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Urteil

Schufa-Score abgestraft – Was das für Kreditverträge bedeutet

Die Schufa liefert ihren Vertragspartnern eine Einschätzung zur Bonität von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Die Schufa liefert ihren Vertragspartnern eine Einschätzung zur Bonität von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn

Ob beim Mietvertrag, dem Handyanbieter oder Stromversorger: Mit einem schlechten Schufa-Score hat man oft wenig Chancen. Doch die Bewertung allein darf nicht sein. Was das Urteil des Europäischen Gerichtshofs besagt.

Von Jörn Bender und Friederike Marx, dpa Donnerstag, 07.12.2023, 10:30 Uhr

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Wiesbaden/Luxemburg. Unternehmen dürfen nicht ausschließlich auf Grundlage einer automatisierten Bewertung der Kreditwürdigkeit durch die Schufa entscheiden, ob sie Verträge mit Kunden abschließen. Der sogenannte Schufa-Score sei als eine grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen, sofern die Kunden der Schufa ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimäßen, entschied der Europäische Gerichtshof am Donnerstag in Luxemburg.

Banken, Telekommunikationsdienste oder Energieversorger fragen meist bei privaten Auskunfteien wie der Schufa nach der Kreditwürdigkeit einer Person. Die Schufa liefert dann eine Einschätzung, den sogenannten Score-Wert. Der soll zeigen, wie gut der Betreffende seine Zahlungsverpflichtung erfüllt.

Hintergrund des Verfahrens vor dem EuGH ist ein Fall aus Deutschland. In einem davon hat eine Person, der ein Kredit verwehrt wurde, die Schufa aufgefordert, einen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu gewähren. Die Schufa teilte ihm seinen Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung mit, nicht aber die genaue Berechnungsmethode.

Schufa reagiert auf Scoring-Urteil des EuGH

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden legte den Fall dem EuGH vor, um grundsätzlich das Verhältnis zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) klären zu lassen. Die DSGVO schreibt vor, dass Entscheidungen, die für Menschen rechtliche Wirkung entfalten, nicht nur durch die automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden dürfen.

Die Richter in Luxemburg entschieden nun, dass das Scoring darunter fällt und nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Die Kunden der Schufa dürften dem Score keine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden muss nun entscheiden, ob das deutsche Bundesdatenschutzgesetz eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält, die im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung ist.

Die Schufa begrüßte das Urteil: Es sorge für Klarheit, wie die Scores in den Entscheidungsprozessen von Unternehmen im Sinne der DSGVO verwendet werden dürfen. „Das weit überwiegende Feedback unserer Kunden lautet, dass Zahlungsprognosen in Form des Schufa-Scores für sie zwar wichtig, aber in aller Regel nicht allein entscheidend für einen Vertragsabschluss sind“, teilte die Schufa nach dem Urteil mit.

Welche Daten sammelt die Schufa?

Die Schufa erhält von ihren Vertragspartnern Informationen etwa über die Eröffnung von Girokonten, die Ausgabe von Kreditkarten, den Abschluss von Leasingverträgen und Krediten.

Die Schufa speichert zudem persönliche Daten wie Name, Geburtsdatum und Anschrift, hat aber keine Informationen etwa über das Einkommen einer Person.

Wie mächtig ist die Schufa?

Zum Geschäftsmodell der 1927 gegründeten „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ gehört es, Daten zu sammeln. Auf deren Basis liefert die Schufa ihren etwa 10.000 Vertragspartnern - unter anderem Banken und Sparkassen, Versandhändler und Energieversorger - bei berechtigtem Interesse eine Einschätzung zur Bonität (Kreditwürdigkeit) von Verbrauchern.

Nach eigenen Angaben verfügt die Schufa über Informationen zu 68 Millionen Menschen in Deutschland. Zu mehr als 90 Prozent seien „ausschließlich positive Informationen gespeichert“. Pro Tag erteilt die Auskunftei im Schnitt 320.000 Auskünfte an Unternehmen. Außer der Schufa gibt es weitere Wirtschaftsauskunfteien: etwa Creditreform und Crif.

Was macht die Schufa mit den Daten der Verbraucher?

Anhand der Daten errechnet sich der Basis-Score, der quartalsweise aktualisiert wird. Dieser beschreibt auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent eine Wahrscheinlichkeit, mit der ein Verbraucher finanziellen Verpflichtungen nachkommen wird. Je höher der Score, umso höher die Kreditwürdigkeit. Wer Rechnungen regelmäßig unpünktlich bezahlt und oft Mahnungen bekommt, wird schlechter eingeschätzt.

Wie der Score genau berechnet wird, legt die Schufa nicht detailliert offen. Ihr Argument: „Läge das Berechnungsmodell völlig offen, könnte der Score manipuliert werden und hätte so keinen Wert mehr.“ Die Formel sei aber „der zuständigen Datenschutzbehörde bekannt und wird von ihr und unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kontrolliert“. Unternehmen und Einzelpersonen wie Vermieter können Auskünfte bei der Schufa einholen.

Wo sind eigene Schufa-Einträge einsehbar?

Dann kann man auf der Webseite der Auskunftei eine kostenlose Datenkopie anfordern. Die Schufa sendet diese anschließend innerhalb weniger Tage zu. Darin sei alles aufgelistet, sagt Schufa-Sprecherin Tanja Panhans. Also all die Daten, die für die Scoreberechnung notwendig sind samt Negativeinträgen, die etwa von unbezahlten Raten oder Rechnungen herrühren. Auch der Schufa-Basisscore ist darauf angegeben. Dieser Wert wird alle drei Monate aktualisiert.

