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Genehmigung

Schwimmendes LNG-Terminal in Stade nimmt wichtige Hürde

Damit das kommende Tanklagerschiff „Transgas Force“ im Stader Seehafen liegen kann, wird in der Elbe bereits seit Monaten gebaggert. Foto: Hahn

Damit das kommende Tanklagerschiff „Transgas Force“ im Stader Seehafen liegen kann, wird in der Elbe bereits seit Monaten gebaggert. Foto: Hahn

Das Schiff steht schon bereit, der Beschluss ist da: Jetzt kann im Bützflether Hafen der Anleger weiter gebaut werden. Wie es um den Zeitplan steht und wie künftige Gas-Lieferungen ablaufen könnten.

Von Redaktion Freitag, 15.09.2023, 06:00 Uhr

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Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat als zuständige Behörde jetzt den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau einer sogenannten Floating Storage and Regasification Unit (FSRU), eines schwimmenden Terminals für verflüssigte Gase, in unmittelbarer Nachbarschaft des Stader Industriehafen erlassen. In den Unterlagen an die landeseigene Hafengesellschaft NPorts sind Ausbau und Erweiterung des Seehafens in Stade-Bützfleth enthalten.

Der Beschluss wird vom 27. September bis zum 10. Oktober öffentlich im Internet und zusätzlich in den betroffenen Gemeinden ausgelegt. Ein weitere wichtige Hürde ist damit genommen.

In Stade kann Anleger für Flüssiggas-Terminal gebaut werden

Er danke den zuständigen Behörden für ihre Arbeit, sagte Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christan Meyer (Grüne): „Jetzt kann weiter gebaut werden - und mit Blick auf eine zweite niedersächsische FSRU in Stade liegen wir sehr gut im Zeitplan.“ Dies sei ein wichtiges Signal für den bevorstehenden Herbst und Winter. „Wir werden die Energieversorgung sicherstellen - ohne Abstriche an Umweltbelange zu machen“, so der Minister weiter.

Die Arbeiten zum Bau des neuen Energiehafens sind bereits seit Monaten gut sichtbar. Das Land lässt sich den Anleger bis zu 300 Millionen Euro kosten. Bereits in diesem Winter soll der Regasifizierungstanker „Transgas Force“ in Stade festmachen und pro Jahr etwa fünf Milliarden Kubikmeter Gas ins deutsche Netz einspeisen. Die offizielle Übergabe ist für Mitte Dezember geplant. Die FSRU soll 2026/2027 vom großen LNG-Terminal an Land abgelöst werden. Der Bau soll eine Milliarde Euro kosten. Projektentwickler ist die HEH (Hanseatic Energy Hub).

Stades neuer Energiehafen aus der Vogelperspektive. Die Umrisse sind gut zu erkennen. Foto: NPorts/Ulrich Wirrwa

Stades neuer Energiehafen aus der Vogelperspektive. Die Umrisse sind gut zu erkennen. Foto: NPorts/Ulrich Wirrwa

Jüngst hatte die Stader Bauaufsicht im Genehmigungsverfahren für das feste Terminal S.O.S. gefunkt. Um den Prozess zu beschleunigen, hat die Stadt andere Bauämter in Niedersachsen um personelle Unterstützung gebeten. Dieser Hilferuf wurde unterstützt vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium. Letztlich wird Personal der Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Stade bei der Erarbeitung der Baugenehmigungen mitwirken. 

Die Stader Baugenehmigungen sollen bis Mitte Oktober beim Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg eingehen. Die Planungen und Abläufe der schwimmenden FSRU waren von diesen Personalsorgen ausgenommen.

Stades schwimmendes Gas-Terminal „Transgas Force“ in Werft vorbereitet

„Wir haben mit der sprichwörtlichen neuen Deutschlandgeschwindigkeit auch gezeigt, dass wir in der Lage sind, neue Infrastruktur in kürzester Zeit zu planen, zu genehmigen und zu bauen“, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Das Land  übernehme Verantwortung für die bundesweite Energieversorgungssicherheit und trete dabei in Vorleistung. „Nicht nur auf der Genehmigungsebene, sondern eben auch finanziell“, so Lies.

Der Minister sieht in den Hafenerweiterungen in Stade und der bereits fertiggestellten schwimmenden Einheit in Wilhelmshaven "Ankerinvestitionen, die Magnetwirkung entfalten werden - Industrie folgt immer der Energie". Über Anleger und Terminal sollen zunächst Flüssigerdgas (LNG) importiert werden. Künftig könnten Wasserstoff und Ammoniak umgeschlagen und in das deutsche Netz eingespeist werden. 

Die „Transgas Force“ liegt bereits in der Lloyd-Werft in Bremerhaven und wird noch bis Mitte Oktober für ihren Einsatz in Stade vorbereitet. Damit das Tanklagerschiff bei Ebbe sowie Flut sicher im Stader Seehafen liegen kann, wird bereits eine Liegewanne in der Elbe geschaffen. Diese künstliche Vertiefung sorgt dafür, dass das Schiff bei Niedrigwasser nicht am Boden aufsetzt.

