Zähl Pixel
Kunsthaus Stade

Ausstellung: Was ein Roboter aus „Star Wars“ mit Kunst der 1920er-Jahre zu tun hat

Film „Das Cabinet des Dr. Caligari", 1920, Regie Robert Wiene, Drehbuch Hans Janowitz, Carl Mayer.

Film „Das Cabinet des Dr. Caligari", 1920, Regie Robert Wiene, Drehbuch Hans Janowitz, Carl Mayer. Foto: Friedrich-Wilhelm Murnau-Stiftung, Wiesbaden

Emil Nolde, Franz Marc, Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz - die Museen Stade bringen einen Ausstellungskracher in die Stadt. Das Kunsthaus versammelt bekannte Expressionisten und zeigt ihre Verbindung zu Filmen wie Star Wars oder Herr der Ringe.

author
Von Fenna Weselmann
Samstag, 09.03.2024, 05:00 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

Stade. Mit einem wahren Paukenschlag geht das Stader Kunsthaus jetzt nach einer Pause für Modernisierungen im Foyerbereich ins aktuelle Ausstellungsjahr. Die neue Schau gibt einer der bekanntesten Kunstbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts die Bühne. Vom 9. März bis 20. Mai präsentieren die Museen Stade am Wasser West „Expressionismus in Kunst und Film“.

Die Werke von Expressionisten wie Emil Nolde, Franz Marc, Max Beckmann, Otto Dix, Alexej von Jawlensky, Lyonel Feininger, Käthe Kollwitz, Paula Modersohn-Becker und Gabriele Münter wurden schon in zahlreichen Ausstellungen nebeneinandergestellt. Das Kunsthaus setzt die Malerei und Druckgrafik dieser bekannten Vertreter der Klassischen Moderne aber noch in einen anderen Kontext.

Die enge Verbindung zu einer bis heute nachwirkenden Ära der Filmkunst war in dieser Form und Fülle so noch nie zu sehen.

In mehr als 120 Gemälden, Zeichnungen, Druckgrafiken und Filmsequenzen präsentiert die Ausstellung wechselseitige Einflüsse von Kunst und Film während dieser Zeit. Damit dürfte die Ausstellung Freunde Bildender Kunst und Cineasten gleichermaßen begeistern.

Themen haben bis heute Brisanz

Quer durch alle Kunstgattungen spiegelt der Expressionismus die gesellschaftlichen Veränderungen einer bewegten Epoche. Das künstlerische Schaffen reflektiert eine kulturelle Moderne, die ebenso faszinierend wie ambivalent und bedrohlich ist. Kritik, Tabu, Dekadenz, Sehnsucht und Aufbruchsstimmung, Rückkehr zur Natur und die Frage nach dem Selbst bestimmen in den 1920er-Jahren die Gesellschaft und bilden zentrale Motive in Kunst und Film.

Emil Noldes Marschlandschaft (Wolkenhimmel und Bauernhaus).

Emil Noldes Marschlandschaft (Wolkenhimmel und Bauernhaus). Foto: Nolde-Stiftung/ Hartmut Sawatzky

Die Zeit ist genährt von Kriegsschrecken und politischen Umbrüchen, aber auch bahnbrechender Innovationskraft und intellektueller Fruchtbarkeit. Zwischen einem Ringen um Demokratie und gesellschaftlichen Visionen, dem Sog neuer Medien sowie Errungenschaften zur Emanzipation der Frau ist der Expressionismus revolutionärer Antrieb und Spiegel zugleich. „Was vor 100 Jahren passierte, hat viel mit unserer Zeit zu tun. Dadurch ist die Ausstellung von großer Aktualität“, sagt Kuratorin Luisa Fink.

Maschinenfrau aus Metropolis inspiriert George Lucas

„Mit unseren Sehgewohnheiten ist es heute schwer nachzuempfinden, zu welch radikalen künstlerischen Mitteln die Expressionisten griffen, um die drastische Realität zu zeigen“, so Fink. Und das Kino der 1920er-Jahre löst mit seinen neuen technischen Möglichkeiten vieles von dem ein, was die expressionistischen Maler bereits zuvor begonnen hatten.

