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Jeder vierte Schüler wird gefahren: Kritik an Eltern-Taxis

Zwei Kinder steigen in ein Auto ein.

Es gibt viele Gründe, warum Mütter und Väter ihre Kinder mit dem Auto zur Schule chauffieren. Foto: Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Mit dem Eltern-Taxi zur Schule? Experten sehen das kritisch, auch der Buxtehuder Kommunalpolitiker und Unfallsachverständige Ulrich Felgentreu. Einer Umfrage nach geht es den meisten Eltern genauso.

Von Redaktion Montag, 09.09.2024, 05:50 Uhr

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Landkreis. Laut einer Umfrage der ADAC-Stiftung unter mehr als 1000 Eltern fahren im Frühjahr und Sommer 23 Prozent, im Herbst und Winter sogar 28 Prozent ihr Kind mindestens dreimal pro Woche mit dem Auto zur Schule.

Die Mehrheit der anderen Eltern kritisiert das: Sie befürchten zusätzliche Unfallgefahr durch die Eltern-Taxis. 62 Prozent aller Befragten sagen, dass am Morgen und nach Ende des Unterrichts zu viele Autos in unmittelbarer Nähe der Schule seien.

Warum Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren

Als Gründe für den elterlichen Hol- und Bringdienst werden häufig Termine und Zeitersparnis angeführt, aber auch schlechtes Wetter, dass die Schule ohnehin auf dem Arbeitsweg liegt oder ganz einfach Bequemlichkeit. Elf Prozent der Eltern, die ihre Kinder regelmäßig mit dem Auto zur Schule fahren, begründen das mit der Verkehrssicherheit.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 27.000 Kinder im Straßenverkehr verletzt. Dem Statistischen Bundesamt zufolge verunglücken Sechs- bis 14-Jährige am häufigsten auf ihrem Fahrrad und meist morgens an Werktagen.

Bundesweite Aktionstage im September

Das Deutsche Kinderhilfswerk, der Verkehrsclub VCD und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) rufen Schulen und Kitas gerade zu Aktionstagen auf unter dem Motto: „Kinder können das – Elterntaxi muss nicht sein!“. Vom 16. bis 27. September sollen möglichst viele Kinder eigenständig zu Fuß, mit dem Rad oder dem Roller zur Schule oder in die Kindertagesstätte kommen.

In den vergangenen Jahren hatten jeweils Zehntausende Kinder mitgemacht. Schulen organisierten zum Beispiel sogenannte Lauf- oder Fahrradbusse mit vereinbarten Haltestellen, an denen sich die Kinder aus der Nachbarschaft treffen und gemeinsam zur Schule gehen oder radeln. Auch das Sammeln von Laufpunkten für jede zu Fuß zurückgelegte Strecke, auf den Boden gemalte Spiele oder selbstgemachte Aufkleber zur Kennzeichnung des Schul- und Kitawegs motivierten die Kinder, zu Fuß zu gehen.

Tempo 30 auf sämtlichen Schulwegen gefordert

Zugleich fordern Kinderhilfswerk, VCD und VBE sicherere Schulwege: „Auf allen Straßen, die laut Schulwegplänen von Kindern genutzt werden, muss Tempo 30 gelten – nicht nur im unmittelbaren Schulumfeld. Die Einhaltung ist regelmäßig und unangekündigt zu überprüfen.“ Das Halten und Parken vor Schulen solle generell verboten und konsequent geahndet werden.

Der VBE-Bundesvorsitzende Gerhard Brand sagt: „Würde der Schulweg so sicher gestaltet sein, dass Kinder ihn ohne Gefahr zurücklegen könnten, wäre das Thema viel kleiner.“ Es müsse der Politik zu denken geben, wenn sich bundesweit jedes fünfte Kind, in Großstädten sogar jedes vierte Kind auf dem Schulweg unsicher fühlt. „Das ist ein unhaltbarer Zustand“, sagt Brand.

Auch die Situation vor dem Schultor trage dazu bei. „Fast ein Drittel der Lehrkräfte an Grundschulen erlebt mindestens wöchentlich eine gefährliche Situation vor der eigenen Schule, die durch Eltern, die ihr Kind mit dem Auto zur Schule bringen, entsteht.“ Das habe eine Umfrage 2022 ergeben.

