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Grossdemo

„Erbitterten Widerstand“: Dammann-Tamke vor 20.000 Jägern im Kampfmodus

Jagdpräsident Helmut Dammann-Tamke war begeistert von der hohen Teilnehmerzahl. Auch aus dem Landkreis Stade reisten Jäger an.

Jagdpräsident Helmut Dammann-Tamke war begeistert von der hohen Teilnehmerzahl. Auch aus dem Landkreis Stade reisten Jäger an. Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Mit einer beeindruckenden Stärke bliesen die Jäger in Hannover zum Protest. Ganz in Orange wurden „rote Linien“ fürs neue Jagdrecht markiert. Die Ministerin stellte sich.

Von C. Sticht und E. Stephan Donnerstag, 30.01.2025, 18:05 Uhr

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Hannover. Mehr als 15.000 Jägerinnen und Jäger haben laut Polizei in Hannover gegen die geplante Änderung des niedersächsischen Jagdgesetzes demonstriert. Die Landesjägerschaft sprach von 20.000 Teilnehmern. Die Jäger trugen Plakate mit Aufschriften wie „Nur mit der Jagd sichern wir unsere Artenvielfalt“ oder „Jagd ist Naturschutz“. Der Ohrenser Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen sowie seit knapp zwei Jahren auch Präsident des Deutschen Jagdverbandes, sprach angesichts des großen Aufmarsches in Hannover von einer „starken Stimme“. Das habe auch die Politik inzwischen verstanden.

Erstmals hat die Landesjägerschaft eine solche Großdemo organisiert: der Protestzug rund um den Landtag in Hannover.

Erstmals hat die Landesjägerschaft eine solche Großdemo organisiert: der Protestzug rund um den Landtag in Hannover. Foto: Landesjägerschaft Niedersachsen

Die rot-grüne Landesregierung hatte in einem vorige Woche vorgestellten Eckpunktepapier bereits die meisten der angekündigten Veränderungen im Jagdgesetz wieder zurückgenommen. Dammann-Tamke, der von 2003 bis 2022 niedersächsischer CDU-Landtagsabgeordneter war, blieb dennoch im Kämpfermodus: „Wir sind eine Stimme im ländlichen Raum, die man nicht überhören darf“, rief er von der Bühne vor dem Landtag den Tausenden Demonstranten zu.

In unmittelbarer Nähe protestierten etwa 250 Tierschützer und skandierten „Jagd ist Mord“.

Die rote Linie der Jägerschaft sei, die Ausbildung der Hunde an lebendem Wild zu verbieten, betonte Dammann-Tamke: „Wer daran festhält, wird es mit dem erbitterten, dem stärksten Widerstand der Landesjägerschaft Niedersachsen zu tun bekommen.“ Viele Jäger sehen in dem Gesetzentwurf eine ideologische Handschrift. Der ursprüngliche Entwurf mit zahlreichen Verboten hätte die Jagd erheblich eingeschränkt, kritisierten die Redner vorm Landtag. Dabei sei Jagd ein Freiheitsrecht, 1848 gegen den Adel erkämpft, so Dammann-Tamke.

Der langjährige CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Dammann-Tamke ist seit zwei Jahren auch Präsident des Deutschen Jagdverbandes.

Der langjährige CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Dammann-Tamke ist seit zwei Jahren auch Präsident des Deutschen Jagdverbandes. Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Die Jäger trugen orangefarbene Kleidung. Auf der Pirsch hat die Signalfarbe aus Sicherheitsgründen Grün- und Braun-Töne abgelöst. Das Wild erkennt die Leuchtfarben nicht, aber so wird auch kein Jäger oder Treiber für ein Reh gehalten.

Alternativen zur Ausbildung mit lebenden Enten und Füchsen

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte will mit der Reform des Jagdgesetzes unter anderem prüfen lassen, ob beim Trainieren der Jagdhunde in Fuchsbauten lebende Füchse oder besser Dummys eingesetzt werden sollen. Auch bei der Hunde-Ausbildung an lebenden Enten möchte die Grünen-Politikerin nach Alternativen suchen. Die bei den Jägern umstrittene Ministerin stellte sich den Demonstranten und erwähnte gleich zu Anfang ihrer Rede, dass sie selbst vor zehn Jahren die Jagdprüfung abgelegt habe.

