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Demonstrationen

Landvolk warnt: Betrüger klinken sich in Bauernproteste ein

Am Havenhostel rollte gegen 9.15 Uhr noch weitere Unterstützung an. Foto: Grell

Am Havenhostel rollte gegen 9.15 Uhr noch weitere Unterstützung an. Foto: Grell Foto: Grell

Seit Montag protestieren die Landwirte in der Region. Nachdem sich die Treckerblockaden gestern auf Stade konzentrierten, ist heute der Kreis Cuxhaven im Fokus. Währendessen haben auch Betrüger die Bauern-Proteste als Geschäftsfeld für sich entdeckt.

Von Redaktion Mittwoch, 10.01.2024, 13:11 Uhr

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„Soeben haben uns Anrufer mitgeteilt, dass Mitarbeiter des Kreisbauernverbandes angerufen hätten, um eine Spende für die Bauernproteste entgegen zu nehmen. Das ist Fake!!“, warnen das Landvolk und der Kreisbauernverband Land Hadeln am Mittwoch als Eilmeldung via Instagram.

„Wir sammmeln keine Spenden für die Demonstrationen oder dergleichen“, betont der Verband und rät: „Geben Sie also weder Geld noch Ihre IBAN-Nummer an die Betrüger weiter!“

Auf Instagram warnt das Landvolk Hadelner Land vor den Betrügern (Screenshot).

Auf Instagram warnt das Landvolk Hadelner Land vor den Betrügern (Screenshot). Foto: Settekorn

Während Montag und Dienstag der Landkreis Stade und die Stadt Stade durch die Treckerkolonnen der protestierenden Landwirte lahmgelegt wurden, bleibt es heute ruhig. Dafür sind die Bauern heute im Landkreis Cuxhaven aktiv.

Demonstranten versperren Zufahrt zum Cuxhavener Hafen

Am heutigen Mittwoch versperren Demonstranten einen Teil der Bundesstraße 73 und die Zufahrt von der Cuxhavener Innenstadt in den Hafen - momentan führt nur ein Weg dorthin.

Bereits in Altenbruch wurden Autofahrer auf der Bundesstraße 73 am frühen Morgen von Landwirten abgefangen. Sie standen mit mehreren Fahrzeugen auf der Fahrbahn und ließen nur alle paar Minuten die Autofahrer durch. Mit Funkgeräten verständigten sie sich, welche Straßenseite sie öffnen werden. Durch die Blockaden kam es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, wie die Cuxhavener Polizei berichtete.

Auch die Zufahrt zum Hafen vorbei am ehemaligen Real-Gebäude ist gesperrt.

Auch die Zufahrt zum Hafen vorbei am ehemaligen Real-Gebäude ist gesperrt. Foto: Grell

Weiter geht es im Cuxhavener Hafen. Während man gegen 9 Uhr vom Autobahnkreisel noch problemlos in den Hafen gelang, wurde es ab hier schwieriger. Denn die Landwirte sperren mit ihren Treckern die Straßen am ehemaligen Real-Markt und am Havenhostel. Wer also vom Hafen in die Stadt will, muss umdrehen und den Kreisel nutzen. Umgekehrt ist es genauso: Von der Innenstadt gibt es keinen Weg in den Hafen. Dadurch ist der Parkplatz vor dem ehemaligen Real-Gebäude bis zum letzten Stellplatz gefüllt. „Jeder, der im Hafen arbeitet, hat sein Auto hier abgestellt und ging zu Fuß weiter“, berichtet Organisator Ken Mauchert. Die Zufahrt zum Parkplatz am Bahnhof ist jedoch noch frei.

Das Ziel der Protestaktion im Hafen

Seit 6 Uhr blockieren die Landwirte die Zufahrt zum Hafen. „Und wir werden auch den gesamten Tag hierbleiben“, ist sich Mauchert sicher. Um 9.15 Uhr rollte bereits weitere Unterstützung aus dem Kreis Cuxhaven an und es wird weitere erwartet. Sie stellten sich zu den anderen Demonstranten, um die Durchfahrt noch weiter zu versperren. Mauchert versichert: „Wir lassen hier niemanden durch - außer natürlich die Rettungswagen.“ Für Proteste in den kommenden Tagen habe Mauchert noch keinen genauen Plan. Das Ziel der heutigen Aktion sei, die größeren Firmen im Hafen für sich zu gewinnen. Ken Mauchert erklärt: „Wir möchten die Unterstützung der großen Firmen bekommen, um mit ihnen gemeinsam gegen die Sparpläne der Politik zu arbeiten.“

Noch sei das positive Feedback aus der Bevölkerung vorhanden. „Wir merken aber, dass die Verkehrsteilnehmer aggressiver werden. Sie zeigen uns unmissverständlich beleidigende Gesten“, resümiert der Organisator. Andere Autofahrer zeigten den Landwirten aber auch heute Morgen einen Daumen nach oben.

