Desaster um Elbtower-Bau: Milliardär Kühne will unter diesen Bedingungen einsteigen

Klaus-Michael Kühne, Unternehmer, steht im Hauptsitz der Kühne und Nagel AG. Foto: Axel Heimken/dpa
Es gilt als das Prestigeobjekt in der Hamburger Hafencity: ein 245 Meter hoher Wolkenkratzer, der dritthöchste Deutschlands. Doch seit Wochen ruhen die Arbeiten auf der Baustelle des Elbtowers. Und ein möglicher Investor stellt Bedingungen.
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Hamburg. Der Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne kann sich nach wie vor einen Einstieg beim ruhenden Wolkenkratzer-Projekt Elbtower in der Hamburger Hafencity vorstellen - allerdings unter Bedingungen. „Wir sind erst bereit und in der Lage, uns in das Projekt einzubringen, wenn sich die Stadt positioniert hat und eine mögliche Rettungsaktion wirkungsvoll unterstützen würde“, sagte Kühne dem „Hamburger Abendblatt“ (Freitag).
Bislang komme man aber nicht ins Gespräch. „Wir selbst können die Dinge nur beobachten und abwarten.“ Es bestehe aber durchaus ein gewisses Interesse, ein einheitliches gemeinsames Konzept zu finden, „aber leider kommen die Dinge aus den oben genannten Gründen nicht recht voran“.
Laut Vertrag zwischen der Stadt Hamburg und der Signa muss der Rohbau spätestens Anfang 2028 fertiggestellt werden, andernfalls drohen Strafzahlungen von 500.000 Euro monatlich, maximal zehn Millionen Euro.
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Arbeiten auf der Hamburger Elbtower-Baustelle ruhen seit Monaten
Es soll der krönende Abschluss der Hamburger Hafencity werden. Ganz im Osten bei den Elbbrücken soll er entstehen, quasi als Gegenstück zur Elbphilharmonie ganz im Westen: „64 Stockwerke, 245 Meter über dem Meer. Ein neuer Blick auf die Stadt“, heißt es auf der Homepage des Elbtowers. Das dritthöchste Gebäude Deutschlands, entworfen vom Londoner Stararchitekten David Chipperfield, soll einmal unter anderem Büros, Geschäfte, Galerien, Cafés, Restaurants, ein Fitnessstudio und eine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform in der 55. Etage beherbergen. Auch soll das von Hollywood-Star Robert De Niro gegründete Nobu Hotel mehrere Etagen des Elbtowers belegen. Bislang geplante Fertigstellung und Gesamtkosten: 2025 für rund 950 Millionen Euro.