„Es ist selbstverständlich nicht so, dass wir vorhaben, die Jagd abzuschaffen, wie das zum Teil in den Videos der letzten Wochen kolportiert worden ist“, rief Staudte den Jägern zu. „Mir ist es ein Anliegen, dass die Jagd in Niedersachsen sich weiterentwickelt.“ Das Thema Ausbildung am lebenden Tier sei kein Grund mehr, „hier heute zu demonstrieren“, sagte die Ministerin.

Ihr Vorredner, der SPD-Abgeordnete Christoph Willeke, hatte den Demonstranten zuvor die Grüße von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) überbracht. „Es wird kein Verbot für die Ausbildung am lebenden Tier geben“, sicherte Willeke den Jägern zu. „Das hat einen einfachen Grund. Wir brauchen gut ausgebildete Jagdhunde.“ Auch die Jagd auf verwilderte Hauskatzen bleibe erhalten. Allerdings solle die Jagd in Naturerdbauten nicht erlaubt bleiben, erläuterte Willeke. Dies könne nicht nur für den Fuchs, sondern auch für den Hund oft schlecht ausgehen. Für diese Ankündigung gab es Pfiffe.

Grüne-Ministerin Miriam Staudte verteidigte ihr Gesetzesvorhaben.

Grüne-Ministerin Miriam Staudte verteidigte ihr Gesetzesvorhaben. Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Gegendemo-Sprecher: Ministerin vor Jagdlobby eingeknickt

Der Wildtierschutzbund Deutschland hatte die Gegendemonstration organisiert. Sprecher Thomas Mitschke kritisierte, dass das geplante neue Gesetz in Sachen Tierschutz keine Verbesserungen bringe. „Wir haben feststellen müssen, dass die Ministerin komplett vor der Jagdlobby eingeknickt ist und viele Punkte gestrichen hat“, sagte Mitschke.

Parallel zu der Demonstration der Landesjägerschaft gegen Jagdbeschränkungen protestieren Tierschützer in der Innenstadt.

Parallel zu der Demonstration der Landesjägerschaft gegen Jagdbeschränkungen protestieren Tierschützer in der Innenstadt. Foto: Ella Wenzel/dpa

Dass die Ausbildung der Jagdhunde mit Hilfe von lebenden Tieren weiter möglich bleibt, war das Hauptanliegen des Jägerpräsidenten Dammann-Tamke. Er nutzte die Bühne, um auf die aus seiner Sicht wichtige Rolle der Jäger als Natur- und Artenschützer aufmerksam zu machen. Für ihr ehrenamtliches Engagement fehle die gesellschaftliche Anerkennung. „Man erwartet von uns, dass wir angepasste Wildbestände herstellen, damit wir den klimastabilen Wald gemeinsam errichten können“, sagte der Landwirt aus dem Landkreis Stade.

Die Jäger seien rund um die Uhr in Rufbereitschaft, um verunfallte Rehe, Hirsche oder Wildschweine tierschutzgerecht zu töten. Sie betreiben Dammann-Tamke zufolge in Niedersachsen erfolgreich die Prävention vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und das Wolfsmonitoring.

Jäger: Wolfs-Problem muss endlich angegangen werden

Bei der Demonstration waren auch einzelnen Anti-Wolf-Plakate zu sehen. „Wir haben gerade in Saalsdorf diverse Schafe verloren. Das Wolfs-Problem muss endlich angegangen werden“, sagte Rudi Böhm, ein aus dem Landkreis Helmstedt angereister Jäger. Niedersachsen habe inzwischen mehr Wölfe als Schweden und Norwegen zusammen. Zum Glück sei er kein Schafhalter.

Eine Jägerin aus dem Landkreis Nienburg betonte die Bedeutung der Jäger für die Artenvielfalt. „Wir haben sehr viel Wasser im Landkreis“, sagte sie. Wegen der Nutria und Bisam gebe es immer weniger Bodenbrüter wie Teichhühner. Stadtbewohner dächten bei Jägern häufig nur ans Schießen. „Wir haben aber in erster Linie die Pflicht zur Hege“, sagte die 58-Jährige. „Wir schützen, wir legen Biotope an, wir schaffen Lebensräume.“

Dass die Ausbildung der Jagdhunde mit Hilfe von lebenden Tieren weiter möglich bleibt, war das Hauptanliegen der Demonstranten.