Spontane Versammlungen

Angemeldet waren die zwei Proteste im Hafen und der in Altenbruch nicht, wie Stephan Hertz, Pressesprecher der Polizeiinspektion Cuxhaven berichtet. „Momentan (Stand: 10. Januar, 11.30 Uhr) wissen wir nur von diesen drei Demonstrationen, sie haben sich spontan aufgestellt“, so Hertz.

Betrüger missbrauchen Bauernproteste

Wie der Kreisbauernverband Land Hadeln vermeldete, würden sich Betrüger als Mitarbeiter des Kreisbauernverbandes ausgeben und Spenden für die Proteste sammeln. „Wir sammeln keine Spenden für Demonstrationen oder dergleichen. Geben Sie also weder Geld noch Ihre IBAN-Nummer an die Betrüger weiter“, appelliert der Verband. Anzeigen zu dieser Betrugsmasche sind bei der Cuxhavener Polizei, laut Hertz, noch nicht eingegangen.

Verkehrsbehinderungen in Hechthausen

Auch im Landgebiet lassen die Demonstranten nicht locker. In Hechthausen haben sich einige Landwirte am Ortsausgang in Richtung Stade versammelt. Dort wird der Verkehr nicht ganz gestoppt, sondern weiterhin verlangsamt durchgelassen.

In Bremerhaven ist der Hafen dicht

Die Scheinwerfer der Traktoren blenden hell, ihre gelben Warnleuchten blinken mit dem Blaulicht der vielen Streifenwagen der Polizei um die Wette. Doch es ist seltsam still. Im Gegensatz zur Protestfahrt der Landwirte am Montag ist diese Demo leise.

Um 4.30 Uhr haben sich 140 Landwirte und weitere Protestler auf dem Parkplatz am Spadener Realmarkt getroffen und sich dann auf Bremerhavens Zolltore verteilt.

Protest am Hafen: Landwirte sperren die Zufahrten zum Hafen.

Protest am Hafen: Landwirte sperren die Zufahrten zum Hafen. Foto: Wessolowski

Am Zolltor „Roter Sand“ blockieren am Mittwoch seit 5.20 Uhr etwa 15 Traktoren die Zufahrt zum Hafen. Auf den Zufahrtsstraßen Rickmersstraße, Bürgermeister-Smidt-Straße und Barkhausenstraße wird der Rückstau immer länger – Busse, Laster, Pkw. Die Polizei versucht, den Verkehr abzuleiten.

„Es geht nicht nur um die Agrarsubventionen“

Die Landwirte lassen am Zolltor „Roten Sand“ aber auch immer wieder Autos und Laster passieren. Wenige hupen, freundlich, solidarisch. „Wir wollen ein Zeichen setzen, nicht die ganze Stadt lahmlegen“, sagt Hobbylandwirt Alexander Mangels aus Sellstedt.

„Es geht nicht nur um die Bauern, das Thema Subventionen war nur der Tropfen auf den heißen Stein. Eigentlich müssten alle Bürger hier stehen und mitmachen“, sagt er. Hafenarbeiter, Handwerker, alle sollten sich anschließen, weil Milliarden von Steuereinnahmen ins Ausland fließen oder aus seiner Sicht falsch eingesetzt würden. Die Zusammenarbeit mit der Polizei in der klirrenden Kälte laufe gut und ruhig.

Mit dem Unimog durch den leeren Hafen

Ole von Glahn ist mit dem Unimog seines Chefs da – der unterstützt ihn und den Protest. Der Schiffdorfer fährt die Reporterin durch den menschenleeren Hafen, um zum anderen Zolltor zu gelangen – die Lage checken.

Dort hat sich das Gros der Traktoren aufgereiht. „Wir haben alles bis Amazon und Imsum dicht gemacht“, erklärt Tim Meyer. Die Nachtschicht durfte aus dem Hafen raus, ebenso Einsatzkräfte und Pflegedienste. Doch sonst ist es hier dicht.

„Es geht nicht nur um die Agrarsubventionen“Foto: Wessolowski

„Es geht nicht nur um die Agrarsubventionen“Foto: Wessolowski Foto: Wessolowski

Nur wenige der Betroffenen hätten blöde Bemerkungen gemacht. Eine Frau hat den Bauern sogar Süßigkeiten geschenkt. Diese positive Erfahrung teilt Ole von Glahn. Normalerweise fährt er mit dem Unimog Rindenmulch oder unterstützt Landwirte.

