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Immobilien

Wirbel um geplanten „Gebäude-Tüv“ – Ministerin erklärt sich

In den Städten ist Wohnraum knapp und die Mieten steigen unentwegt.

In den Städten ist Wohnraum knapp und die Mieten steigen unentwegt. Foto: Sina Schuldt/dpa

Dachrinnen, Hausnummer, Balkone: Das DIN-Institut plant eine neue „Orientierungshilfe“ für alle Häuser. Die Kritik daran ist groß.

Von L. Fischer, S. Knorr und M. Winde Donnerstag, 20.03.2025, 18:25 Uhr

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Bonn. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) weist Vorwürfe zurück, das Wohnen durch einen geplanten Gebäude-Tüv teurer zu machen. „Die geplante Norm ist als Orientierungshilfe für Eigentümer und Betreiber von Wohngebäuden angelegt“, heißt es in einer Stellungnahme des Instituts. Es würden lediglich „bereits bestehenden Anforderungen in einem praxisnahen Leitfaden“ zusammengefasst und konkretisiert. „Zusätzliche Kosten, die über die Erfüllung gesetzlicher Pflichten hinausgehen, sind dementsprechend nicht zu erwarten.“

Der Landesverband Haus & Grund Rheinland Westfalen hatte das DIN zuvor aufgefordert, die Pläne zurückzuziehen. „Wir brauchen keine weiteren Normen, die das Wohnen verteuern“, sagte Verbandspräsident Konrad Adenauer. „Das DIN sollte im Gegenteil seine Verantwortung für bezahlbares Wohnen ernst nehmen und darüber nachdenken, welche überflüssigen Normen gestrichen werden können, damit in Deutschland wieder bezahlbar gebaut und gewohnt werden kann.“

Bauministerin Geywitz: „Einen Bau-Tüv wird es nicht geben“

Der Entwurf einer „Verkehrssicherheitsüberprüfung für Wohngebäude“ hat 40 Seiten. Dabei geht es etwa um die Befestigung von Dachrinnen, die Sicherheit von Balkongeländern und die Frage, ob Feuerlöscher alle zwei Jahre geprüft wurden. Es geht aber auch um mögliche Stolperkanten, die Sichtbarkeit der Hausnummer und die Höhe von Geländern.

Die „Bild“-Zeitung zitierte Bauministerin Klara Geywitz (SPD): „Einen Bau-Tüv wird es nicht geben. Wir werden Vermieter vor zusätzlicher Bürokratie bewahren und Mieter vor neuen Nebenkosten schützen.“ Bayerns Bauminister Christian Bernreiter, Vorsitzender der Bauministerkonferenz, nannte den DIN-Vorstoß in einer Mitteilung „kontraproduktiv“: „Solche Prüfungen bringen keinen wesentlichen Mehrwert und kosten richtig Geld“, sagte der CSU-Politiker. Er werde sich dafür einsetzen, „dass der Entwurf ersatzlos gestrichen wird“.

Das DIN verweist darauf, dass der Entwurf noch bis zum 7. April öffentlich kommentiert werden könne. Bislang seien keine Anmerkungen eingegangen.

Großbaustelle Wohnungsbau: 320.000 Wohnungen jährlich nötig

Hoher Bedarf, aber zu wenige Wohnungen: In Deutschland werden einer Prognose zufolge bis 2030 rund 320.000 neue Wohnungen jährlich benötigt. Der Bedarf verteile sich jedoch regional sehr unterschiedlich, heißt es in einer Analyse des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesbauministeriums. Die Experten kommen damit auf einen geringeren Bedarf als viele Verbände und Institute.

Die Ampel-Regierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, jährlich 400.000 Wohnungen bauen zu lassen, dieses Ziel aber verfehlt. Nach Angaben des BBSR wurden 2023 rund 294.400 Wohnungen fertiggestellt, knapp 90 Prozent davon in neu errichteten Gebäuden.