Sämtliche Schufa-Daten unterliegen gewissen Speicherfristen. So wird etwa ein störungsfreier Kredit noch drei Jahre nach der Rückzahlung von der Auskunftei gespeichert, Informationen über ordnungsgemäß bezahlte Handyverträge oder ein störungsfrei geführtes Girokonto verschwinden hingegen direkt nach Kündigung. Die Löschung der Daten erfolgt laut Panhans automatisch nach Ablauf der jeweiligen Speicherfrist.

Wer mal eine Rechnung zu spät bezahlt, braucht keine Herabstufung seines Schufa-Scores zu fürchten. Bevor es einen Negativeintrag gibt, muss ein Unternehmen zwei Mahnungen verschickt haben und das auch nachweisen können.

Sind auf der angeforderten Datenkopie aber doch mal falsche oder zu lange gespeicherte Einträge vorhanden, sollten Betroffene dagegen vorgehen. Dafür können sie entweder direkt auf das Unternehmen zugehen, das den falschen Eintrag zu verantworten hat, oder bei der Schufa anrufen, die dann ihrerseits Rücksprache mit dem Unternehmen hält. Handelt es sich tatsächlich um einen Fehler, wird der Eintrag korrigiert. In Streitfällen können Privatpersonen einen Ombudsmann oder Anwalt einschalten.

Wie lässt sich der Schufa-Score beeinflussen?

Darum kann es nützlich sein, einen möglichst guten Schufa-Score zu haben. Und der lässt sich mit einigen Kniffen beeinflussen. Klar, das naheliegendste ist, Rechnungen und Raten pünktlich zu bezahlen. Aber auch Konstanz zahlt sich aus: Wer über Jahre dasselbe Girokonto und dieselbe Kreditkarte nutzt, hat laut Schufa deutlicher bewiesen, dass er Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Auch wer lange an derselben Adresse wohnt, profitiert.

Mehr als zwei Kreditkarten und auch mehr als zwei Girokonten sind hingegen schlecht für den Score. Wer mehr besitzt, kann darüber nachdenken, eine der Karten oder eines der Konten zu kündigen - im Idealfall die beziehungsweise das jüngste. Auch wer häufig online auf Rechnung einkauft, kann seinen Score damit verschlechtern.

Übrigens: Eine Kreditanfrage alleine verändert den Schufa-Score. Darum ist es für Verbraucherinnen und Verbraucher auch nicht schädlich, im Rahmen mehrerer Kreditanfragen die jeweiligen Konditionen zu vergleichen.

Wie ist das Verfahren vor dem EuGH bisher verlaufen?

Die Art der Berechnung des Schufa-Scores hat EuGH-Generalanwalt Priit Pikamäe in seinen Mitte März vorgetragenen Schlussanträgen nicht beanstandet. Die Vorstandsvorsitzende der Schufa Holding AG, Tanja Birkholz, stellt klar: „Wie wir scoren ist vom Urteil unberührt.“ Es gehe nicht um den Algorithmus für das Scoring.

Allerdings befand der EuGH-Jurist, dass bereits die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Kreditwürdigkeit eine verbotene automatische Entscheidung darstelle. Das gelte auch, wenn dann noch Dritte wie etwa Banken endgültig entschieden, ob der jeweilige Verbraucher kreditwürdig sei. Die Gutachten sind für die Richter am Europäischen Gerichtshof nicht bindend, oft folgen sie diesen aber.

Verbraucherschützer hoffen dennoch auf mehr Transparenz - und auf weitere Gesetze: „Damit Verbraucher:innen endlich nachvollziehen können, wie ihr Bonitäts-Score zustande kommt, sollte der Gesetzgeber den Auskunfteien jetzt konkrete Vorgaben machen“, forderte Michaela Schröder vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte dazu: „Bereits im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass die Transparenz beim Scoring verbessert werden muss. Wir werden nun zeitnah entsprechende Regelungen prüfen.“

Welche Position vertritt die Schufa?

Die Auskunftei argumentiert, sie selbst treffe keine Entscheidungen zum Beispiel über die Vergabe von Krediten oder den Abschluss eines Handyvertrages. Die Schufa unterstütze ihre Partner mit Auskünften bei der Entscheidung. „Nur weil ein Score wichtig ist, ist er nicht maßgeblich“, sagt Schufa-Chefin Birkholz. Die Entscheidung für oder gegen ein Geschäft treffe das Unternehmen, mit dem eine Verbraucherin oder ein Verbraucher einen Vertrag abschließen möchte. Das bestätigen nach Angaben der Auskunftei auch die Vertragspartner: Der Score sei „ein wertvoller Baustein der Risikobewertung“, aber nicht maßgeblich.

Bei der Kreditvergabe durch Banken und Sparkassen zum Beispiel flössen weitere Daten ein wie regelmäßiges Einkommen und Ausgaben sowie Vermögen. Im Online- und Versandhandel spiele eine Rolle, ob es sich um einen Neu- oder Bestandskunden handele, wie sich der Warenkorb zusammensetze und wie hoch der Wert der Bestellung sei. Telekommunikationsunternehmen vergäben angesichts des intensiven Wettbewerbs in dieser Branche häufig auch bei negativem Schufa-Eintrag und geringerem Score einen Vertrag - auch dies aus Sicht der Schufa ein Beleg, dass ihre Daten nicht allmächtig seien. (tmn)

P
Peter Bardenhagen
08.12.202320:50 Uhr

"Zum Geschäftsmodell der 1927 gegründeten „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ gehört es, Daten zu sammeln. " Da scheint wohl noch irgendwo ein Hackenkreutz in den Gründungsakten versteckt zu sein.

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