Otto Dix‘ Porträts von Zuhältern und Prostituierten, Käthe Kollwitz‘ Darstellungen von trauernden Müttern und Opfern des Krieges oder Fritz Langs zusammen mit Thea von Harbou entstandenes Filmepos „Metropolis“ (1927) einer futuristischen Zweiklassengesellschaft sind hierfür Beispiele.

Filme wie „Metropolis“ oder „Das Cabinet des Dr. Caligari“ sind Meisterwerke des Expressionismus.

Sie haben nicht nur Geschichte geschrieben, sondern inspirieren Filmemacher bis heute. Figuren wie Dr. Caligari wirken stilprägend, zu erkennen bei Regisseuren wie Tim Burton oder David Lynch. Und die Maschinen-Maria aus „Metrololis“ diente George Lucas bei Star Wars als Vorbild für C3-PO, den goldenen Roboter-Gefährten von R2-D2.

Bildende Künstler arbeiteten für den Film.

Die Gestalt zu „Der Golem“ wurde von Bildhauer Rudolf Belling mitgestaltet. Die mutet fast wie eine Vorstufe zu „Gollum“ aus „Herr der Ringe“ an. Neben Filmsequenzen vom „Golem“ ist auch eine Mensch-Maschine-Skulptur des Bildhauers ausgestellt.

Die direkten und indirekten Verflechtungen von Kunst und Film werden in drei Episoden sichtbar gemacht. „Aufbruch und Bruch“, „Traum und Trauma“, „Form und Deformation“ lassen den schmalen Grat zwischen Untergang und Vision spüren, auf dem sich das Leben und die Kunst als Reflektionsfläche damals bewegte.

Künstler entwickeln eine Formensprache, die dem Gefühl ihrer Zeit entspricht. Deutlich wird dies in extremen Hell-Dunkel-Kontrasten, grellstarken Buntwerten, stark fluchtenden Linien, kippenden Perspektiven, scharfen Kanten, disharmonischen Physiognomien bis hin zur vollständigen Abstraktion der Form. In dieser Abkehr von einem getreuen Abbild der Wirklichkeit finden die Vertreter des Expressionismus eine neue künstlerische Freiheit, mit der sie den Abgründe ihrer Zeit Ausdruck geben. Der Erfolg des Expressionismus und vieler seiner Filme zeigt sich schnell über Deutschland hinaus weltweit in Ausstellungen und Kinosälen.

Rahmenprogramm in Stade und Hamburg

  • Freitag, 15. März, 19.30 Uhr, Traum und Trauma: Gespräch mit Psychologe Oskar Holzberg (Vorverkauf: 12 Euro, Abendkasse: 15 Euro)
  • Donnerstag, 21. März, 20 Uhr, Film: Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens (Champagner- & Weinbar Deluxxe, Eintritt frei)
  • Freitag, 22. März, 19 Uhr, Stummfilmkonzert mit Live-Musik: Geheimnisse einer Seele (Kommunales Kino Metropolis, Hamburg)
  • Donnerstag. 18. April, 20 Uhr, Film: Metropolis (Champagner- & Weinbar Deluxxe, Eintritt frei)
  • Sonnabend, 20. April, 14.30 Uhr, Form und Deformation: Atelierwerkstatt mit Matthias Weber (40 Euro inklusive Eintritt und Material)
  • Freitag, 3. Mai, 19.30 Uhr, Gaßner zu Gast: Im Gespräch mit Hubertus Gaßner über die 1920er-Jahre (Vorverkauf 12 Euro, Abendkasse: 15 Euro)
  • Donnerstag, 16. Mai, 20 Uhr, Film: Das Cabinet des Dr. Caligari (Champagner- & Weinbar Deluxxe, Eintritt frei)
  • Sonntag, 19. Mai, 13 bis 15 Uhr, Internationaler Museumstag: Tiktok vs. Expressionismus (Mitmachangebot für die ganze Familie, Eintritt frei)
  • Freitag und Sonnabend, 31. Mai und 1. Juni, jeweils 20 Uhr, Stummfilmkonzert mit Tuten & Blasen: Der letzte Mann (Kommunales Kino Metropolis, Hamburg)

Das Rahmenprogramm bietet außerdem Führungen, nähere Infos dazu finden sich unter www.museen-stade.de.

Weitere Artikel