Geständnis ohne Reue - Welche Strafe droht dem Buxtehuder Flughafen-Geiselnehmer?

Ein Mann aus Buxtehude wird auf dem Hamburger Flughafen von der Polizei weggeführt. Foto: Jonas Walzberg/dpa
Mehr als 18 Stunden drohte der Flughafen-Geiselnehmer aus Buxtehude, sich mit seiner kleinen Tochter in die Luft zu sprengen. Vor Gericht hat der 35-Jährige die Tat gestanden. Jetzt geht der Prozess dem Ende entgegen.
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Hamburg/Landkreis Stade. Die dramatische Aktion eines bewaffneten Geiselnehmers aus Buxtehude auf dem Hamburger Flughafen im November vergangenen Jahres endete unblutig. Nach 18-stündigen Verhandlungen ergab sich der 35-Jährige auf dem Flughafenvorfeld der Polizei. Niemand wurde verletzt, auch nicht die damals vierjährige Tochter des Geiselnehmers - zumindest äußerlich nicht. Ein Sorgerechtsstreit mit der Mutter des Kindes aus Stade war Auslöser der Tat.
Im Prozess gegen den Türken will die Strafkammer am Landgericht Hamburg am Dienstag (10 Uhr) das Urteil verkünden. Die Anklage wirft ihm Geiselnahme, Entziehung Minderjähriger, vorsätzliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz vor. Der Staatsanwalt hat zwölf Jahre Haft beantragt. Der Strafrahmen beträgt nach seinen Angaben 5 bis 15 Jahre.
Feuersäulen und Schüsse auf dem Flughafen
Am Abend des 4. November hatte der Angeklagte seine Tochter aus der Wohnung seiner Ex-Frau in Stade entführt. Mit hohem Tempo war er mit der Vierjährigen im Auto zum Flughafen gefahren. An einem Tor in der Nähe der Terminals durchbrach er mit dem Mietwagen drei Schranken und drang bis auf das Vorfeld des Flughafens vor.
Dort warf er zwei Brandsätze aus dem Auto. Inmitten des noch laufenden Flugbetriebs schossen zwei Feuersäulen empor, wie im Prozess gezeigte Videoaufnahmen belegen. Der Angeklagte feuerte mit einer scharfen Pistole dreimal in die Luft, einmal davon direkt neben einer kurz zuvor gelandeten Maschine der Turkish Airlines, in der sich noch die Besatzung aufhielt.
35-Jähriger gesteht die Taten weitgehend
Der 35-Jährige forderte, dass ihm ein Flugzeug zur Ausreise mit der Tochter in die Türkei zur Verfügung gestellt werde, und drohte, sich und das Kind in die Luft zu sprengen. „Entweder sie sollen uns töten oder wir gehen weg“, sagte er nach Angaben des Staatsanwalts.
Ein vermeintlicher Sprengstoffgürtel erwies sich später als Attrappe. Die mehr als 20-stündige Unterbrechung des Flugbetriebs hatte europaweite Auswirkungen. Dabei sei ein Schaden in Millionenhöhe entstanden, erklärte der Staatsanwalt. Der Angeklagte hat die Taten weitgehend gestanden.
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Verteidigerin: Angeklagter war verzweifelt
Verteidigerin Anna Carlotta Bloch geht ebenfalls von der Schuld ihres Mandanten aus. In ihrem Plädoyer wies sie aber darauf hin, dass sich ihr Mandant im Sorgerechtsstreit massiv ungerecht behandelt gefühlt habe. Er habe die Tat aus Verzweiflung verübt, weil er seine Tochter 14 Monate lang nicht habe sehen dürfen.
Während der Geiselnahme auf dem Flughafen habe er schon vorher aufgeben und das Kind der Stader Mutter übergeben wollen. Das Gericht sollte darum einen minderschweren Fall der Geiselnahme in Erwägung ziehen, sagte Bloch. Die Anwältin stellte keinen konkreten Strafantrag.
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Wegen Kindesentziehung vorbestraft
Nur ein halbes Jahr vor der Tat, im Mai 2023, hatte das Amtsgericht Stade den 35-Jährigen wegen Kindesentziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er war im März 2022 mit dem damals dreijährigen Kind eigenmächtig in die Türkei gefahren. Die Mutter reiste hinterher und konnte die Tochter in einer Nacht- und Nebelaktion zurückholen.
Eine psychiatrische Sachverständige kam im aktuellen Prozess um die Geiselnahme zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte voll schuldfähig ist. Der 35-Jährige habe eine auffällige Persönlichkeitsstruktur, er sei narzisstisch, respektlos und überheblich, aber nicht psychisch krank. Dass das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter seiner Ex-Frau zugesprochen wurde, habe ihn massiv gekränkt.
Vorwürfe statt Reue
In seinem letzten Wort erhob der Angeklagte mit lauter Stimme schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden und besonders das Familiengericht, dass das Sorgerecht seiner Ex-Frau zugesprochen hatte. Ein Wort der Reue oder des Bedauerns für seine Tat kam ihm nicht über die Lippen. Zum Prozessauftakt hatte er die betroffenen Flugreisenden und die Polizei um Entschuldigung gebeten.
Seit dem 29. April verhandelte das Gericht an neun Tagen. Mehrmals war der Angeklagte laut und wütend geworden. Nur mit Mühe konnte ihn der Vorsitzende Richter Torsten Schwarz beruhigen.