Blick auf die Baustelle des Elbtowers an den Elbbrücken im Hafen. Foto: Marcus Brandt/dpa/Archivbild
Wer hat‘s erfunden?
Olaf Scholz. Auch wenn der damalige Hamburger Bürgermeister und heutige Bundeskanzler es heute wohl etwas anders formulieren würde - Anfang 2018, kurz vor seinem Wechsel als Bundesfinanzminister nach Berlin, sagte der SPD-Politiker: „Ich möchte, dass die Hamburger und Hamburgerinnen, wenn das fertig ist, sagen: Das hat der Olaf Scholz gut gemacht.“ Und nicht weniger euphorisch lobte er Chipperfields Pläne: „Ich bin begeistert (...) Es ist ein Meisterentwurf.“ Auch vom Immobilieninvestor - die Stadt sollte ja nicht selbst bauen - hatte er bereits klare Vorstellungen: Er sollte über Finanzkraft und Realisierungsfähigkeit verfügen und: „Erfahrung ist eine unbedingte Voraussetzung für die Auswahl derjenigen, die das machen.“
Wer hat‘s bekommen?
Der Tiroler Immobilienunternehmer René Benko, der in Österreich ob seiner Umtriebigkeit auch „Wunderwuzzi“ genannt und dessen Vermögen vom US-Magazin „Forbes“ auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt wurde. Obwohl es aus der Opposition in Hamburg schon damals erhebliche Bedenken wegen dessen Geschäftsgebarens gab, ging der Auftrag an dessen Signa Prime Selection AG (Innsbruck). Diese kündigte damals an, rund 700 Millionen Euro in den Bau einschließlich Grundstückskauf und Planungskosten zu investieren. Zur Signa Prime gehören unter anderem auch das KaDeWe in Berlin, Oberpollinger in München, das Alsterhaus in Hamburg und Kaufhausimmobilien der Kette Galeria Karstadt Kaufhof.
Was ist das Problem?
Seit Ende Oktober geht auf der Baustelle des Elbtowers nichts mehr. Bei 100 Metern Höhe hat das beauftragte Bauunternehmen Adolf Lupp aus dem hessischen Nidda die Arbeiten eingestellt. Signa habe Rechnungen nicht bezahlt, sagte Geschäftsführer Matthias Kaufmann dem „Hamburger Abendblatt“. Angeblich geht es dabei um rund 37 Millionen Euro. Auch bei etlichen weiteren Signa-Bauprojekten in Hamburg und anderen Städten der Republik herrscht nun Stillstand.
Wie konnte es dazu kommen?
Benko hatte in der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre billige Kredite aufgenommen, finanzstarke Investoren gewonnen und so seine Gruppe stark ausgebaut. Doch die zuletzt gestiegenen Zinsen, Baukosten und Energiepreise haben sein komplexes Firmengeflecht in Schieflage gebracht - so sehr, dass die Signa-Holding und diverse Teilgesellschaften bereits Insolvenz angemeldet haben, Benko seinen Stuhl für den deutschen Sanierer Arndt Geiwitz geräumt hat und zuletzt der Chef der Signa Prime Selection AG und der Signa Development Selection AG, Timo Herzberg, fristlos gefeuert worden ist. Es bestehe ein dringender Verdacht auf grobe Verletzungen der Pflichten als Vorstandsmitglied, teilte Signa mit.
Was sind die Folgen für den Elbtower?
Das ist kompliziert und wird wohl ein Fest für Vertragsanwälte, den ohne Anlagen und Nachträge schon rund 150 Seiten umfassenden Kaufvertrag juristisch zu interpretieren. Anders als die Opposition sind Rot-Grün und der Senat jedoch fest davon überzeugt, gut verhandelt zu haben und keine Fallstricke befürchten zu müssen. So muss der Rohbau des Elbtowers laut Vertrag spätestens Anfang 2028 fertig sein. Ob es tatsächlich so kommt, weiß derzeit jedoch niemand. Sollte das Ziel nicht erreicht werden, drohen Strafzahlungen in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro. Frühestens 2029 könnte die Stadt das unfertige Gebäude dann von Signa zurückkaufen gegen Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 117 Millionen Euro. Anders sähe es jedoch aus, wenn auch die Signa Prime Selection AG pleite ginge. „Eine Insolvenz würde das Wiederkaufsrecht unmittelbar auslösen“, hatte Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) unlängst gesagt.
Wie sieht der Senat die Angelegenheit?
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte zuletzt dem „Spiegel“: „Die Stadt wird (...) keine finanziellen Belastungen übernehmen, sondern auf die Einhaltung der vertraglichen Regelungen achten.“ Er steht auf dem Standpunkt, dass der Elbtower ein Projekt allein im Risiko privater Investoren ist. Ob sich das so halten lässt, ist allerdings unklar. Ganz ähnlich hatte nämlich auch Kanzler Scholz argumentiert, als er Ende 2021 die Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2 von der Entwicklung in der Ukraine trennen wollte und Bau und Betrieb der höchst umstrittenen Anlage als ein rein „privatwirtschaftliches Vorhaben“ bezeichnete.
Was gibt es sonst noch für Ideen zum Elbtower?
Treten bei Prestigeprojekten Schwierigkeiten auf, sind Spötter nicht weit. Deren Vorschlag zum „Mahnmal der Großmannssucht“: Statt den geplanten 245 Meter hohen „langen Olaf“ fertig zu bauen, sollte man es beim 100 Meter hohen „kurzen Olaf“ belassen und das Gebäude statt für Büros als günstigen Wohnraum etwa für Flüchtlinge nutzen. Auch zu hören ist von der Elbtower-Bauruine als perfektem Filmset für apokalyptische Filme aller Art.

Klaus-Michael Kühne, Unternehmer, steht im Hauptsitz der Kühne und Nagel AG. Foto: Axel Heimken/dpa