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Energiepolitik

Warum Minister Lies die Borkum-Gasbohrung verteidigt

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies spricht mit Aktivisten der Greenpeace-Protestaktion. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies spricht mit Aktivisten der Greenpeace-Protestaktion. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies spricht im dpa-Interview über Greenpeace-Aktivisten auf dem Dach des Landtages, inwiefern Gasbohrungen vor Borkum auch den Niederlanden helfen und wie er zum geplanten Gasheizungsverbot der Bundesregierung steht.

Dienstag, 09.05.2023, 08:57 Uhr

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Von Lars Laue

Herr Minister Lies, Greenpeace-Aktivisten haben vorige Woche mit einer spektakulären Protestaktion am Landtag die geplante Gasförderung in der Nordsee kritisiert. Mehrere Aktivisten kletterten auf das Dach des Landtags und ließen riesige Banner herab. Wie bewerten Sie die Aktion?

Olaf Lies: Dieses Vorgehen ist völlig inakzeptabel. Es gibt Grenzen. Wir haben die Bannmeile nach intensiven Diskussionen bewusst abgeschafft. Dennoch gilt es, diesem Haus, dem Parlament, mit Respekt zu begegnen. Das habe ich den Aktivisten draußen auch deutlich gesagt.

Und sie im Anschluss höflich zum Kaffee in den Landtag eingeladen.

Das war in der Tat ein falsches Signal und damit ein Fehler und für den habe ich mich im Parlament auch entschuldigt.

Braucht der Landtag in Niedersachsen also wieder eine Bannmeile zum Schutz vor derartigen Protestaktionen?

Auf keinen Fall. Und allein, dass nun wieder eine solche Diskussion droht, zeigt doch, wie falsch diese Aktion von Greenpeace war.

Greenpeace-Aktivisten demonstrieren vor dem niedersächsischen Landtag in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Greenpeace-Aktivisten demonstrieren vor dem niedersächsischen Landtag in Hannover. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Wir können doch nicht diejenigen, die ihre Demonstrationen anmelden und die vielen seriösen Möglichkeiten nutzen, mit uns ins Gespräch zu kommen, dafür bestrafen, wenn andere sich nicht an die Regeln halten.

Greenpeace spricht von „viel Zerstörung für wenig Gas“. Das vor Borkum geförderte Gas könne maximal ein Prozent des jährlichen deutschen Gasbedarfs decken. Kann man die Bohrung dann nicht gleich sein lassen?

Wenn wir dieser Argumentation folgen würden, könnten wir auch das LNG-Terminal in Wilhelmshaven wieder abbauen. Es deckt ja nur vier Prozent der Gasversorgung. Greenpeace würde wahrscheinlich auch sagen, dass wir all die anderen Gas-Förderstellen in Niedersachsen nicht benötigen. Es wäre aber aus meiner Sicht fatal, dieser Logik zu folgen.

Wir brauchen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung eine gesicherte Gasversorgung, die unabhängig von Russland ist. Und es ist die Summe aller Maßnahmen, die unsere Versorgung sichert. Letztendlich dient das Vorhaben auch der Erdgasversorgung der Niederlande und soll die dortige Onshoreförderung – wie in Groningen – entlasten.

Greenpeace wirft dem Land vor, es habe im Genehmigungsverfahren Informationen über ein besonders artenreiches und daher schützenswertes Riff in der Nähe des Erdgasfeldes vor Borkum zurückgehalten. Damals waren Sie noch Umweltminister.

Als mir dieses Riff erstmals vorgestellt wurde, haben wir das sofort dem Bund gemeldet, weil es ein schutzwürdiges Gebiet ist und gesichert werden muss. Dieses Riff ist also bekannt, wir haben es gemeldet – und auch nicht irgendwo hin, sondern unter anderem als potenzielles FFH-Gebiet an das Bundesamt für Naturschutz.

Die Frage wird sein, ob es durch die geplante Gasbohrung überhaupt zu einer Beeinträchtigung des Riffs in Niedersachsen kommt. Das wird momentan noch geprüft. Sofern es durch die Gasbohrungen überhaupt zu einer Beeinträchtigung des Riffs kommen könnte, wird das selbstverständlich im Genehmigungsverfahren geprüft und fließt in die Genehmigungsentscheidung ein.

Glauben Sie eigentlich noch ernsthaft daran, dass die Gasbohrung vor Borkum tatsächlich kommt?

Ja, das denke ich schon. Und zwar, wenn die behördlichen Verfahren und das gerichtliche in den Niederlanden ergeben, dass Umwelt und Natur nicht beeinträchtigt werden. Wir haben noch unter der Großen Koalition entschieden, dass wir diese Gasförderung angesichts der neuen geopolitischen Lage mit einem Krieg mitten in Europa wollen und brauchen und nun gibt es eine sachliche Prüfung.

Nach allen Informationen, die ich dazu bislang kenne, ist die Gasförderung vor Borkum möglich, aber wir müssen die Ergebnisse der behördlichen Prüfung abwarten.

Bleiben wir mal beim Heizen: Wie stehen Sie zum geplanten Gasheizungsverbot der Bundesregierung?

Es ist gut und richtig, dass wir uns endlich einer echten Wärmewende widmen. Allerdings stelle ich auch fest, dass für das im Raum stehende Inkrafttreten des Gesetzes bereits zum 1. Januar 2024 noch zahlreiche Fragen unbeantwortet sind.

Der Bundesrats-Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung fordert, dass das neue Gesetz erst zum 1. Januar 2027 in Kraft treten sollte – drei Jahre später also.

In diesem Ausschuss sind wir als Bauministerium für das Land Niedersachsen vertreten und ich und zahlreiche meiner Kolleginnen und Kollegen haben da zugestimmt. Ich als Wirtschafts- und Bauminister halte eine solche Verschiebung für sinnvoll.

Weil wir die vielen Fragen etwa nach der Verfügbarkeit von Handwerkern und der notwendigen Technik, den Netzanschlüssen und genauso die Frage nach dem sozialen Ausgleich – also wie wir niemanden überfordern – noch nicht seriös beantworten können.Wir brauchen schlicht mehr Zeit – nicht für das Erreichen der Wärmewende, wohl aber für eine konstruktive und geplante Herangehensweise.

Seit Kurzem können Nutzer von Öl-, Flüssiggas- und Pellet-Heizungen Zuschüsse beim Land beantragen. Um an die Hilfe zu gelangen, muss man aber im Jahr 2022 mehr als das Doppelte fürs Heizöl oder für Pellets bezahlt haben. Und dann gibt es auch nur 80 Prozent von dem, was über den doppelten Preis hinausgeht. Verbraucher beklagen, dass das viel zu wenig sei.

Wir befinden uns nach wie vor in einer schweren Krise. Manchmal habe ich den Eindruck, das vergessen wir derzeit schon wieder, da die Aufmerksamkeitsmaschine schon wieder weiter gezogen ist. Wir werden auch künftig staatlicherseits nicht alles auffangen können. Hier geht es jetzt um die Abdämpfung des Schadens. Und so gern wir das täten: Wir können ihn nicht komplett kompensieren.

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