In Buxtehude gibt es einige gefährliche Stellen für Schüler

Dass die Schulwege in Buxtehude sicherer werden, ist Ulrich Felgentreu, Vorsitzender des städtischen Schulausschusses und Unfallsachverständiger, ein wichtiges Anliegen. Der Kommunalpolitiker (Bündnis 90/Die Grünen) benannte kürzlich gegenüber dem TAGEBLATT mehrere Stellen in Buxtehude als gefährlich für Schüler.

Beispielsweise bei der Halepaghen-Schule und der Konopkastraße. Die dort vorhandene Tempo-30-Zone und die Fahrbahn-Erhöhungen reichen aus seiner Sicht aber nicht aus. „Viele Autofahrer ignorieren das einfach“, so Felgentreu.

Elterntaxis will Felgentreu aus dem direkten Umfeld der Halepaghenschule verbannen. „Ich habe großes Verständnis dafür, dass Eltern für ihre Kinder aus Sicherheitserwägungen das Auto nutzen“, so Felgentreu. „Das Verständnis endet aber dort, wo andere Kinder gefährdet werden.“ Um das Unfallrisiko zu senken und Buxtehudes Schulwege sicherer zu machen, fordert Felgentreu eine gemeinsame Aktion von Schulen und Behörden.

Den Straßenverkehr einschätzen lernen

Die Vorstandschefin der ADAC-Stiftung, Christina Tillmann, sagt: „Gespür für den Straßenverkehr und seine Gefahren entwickeln Kinder als aktive Teilnehmer, nicht auf der Rückbank eines Autos. Der Fußweg oder die Fahrt mit dem Rad zur Schule sind ein wichtiges tägliches Training, um sich sicher und eigenständig im Straßenverkehr zu bewegen.“

Die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern sieht neben der Unfallgefahr, Angst vor Übergriffen und Zeitersparnis auch fehlende Bus- und Bahnverbindungen als Grund, warum Eltern ihre Kinder zur Schule fahren.

Aber Schulen und Kommunen sähen jeden Tag, dass Eltern im Halteverbot parken, Rad- und Gehwege blockieren, die Sicht versperren und gefährliche Wendemanöver unternehmen. Kinder profitierten vom eigenständig oder in Begleitung zurückgelegten Schulweg mit Fahrrad, Roller oder zu Fuß: Sie seien in Bewegung und lernten, sich umsichtig im Straßenverkehr zu bewegen.

Keine Zeit? Eltern sollten trotzdem auf Sicherheit im Auto achten

Kind ins Auto gesetzt und los geht‘s zur Schule - das kann gefährlich werden. Viele Eltern achteten in der Eile kaum darauf, ob sich ihr Kind auch richtig anschnalle, heißt es vom TÜV Thüringen. Der Gurt dürfe aber auf keinen Fall verdreht sein oder am Hals scheuern, sondern müsse auf der Schulter aufliegen. Bei einer Vollbremsung drohen sonst sogar schwere Verletzungen an Hals oder Kopf.

Grundsätzlich muss natürlich auch der Kindersitz passen. Für Grundschulkinder ist das in der Regel die Klasse III. Diese passt für ein Alter zwischen sechs und zwölf Jahren und ein Gewicht bis 36 Kilo.

Hier ist der sicherste Platz fürs Kind

Bei nur einem Kind ist der Platz hinter dem Beifahrersitz der sicherste Ort für den Kindersitz. Damit steigt das Kind auch bei Ankunft an der Schule automatisch an der weniger gefährlichen Seite aus, die der Fahrbahn abgewandt ist.

Die Verkehrsregeln greifen auch, wenn man in Eile ist: Das Parken in zweiter Reihe oder im Halteverbot ist Elterntaxis nicht erlaubt. Alles in allem gilt somit: Wer sich rechtzeitig mit dem Kind aufmacht, ist entspannter unterwegs. (dpa/kw/tom/vdb)

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vickikahrs@web.de vickikahrs@web.de
09.09.202421:26 Uhr

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Carl-Heinz Thor Straten Wolf
09.09.202409:23 Uhr

Bundesweit fühlt sich jedes 5te in Großstädten jedes 4te Kind unsicher auf dem Schulweg, das werden wohl die jenigen sein die im Elterntaxi sitzen, da sie am öffentlichen Verkehr ja indirekt nicht teilnehmen. Mit Ratschlägen für den sichersten Platz des Kindes im ,, Taxi " wird sich nichts ändern.

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