Das Bundesbauministerium verfügte nach eigenen Angaben lange Zeit über keine eigene Bedarfsanalyse und gab die BBSR-Prognose auch angesichts stark variierender Analysen am Markt in Auftrag. „Mit Hilfe der unabhängigen Prognose der Wohnungsneubaubedarfe hat die Bundesregierung nun endlich die Möglichkeit, die Zielgenauigkeit ihrer Wohnungsbaupolitik weiter zu erhöhen“, sagte ein Sprecher von Bauministerin Geywitz.

Die Prognose des BBSR bezieht sich auf den Zeitraum 2023 bis 2030. Einbezogen wurden unter anderem die Bevölkerungsentwicklung und die Bautätigkeit.

Wohnraummangel in den Metropolen, Leerstand auf dem Land

Der neuen Analyse zufolge geht der Wohnraumbedarf regional weit auseinander. Besonders in Ballungsregionen bleibe die Nachfrage hoch – und wo es Engpässe gibt, steigen in der Regel die Kaufpreise und Mieten. Allein in den sieben größten deutschen Städten Berlin, München, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Köln und Düsseldorf liegt der Bedarf laut Prognose bei jährlich 60.000 neuen Wohnungen. Zugleich sinke in peripheren und schrumpfenden Regionen die Nachfrage nach Wohnungen und Leerstände nähmen zu.

Der Süden wächst, der Osten schrumpft

Den höchsten Bedarf je Einwohner gibt es den Angaben nach im Süden: Vorn liegt die Stadt Landshut (pro Jahr rechnerisch 87 Wohnungen je 10.000 Einwohner), gefolgt von den Kreisen Regensburg (83), Kempten im Allgäu (77) und Memmingen (75). Der bundesweite Bedarfsdurchschnitt liege bei 38 Wohnungen je 10.000 Einwohner pro Jahr.

Im Osten Deutschlands stagniert oder sinkt demnach die Zahl der Haushalte mit Ausnahme von Berlin und dem Berliner Umland – analog zur Entwicklung der Bevölkerung. Den geringsten Bedarf gebe es im Landkreis Weimarer Land mit fünf Wohnungen je 10.000 Einwohner sowie in den Landkreisen Altmarkkreis Salzwedel, Börde, Saale-Holzlandkreis und Saalekreis (jeweils 6).

Warum der Wohnungsbau stockt

Der Wohnungsbau in Deutschland steckt unter anderem angesichts hoher Baukosten und gestiegener Zinsen in der Krise. Zugleich fehlen Fachkräfte im Baugewerbe. „Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Zinswende gehen die Baugenehmigungen deutlich zurück“, sagte Matthias Waltersbacher vom BBSR. Das habe sich in den Zahlen gezeigt.

Andere Einrichtungen sehen den Wohnraumbedarf höher. So berechnete etwa das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) einen jährlichen Neubaubedarf von 373.000 Wohnungen. Laut Ralph Henger, Ökonom für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik am IW, habe sich die Wohnungspolitik unter der Leitung von Bauministerin Geywitz zu Recht auf mehr Neubau konzentriert und viele richtige Maßnahmen angestoßen. Diese seien jedoch „in unruhigen Zeiten durch massiv gestiegene Zinsen und Baukosten sowie den Fachkräftemangel konterkariert wurden“.

Immer mehr Menschen leben in kleinen Haushalten

Der Wohnungsbaukrise sei seit 2022 zu wenig bekämpft worden, so Henger. In der Verantwortung sieht er nicht nur den Bund, sondern auch die Bundesländer sowie Städte und Gemeinden in stark wachsenden Regionen.

„Trotz langfristig stagnierender Bevölkerungszahlen wird die Anzahl der Haushalte noch zunehmen“, sagte Waltersbacher vom BBSR. Das liege vor allem an dem „anhaltenden Trend der Singularisierung“ und Alterung. Künftig werde es als Folge mehr kleinere Haushalte geben.

Knapp zwei Millionen Wohnungen stehen leer

Um die hohe Nachfrage nach Wohnraum in Deutschland zu stillen, müssten demnach Neubauten in wachstumsstarken Großstädten und im Umland entstehen. In Landkreisen mit sinkender Bevölkerung solle vor allem der Bestand entwickelt werden, statt künftigen Leerstand zu schaffen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts standen 2022 knapp zwei Millionen Wohnungen in Deutschland leer. (dpa)

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