Am Ufer entsteht die 650 Meter lange Liegewand und eine 60 mal 100 Meter große Terminal-Plattform mit dem Löschkopf und dem Betriebsgebäude. Hier wird das Gas an Land gebracht, das in der FSRU, dem schwimmenden LNG-Terminal, aus den Tankschiffen verarbeitet wurde.

LNG-Terminal in Wilhelmshaven: Gas-Lieferungen im Acht-Tage-Rhythmus

Wie der künftige Betrieb der FSRU im Landkreis aussehen kann, das zeigt das schwimmende Terminal in Wilhelmshaven als Blaupause. Dort werden die echten Ausmaße der errichteten Industrieanlage erst deutlich, wenn man sich über die rund 1,3 Kilometer lange Umschlagbrücke, die vom Deich zum Schiff führt, nähert. Um das dortige Spezialschiff "Höegh Esperanza" gilt ein Hochsicherheitsbereich. Zutritt haben neben der Crew nur wenige.

Im Schnitt liefere alle acht Tage ein LNG-Tanker neues Flüssigerdgas in Wilhelmshaven an, sagt Thomas Hohmann. Er ist Geschäftsführer der LNG Terminal Wilhelmshaven GmbH, eine Tochtergesellschaft von Uniper, die im Auftrag der Bundesregierung die Betriebsführung des LNG-Terminals übernimmt. Vor neun Monaten, im Januar, kam er erste Tanker. Bis Ende des Jahres sollen es rund 50 Lieferungen sein.

Bisher kamen fast alle LNG-Lieferungen aus den USA. Die FSRU nimmt das tiefgekühlte und damit verflüssigte Erdgas vom Tanker auf und regasifiziert es. Das heißt: Durch Erwärmung wird das LNG wieder zurück in den Gaszustand gebracht und dann ins Netz eingespeist.

Umweltschützer kritisieren, dass das US-amerikanische Gas mit umstrittenen Fracking-Methoden gewonnen wird. An Bord haben die Tanker bis zu 170.000 Kubikmeter LNG. Diese Menge reicht laut Gasimporteur Uniper, um eine mittlere deutsche Stadt mit 50.000 Haushalten ein Jahr lang mit Energie zu versorgen.

So läuft die Regasifizierung auf einem schwimmenden LNG-Terminal ab

In Wilhelmshaven lässt sich von der Brücke der "Höegh Esperanza" in gut 40 Metern Höhe der Entladevorgang zumindest erahnen: Mehrere schwarze Gummibälle groß wie Treckerreifen hängen zwischen den Schiffen und halten sie auf Abstand. Die Schiffsmotoren und die Pumpen dröhnen. Über sechs weiße Schläuche an der Längsseite wird das Flüssigerdgas in vier Tanks unter Deck der "Esperanza" gepumpt.

Von oben betrachtet sehen das Spezialschiff und der LNG-Tanker ähnlich aus. Hunderte Meter Rohrleitungen verlaufen in verschiedenen Formationen über das Deck. "Was die beiden Schiffe unterscheidet, ist die Verdampfungseinheit", erklärt Uniper-Manager Hohmann.

Denn um das von Tankern bei minus 162 Grad angelieferte verflüssigte Erdgas auf der "Höegh Esperanza" wieder in Gas umzuwandeln, muss es an Bord mithilfe von Nordseewasser erwärmt werden. Erst dann kann es über zwei Verladearme in das Erdgasnetz eingespeist werden. Für das Erwärmen gibt es hauptsächlich zwei Verfahren, erklärt Hohmann: einen offenen und einen geschlossenen Kreislauf.

Im offenen Kreislauf wird Nordseewasser als Wärmequelle genutzt, um das LNG zu verdampfen. Das geht bei einer Wassertemperatur ab 13 Grad. Bis vor etwa einem Monat lief die "Höegh Esperanza" noch im geschlossenen Kreislauf, bei dem Dampf aus Dampfkesseln zur Erwärmung des LNGs genutzt wird. In jeder Betriebsweise wird Seewasser benötigt, allerdings in unterschiedlichen Mengen.

Konzept für weniger Biozid-Einleitung LNG-Terminal vorgelegt

Für Ärger bei Umweltverbänden sorgt dabei das Reinigungsverfahren. Denn damit die Seewassersysteme des Spezialschiffes nicht etwa mit Muscheln oder Seepocken zuwachsen, wird Biozid in Form von Chlor eingeleitet. Die Umweltschützer fürchten: Wenn kontinuierlich chlorhaltige Abwässer fließen, könnte das auf Dauer die Natur und Lebewesen im angrenzenden Weltnaturerbe Wattenmeer schädigen.

Der Betreiber und die Landesregierung verweisen darauf, dass gesetzliche Grenzwerte eingehalten würden und nur so wenig Chlor wie betriebstechnisch nötig zum Einsatz komme. Mittlerweile hat Uniper ein Minimierungskonzept zu den Einleitungen vorgelegt. Das hatte die niedersächsische Genehmigungsbehörde bis Ende August gefordert. Zum Inhalt machen Uniper und die Behörden bislang keine Angaben. (tip/dpa)

Die "Transgas Force" findet ihren Platz im Kaiserhafen III. Foto: Scheer

Die "Transgas Force" findet ihren Platz im Kaiserhafen III. Foto: Scheer

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