Niedersachsen will Abschiebehaft erleichtern

Die Aufarbeitung des mutmaßlichen Verbrechens in Friedland habe Priorität, sagte Behrens. Foto: Shireen Broszies/dpa
Der Tod einer 16-Jährigen in Friedland bewegt den Landtag: Innenministerin Behrens zeigt sich offen für einen neuen Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern. Welche Maßnahmen sie vorschlägt.
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Hannover. Nach dem Tod der 16-jährigen Liana in Friedland will sich Niedersachsen für eine bundesweite Reform der Abschiebehaft einsetzen. Anders als bei Strafprozessen könne die Abschiebehaft derzeit nur befristet beantragt werden und das nur, wenn der Aufenthaltsort des Geflüchteten bekannt ist, sagte Innenministerin Daniela Behrens. „Das ist nicht nachvollziehbar und deswegen müssen wir das dringend ändern.“
Die SPD-Politikerin kündigte einen Antrag im Bundesrat dazu an. Dieser solle dazu führen, dass Anträge auf Abschiebehaft „einfacher gestellt werden können und auch einfacher genehmigt werden können“.
Hintergrund ist, dass der Verdächtige im Fall Friedland, ein 31 Jahre alter abgelehnter Asylbewerber aus dem Irak, zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat schon nicht mehr in Deutschland sein sollte. Ein Gericht hatte einen Antrag auf Abschiebungshaft aber abgewiesen. Dem Mann wird vorgeworfen, die 16-Jährige gegen einen Güterzug in den Tod gestoßen zu haben.
Dublin-Zentrum in Niedersachsen? „Wenn der Bund es möchte“
Behrens zeigte sich offen für die Einrichtung eines sogenannten Dublin-Zentrums in Niedersachsen. Ein solches könnte die Überstellung von Asylbewerbern in das EU-Land, das für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, beschleunigen. „Wir haben dem Bund angeboten, ein Dublin-Zentrum einzurichten. Wenn der Bund es möchte, machen wir das“, sagte die Ministerin.
Die CDU-Forderung, abgelehnte Asylbewerber, die untertauchen oder straffällig werden, mit elektronischen Fußfesseln zu überwachen, lehnte Behrens dagegen ab. „Die Fußfessel ist ein Instrument, das wir bei Schwerstkriminellen einsetzen“, sagte sie. Sie könne sich keinen Richter vorstellen, der einem Mann oder einer Frau die Fußfessel wegen einer kleinen Straftat auferlegt. Die meisten ausreisepflichtigen Menschen seien zudem „ordentliche Leute, wo wir Briefe bekommen, damit die hier bleiben können“.
CDU kritisiert „Behördenwirrwarr“
Die Opposition hatte der rot-grünen Landesregierung zuvor vorgehalten, die Behörden seien überlastet und das System fehleranfällig. „Wenn selbst ein eindeutiger Dublin-Fall im Behördenwirrwarr versinkt, dann stimmt in unserem System etwas ganz gewaltig nicht“, kritisierte die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU, Carina Hermann.
Als Dublin-System wird das Verfahren zur Verteilung von Asylbewerbern in Europa bezeichnet. Der verdächtige Iraker sollte an Litauen überstellt werden.
Ministerin: Keine Hinweise auf Gefährdung vor der Tat
Innenministerin Behrens sagte im Landtag, trotz der gescheiterten Abschiebung des Verdächtigen erkenne sie kein Behördenversagen. „Es lagen vor der Tat keine Erkenntnisse vor, die auf eine konkrete Gefährdung durch den Beschuldigten hingewiesen hätten“, sagte die SPD-Politikerin.
Alle Beschäftigten der Landesaufnahmebehörde, der Polizei und der Justiz hätten ihre Entscheidungen auf Grundlage der Fakten getroffen, die zu der Zeit jeweils vorlagen. Auch die pauschale Kritik, die Landesaufnahmebehörde sei überfordert und inkompetent, wies Behrens „mit aller Entschiedenheit“ zurück.

Für AfD-Politiker Bothe wirft auch die Arbeit der Polizei Fragen auf. Foto: Shireen Broszies/dpa
Die Ministerin räumte jedoch ein, dass das Dublin-System in der jetzigen Form nicht funktioniere. Es brauche einen besseren Informationsaustausch zwischen den Behörden. Zudem werde die Landesregierung den Umgang mit psychisch kranken Menschen gesetzlich neu regeln. Laut Staatsanwaltschaft war bei dem 31-Jährigen eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden.
Grüne fordern Hilfe für psychisch Kranke
Der AfD-Innenpolitiker Stephan Bothe sagte, es sei unverständlich, dass die Landesaufnahmebehörde 14 Jahre nach ihrer Gründung anscheinend nicht in der Lage sei, einen korrekten Antrag auf Abschiebehaft zu stellen. Auch die Polizeiarbeit müsse hinterfragt werden, da die Polizei am Tag des Todes der 16-Jährigen bereits drei Mal Kontakt mit dem Verdächtigen hatte und ihn auch nach dem Vorfall zunächst laufen ließ.
Der Grünen-Abgeordnete Michael Lühmann warnte dagegen vor einer Skandalisierung behördlicher Abläufe. Wichtiger als die Diskussion über die gescheiterte Abschiebehaft sei die Frage, wie psychisch kranken Menschen geholfen werden könne.