Auch deshalb protestiert er mit. Ermutigt von den Reaktionen am Montag: „Wir haben so viel Zustimmung erhalten“, sagt er fast überrascht. Berührt habe ihn zum Beispiel der zustimmende Kommentar eines über 70-Jährigen, der noch arbeiten muss, weil er nicht genug Geld zum Leben habe. Da laufe doch `was falsch.

Gähnende Leere – Frust und Verständnis

Im Hafen bei der BLG ist um 6 Uhr Schichtwechsel, doch hier herrscht gähnenden Leere. Nur wer zu Fuß läuft, oder das Rad genommen hat, kommt durch.

Theis Junge aus Bremerhaven hat sein Auto wieder nach Hause gebracht und ist mit dem E-Roller unterwegs. Es ist eisig kalt und er wird zu spät kommen. Sein Verständnis für den Protest gering. „Dann sollen sie nach Berlin fahren zu den Politikern. Mir zahlt keiner die verlorene Arbeitszeit“, beklagt er sich.

Trucker Swen Jahnke aus Berlin ist mit seinem Schwertransporte schon in der Nacht vors BLG-Terminal gefahren. Er frühstückt und wartet aufs Abladen. „Friedlicher Protest muss erlaubt sein. Und was nicht geht, geht dann nicht“, sieht er dem möglicherweise gestörten Arbeitsablauf gelassen entgegen.

Unternehmen bringen Arbeiter per Shuttle zum Terminal

Die Hafenunternehmen haben bereits auf die Sperrung reagiert: Mit Kleintransportern fahren sie aus dem Hafen Richtung Zolltor und sammeln die Arbeiter ein, die ihre Autos in der Stadt geparkt haben und zu Fuß das Zolltor passieren. Dann werden sie zum Arbeitsort gefahren.

Der Hafen ist leer. Nur wer zu Fuß oder per Rad unterwegs ist, kommt durch.

Der Hafen ist leer. Nur wer zu Fuß oder per Rad unterwegs ist, kommt durch. Foto: Wessolowski

Ärgert sie der Protest? „Nö, irgendeiner muss ja `was machen!“, ruft ein BLG-Hafenarbeiter in der klirrenden Kälte vorm Werkstor.

Die Beschäftigten der Sicherheitsdienste sind nach der langen Schicht müde. Die Ablösung kommt nicht durch. Sie müssen bleiben. Und heute Abend trotzdem wieder pünktlich ran. Doch laut gemeckert wird auch hier nicht.

Einladung ins warme Auto

Zurück am Zolltor „Roter Sand“ wird immer wieder Verkehr durchgelassen. Ein Handwerker aus Schiffdorf ist das vierte Auto in der Schlange zum Hafen – und wartet erst seit zehn Minuten.

Arne Hinrichs steht seit 20 Minuten an der Bushaltestelle und hofft, dass sich der Bus noch durchquält. „Auch wenn ich die Forderungen nicht alle im Detail teile, ist es voll in Ordnung, dass demonstriert wird“, sagt der Magistratsmitarbeiter, der selbst im vergangenen Jahr mehrfach gestreikt hat.

Ein Bundeswehrsoldat steigt aus seinem Wagen und spricht ihn an: „Wollen Sie so lange im warmen Auto warten?“, bietet er an. Im Wagen dahinter sitzt sein Kollege, Bundeswehrsoldat Dennis aus Remscheid in Nordrhein-Westfalen. Er muss zur Fregatte „Bayern“, die in der Werft liegt. Jetzt wartet er eben, gelassen.

„So lange sie uns lassen, bleiben wir.“

Wie anscheinend alle in der Schlange. Es gibt kein Hupen, kein hektisches Wenden. Der Bus hat es schon bis zum Kreisel geschafft – hoffnungslos überfüllt.

Wie lange die Blockade dauern soll? „Mal sehen“, sagt Protestler Alexander Meyer. Und ein Kollege raunt: „So lange sie uns lassen, bleiben wir.“

Hafen-Blockade soll aufgelöst werden

Wie die „Nordsee-Zeitung“ berichtet, hat die Stadt Bremerhaven nun beschlossen, den Protest der Landwirte am Hafen ab 13 Uhr auflösen zu wollen. Das muss die Polizei dann durchsetzen. Fahren die Traktoren nicht weg, werden Platzverweise ausgesprochen, danach würde das Strafrecht greifen. So sieht es das Versammlungsrecht vor, erklärt eine Magistratssprecherin. (set/Vanessa Grell/Maike Wessolowski/NZ)

Am Havenhostel rollte gegen 9.15 Uhr noch weitere Unterstützung an. Foto: Grell

Am Havenhostel rollte gegen 9.15 Uhr noch weitere Unterstützung an. Foto: Grell Foto: Grell

J
Jochen Mextorf
10.01.202413:38 Uhr

Wildwest in Germany. Failed State.

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