachstumsinitiative der Koalition umsetzen.
Das Ziel: „Mehr Verbindlichkeit, mehr Arbeitsmarktintegrationen und mehr Fairness im Sozialstaat“, so Heils Ministerium. „Vermittlung und Qualifizierung bleiben Kern des Bürgergelds, um Menschen in Arbeit zu bringen“, betonte Heil. Beim Nachschärfen würden „wertvolle Hinweise aus der Praxis“ umgesetzt.
Vermögen wird nur noch sechs Monate geschont
Durch zudem vorgesehene Schritte sollen künftig jene mit höherem Vermögen dieses grundsätzlich für den eigenen Lebensunterhalt einsetzen. Die Karenzzeit, in der Vermögen nicht angetastet wird, soll daher von zwölf auf sechs Monate verkürzt werden. Mit einer Anschubfinanzierung sollen zudem Langzeitarbeitslose bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung unterstützt werden, wenn es ihnen gelingt, durch die Beschäftigungsaufnahme den Bürgergeldbezug nachhaltig zu verlassen.
Bis zu drei Stunden Pendeln zumutbar
Um manche Arbeitsangebote nicht von vornherein auszuschließen, sollen zudem auch weiter entfernte Arbeitsstellen als zumutbar gelten. Bei einer täglichen Arbeitszeit bis zu sechs
Stunden sollen 2,5 Stunden Pendelzeit grundsätzlich zumutbar sein und bei mehr als sechs Stunden Arbeitszeit bis zu drei Stunden Pendelei. Für Pflegende und Erziehende sollen
Ausnahmen gelten.
Besser ermöglicht werden sollen auch Erprobungen bei einem anderen Arbeitgeber vor einem angestrebten Arbeitsplatzwechsel. Für Geflüchtete soll mit dem Integrationspraktikum ein neues Förderinstrument eingeführt werden.
Viele Ukrainer noch ohne Deutsch
Arbeitgeber können künftig einen Zuschuss erhalten, wenn sie Geflüchteten bei erschwerter Beschäftigungsaufnahme Einstellungschancen bieten und sie dann zur Teilnahme an einem Berufssprachkurs freistellen. Hintergrund sind vor allem die vielen Ukrainerinnen und Ukrainer im Bürgergeld. Mit dem „Job-Turbo“ sollen die Einstellung der Geflüchteten beschleunigt werden. Doch viele Arbeitgeber erwarten zumindest grundständige Deutschkenntnisse bei den Betroffenen.
Erst am Montag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekanntgegeben, dass die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine mit Job in Deutschland auf 266.000 angewachsen sei. Das sei ein Plus von 71.000 bis Juli im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern seien es 704.000 in Beschäftigung, was zufällig ebenfalls ein Plus von 71.000 im Vergleich zum Vorjahr ausmache.
Scholz sagte: „Der Job-Turbo hat seit Oktober 2023 zu diesem Anstieg beigetragen.“ Er wertete Heils Offensive als Erfolg. Zugleich könnten Regierung und weitere Beteiligte noch besser werden, mahnte der Kanzler. Laut Tabelle der Bundesagentur für Arbeit waren im vergangenen Jahr knapp 65 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer im Bürgergeldbezug.
Genehmigung auch ohne Stempel
Auch rechtlich soll die Einstellung von Geflüchteten mit Duldung erleichtert werden: Eine Beschäftigungserlaubnis durch die oft überlasteten Ausländerbehörde soll unter Umständen auch ohne Stempel als genehmigt gelten.

Bürgergeld wird an schärfere Bedingungen geknüpft. Foto: Carsten Koall/dpa

Wer Bürgergeld bezieht, soll eng mit dem Jobcenter zusammenarbeiten. Foto: picture alliance/dpa