Dass die Ausbildung der Jagdhunde mit Hilfe von lebenden Tieren weiter möglich bleibt, war das Hauptanliegen der Demonstranten. Foto: Moritz Frankenberg/dpa

  • In Deutschland gibt es so viele Jäger wie noch nie

In Deutschland haben so viele Menschen einen Jagdschein wie noch nie. 460.711 Jägerinnen und Jäger seien hierzulande aktiv - ein neuer Rekord, wie der Deutsche Jagdverband anlässlich der Publikumsmesse „Jagd und Hund“ mitteilte. Die Jägerschaft sei innerhalb der vergangenen 30 Jahre um mehr als ein Drittel gewachsen, erläuterte der Deutsche Jagdverband. Der Anteil der Jägerinnen liegt weiter bei rund 11 Prozent. Statistisch gesehen kommen inzwischen 5,5 Jägerinnen und Jäger auf 1.000 Einwohner.

Die höchste Jägerdichte findet sich in Mecklenburg-Vorpommern: Hier kommen 10 Jäger auf 1.000 Einwohner. Auf Platz zwei folgt Niedersachsen (9) und danach Schleswig-Holstein (8). Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen leben insgesamt die meisten Menschen mit Jagdschein: 101.924. Danach folgen Bayern mit 75.000 und Niedersachsen mit 70.000.

Die meisten Menschen üben die Jagd den Angaben zufolge ehrenamtlich aus. Für einen Jagdschein muss eine staatliche Prüfung bestanden werden. Darin geht es dem Jagdverband zufolge zum Beispiel um Artenschutz, Prävention von Tierseuchen und Wildschäden sowie Hilfe bei Wildunfällen. Knapp ein Viertel fällt nach Angaben des Jagdverbandes beim ersten Anlauf durch.

  • Hintergrund: Was sich am Jagdgesetz ändern soll

  • Fuchsjagd

In den vorgelegten Eckpunkten bleibt der Einsatz von lebenden Füchsen bei der Ausbildung von Jagdhunden für die Jagd in Fuchsbauen zunächst erlaubt. Die Hunde werden in sogenannten Schliefenanlagen, das sind künstlich angelegte Fuchsbaue, für die Baujagd auf Füchse abgerichtet. Die Ministerin verweist allerdings auf Dänemark, wo die Hundeausbildung mit Dummys und nicht mit lebenden Füchsen erfolgt.

  • Jagd auf Enten

Die Ausbildung von Jagdhunden an der sogenannten Müller Ente - eine mit einer Papiermanschette kurzzeitig flugunfähig gemachte Ente - will Staudte zwar beibehalten. Allerdings will sie die Jägerschaft dazu verpflichten, dass nur drei Enten zur Ausbildung und eine Ente zur Prüfung eingesetzt werden dürfen. Bislang ist das eine freiwillige Vereinbarung. Außerdem will Staudte ein Forschungsprojekt auf den Weg bringen, um Alternativen zu finden.

  • Totschlagfallen

In den meisten Bundesländern sind Totschlagfallen verboten oder dürfen nur unter bestimmten Auflagen eingesetzt werden. Nur Niedersachsen, Bremen und Hamburg verzichte bislang auf Einschränkungen bei solchen Fallen, heißt es aus dem Ministerium. Das Problem: Immer wieder komme es zu Fehlfängen, bei denen Tiere, die gar nicht getötet werden sollen, entweder schwer verletzt oder getötet werden. Daher will Staudte den Einsatz dieser Fallen mit Ausnahme des Fangens von Steinmardern in Siedlungsbereichen untersagen und Lebendfallen mit digitalem Melder fördern.

  • Streunenden Haustieren

Künftig soll es nur noch möglich sein, wildernde Hunde einzufangen, nicht mehr, sie abzuschießen. Auch sollen etwa die Halter wildernder Hunde festgestellt werden. Wildernde Katzen dürfen den Plänen zufolge weiterhin geschossen werden, aber nur, wenn sie sich mehr als 350 Meter vom nächsten bewohnten Haus in einem Jagdrevier aufhalten und erkennbar verwildert sind. Der Abschuss von Hauskatzen soll künftig nicht mehr erlaubt sein.

  • Bejagung von Nutrias

Nutria und Bisam können Deichanlagen schädigen. Überlegungen, Nutria aus dem Jagdrecht zu streichen, wurden verworfen; die Tiere bleiben als zu bejagende Art darin belassen. Die Bekämpfung von Nutria und Bisam soll im Sinne des Hochwasser- und Deichschutzes vereinfacht werden. Die Jägerschaft soll bei der Bejagung der Nutria ein wichtiger Akteur bleiben, heißt es in dem Eckpunktepapier. Künftig sollen im Einzelfall auch sachkundige Dritte Bekämpfungsmaßnahmen durchführen dürfen. (dpa)

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Jochen Mextorf
30.01.202519:18 Uhr

Ersatz-Res. für die Bw.

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