Bauernproteste: Hier dauert es am Donnerstag auf den Straßen im Kreis Stade länger

Am Montag fuhren Landwirte auch durch Buxtehude. Auf dem Schild ist zu lesen: „Ich fahre auch für bezahlbare Lebensmittel“ Foto: Thomas Sulzyc
Die Bauern ärgern sich über Streichungen von Subventionen - und tragen ihren Unmut auf die Straßen im Kreis Stade. Am Donnerstag soll es wieder zu Verkehrsbehinderungen kommen.
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Landkreis. Zum Wochenstart behinderten die Trecker-Demonstrationen den Verkehr im Kreis Stade massiv. Am Mittwoch gab es laut Polizeisprecher Rainer Bohmbach keine angemeldeten Protestaktionen im Landkreis Stade. Das war eine erhebliche Erleichterung für die gestressten Pendler in der Region, die seit Mittwochmorgen auch mit einem bundesweiten Bahnstreik der Gewerkschaft GDL zu kämpfen haben.
Bauernproteste
Bauernproteste: Sternfahrt der Stader Landwirte nach Hamburg
Erhebliche Verkehrsbehinderungen angekündigt
Am Donnerstag ist wieder mit erheblichen Verkehrsbehinderungen zu rechnen, das meldet die Hansestadt Buxtehude. Ab 8 Uhr 250 Traktoren auf dem Pfingstmarktplatz in Neukloster erwartet. Diese sind als angemeldeter und begleiteter Konvoi über die B73 in Richtung Hamburg gefahren. Die Fahrzeugkolonnen kämen auch aus Wedel und Ahrensburg, passierten gegen 9.30 Uhr die Hamburger Stadtgrenze und führen zum Worthdamm mitten im Hafengebiet, heißt es in der Mitteilung der Hamburger Polizei.
Der Polizei in Hemmoor im Landkreis Cuxhaven seien am frühen Morgen zwei Trecker-Konvois auf der B73 und B495 gemeldet worden. Es würden aber immer wieder Autos durchgelassen, sodass die Straßen verstopft, aber nicht blockiert seien. Auch in Papenburg im Landkreis Emsland ist der Polizei ein kleinerer Konvoi von 30 Treckern gemeldet worden. Für die A28 gibt es laut der Polizei in Oldenburg bisher keine Protestmeldung.
Geplant ist außerdem eine morgendliche Sternfahrt nach Hannover. Die Trecker-Konvois für die Sternfahrt sollen sich zwischen 8.30 Uhr und 9 Uhr in Sehnde, Garbsen, Wedemark und Gehrden bilden. Betroffen sind die Bundesstraßen 6 und 65 sowie die Landstraße 190.
Am Wochenende plant der Kreisverband in der Region noch eine eigene Aktion: Auf dem Buxtehuder und Stader Wochenmarkt werden Landfrauen, die selbst von einem landwirtschaftlichen Betrieb kommen, vertreten sein. Sie stehen den Bürgern Rede und Antwort und wollen über die aktuelle Situation informieren.
Ampel-Fraktionschefs laden Bauernverbände zu Gespräch ein
Angesichts der anhaltenden Bauern-Proteste haben die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen im Bundestag die Spitzen der Landwirtschaftsverbände für Montag zu einem Gespräch eingeladen. Ein entsprechendes Schreiben der Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD), Britta Haßelmann (Grüne) und Christian Dürr (FDP) wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Mittwochnachmittag verschickt. In dem Gespräch soll es demnach um die wirtschaftlichen Perspektiven für die landwirtschaftlichen Betriebe gehen.
Die Ampel-Regierung hat mit ihren Plänen für den Abbau der Steuervergünstigungen für Agrardiesel einen Proteststurm der Bauern ausgelöst, der auch durch Zugeständnisse der Regierung nicht gestoppt werden konnte.
Höhepunkt der Aktionswoche soll am Montag (15. Januar) eine Demonstration in Berlin sein. An diesem Tag soll das Gespräch mit den Fraktionschefs stattfinden. Auch aus dem Kreis Stade wollen Landwirte und Obstbauern ab 5 Uhr morgens vom Pfingstmarktplatz in Neukloster mit dem Bus in die Hauptstadt fahren. Die Großdemo in der Innenstadt auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor beginnt gegen 11.30 Uhr.
Bauernproteste
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Umfragen: Viele haben Verständnis für die Aktionen der Landwirte
Trotz Verkehrseinschränkungen haben die meisten Menschen nach einer Umfrage aber Verständnis für die Bauern. In einer repräsentativen Umfrage des Instituts Yougov für die Deutsche Presse-Agentur gaben 45 Prozent an, sie hielten die Aktionen für voll und ganz gerechtfertigt. Weitere 27 Prozent sehen die Proteste als „eher gerechtfertigt“ an. Etwa jeder fünfte Befragte ist nicht oder überhaupt nicht damit einverstanden.
Nach einer weiteren Yougov-Umfrage war allein am Montag knapp jeder fünfte Befragte „verkehrstechnisch von den Bauernprotesten“ am 8. Januar betroffen. Größere Versorungsengpässe stellten sich bislang nicht ein.
Demonstrationen
Landvolk warnt: Betrüger klinken sich in Bauernproteste ein
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Niedersachsens Landvolk-Präsident droht mit weiteren Protesten
Niedersachsens Landvolk-Präsident Holger Hennies droht mit weiteren Protesten der Bauern. „Wir Landwirte haben einen langen Atem und werden unsere Aktionen auf jeden Fall fortsetzen – länger, als es der Ampel-Koalition in Berlin lieb ist“, kündigte Hennies im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwochsausgabe) an. „Der Winter ist noch lang. Ich kann die Politik nur davor warnen, weiter so durchzuregieren, wie sie es momentan tut.“
Langwierige Proteste seien aber auch nicht im Interesse der Landwirte, betonte Hennies. Die Bauern wollen auch nicht den Rückhalt der Bevölkerung verlieren. „Die klare Botschaft lautet: Protest und Revolution sind nicht unsere Lebenseinstellung. Wir Landwirte sind stets gesprächsbereit.“ Er hoffe auf ein Gesprächsformat mit der Bundesregierung.
Für junge Landwirte gebe es keine Perspektive, kritisierte der Landvolk-Präsident. „So, wie es momentan läuft, finden wir keine Nachfolger für unsere Betriebe“, sagte Hennies. „Wenn die Politik den Menschen weiter die Hoffnung nimmt, mit einem Hof die eigene Existenz sichern zu können, sehe ich große Probleme auf unsere Lebensmittelproduktion zukommen.“
Landvolk warnt: Betrüger klinken sich in Bauernproteste ein
Auch Betrüger haben die Bauern-Proteste als Geschäftsfeld für sich entdeckt. „Soeben haben uns Anrufer mitgeteilt, dass Mitarbeiter des Kreisbauernverbandes angerufen hätten, um eine Spende für die Bauernproteste entgegen zu nehmen. Das ist Fake!!“, warnen das Landvolk und der Kreisbauernverband Land Hadeln am Mittwoch als Eilmeldung via Instagram.
„Wir sammmeln keine Spenden für die Demonstrationen oder dergleichen“, betont der Verband und rät: „Geben Sie also weder Geld noch Ihre IBAN-Nummer an die Betrüger weiter!“
Faktencheck: Generalinspekteur spricht in Rede über Anti-Terror-Maßnahmen
Erwägt die Bundeswehr einen Einsatz gegen die Proteste der Landwirte? Ein Video soll das beweisen. Es handelt sich aber um ein alte Aufnahme, die noch dazu einen ganz anderen Kontext hat.
Auf Facebook wird ein Video verbreitet, in dem der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, erklärt: „Im Falle einer Alarmierung stehen alle verfügbaren Bundeswehrkräfte sofort zur Unterstützung von Polizeikräften bereit.“ Posts wie dieser erwecken den Anschein, dass sich Breuer so in Bezug auf die Bauernproteste Anfang Januar 2024 geäußert hat.
Bewertung
Falsch. Das Video ist mehr als zwei Jahre alt. Der heutige Generalinspekteur spricht darin von einer möglichen Zusammenarbeit der Bundeswehr mit der Polizei im Falle eines Terroranschlags.
Fakten
Der Ausschnitt stammt aus einer Rede, die Carsten Breuer - damals noch Generalmajor der Bundeswehr - am 6. Oktober 2021 im Rahmen der Anti-Terror-Übung „Geotex 2021“ in Hof hielt. Seine Sätze sind nicht im Zusammenhang mit den Bauernprotesten gefallen. Breuer trat am 17. Mai 2023 sein Amt als Generalinspekteur der Bundeswehr an.
Polizei und Bundeswehr probten bei der Übung in der fränkischen Stadt ihre Zusammenarbeit bei einem möglichen terroristischen Anschlag. Es ging dabei nicht um einen Einsatz gegen Protestierende.
Das wäre nach dem Grundgesetz auch nur in einer Ausnahmesituation wie der Abwehr einer „drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“ möglich.
Bauern und Bäuerinnen protestieren seit Tagen vgegen geplante Kürzungen im Bundesetat 2024. Die seit über 70 Jahren bestehende Begünstigung beim Agrardiesel soll abgeschafft werden - das allerdings nicht sofort, wie es die Ampel-Koalition ursprünglich vorhatte, sondern nur schrittweise. Eine geplante Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte hatte die Bundesregierung kürzlich bereits zurückgenommen. (fe/mit dpa)