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Ex-RAF-Terroristen

Stader Marktkauf-Überfall: Ermittler geben nicht auf – Neuer Aufruf

So berichtete das TAGEBLATT am 27. Dezember 2012 über den Marktkauf-Überfall in Stade und das Feuer im mutmaßlichen Fluchtfahrzeug.

So berichtete das TAGEBLATT am 27. Dezember 2012 über den Marktkauf-Überfall in Stade und das Feuer im mutmaßlichen Fluchtfahrzeug. Foto: TAGEBLATT

„Sie könnten auch Ihre Nachbarn sein“: Die Staatsanwaltschaft fährt eine neue Strategie bei der Fahndung nach einem seit Jahren untergetauchten RAF-Trio. Verraten sich die Ex-Terroristen jetzt selbst?

Von Redaktion Sonntag, 11.02.2024, 18:20 Uhr

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Verden/Stade. Ermittlungsbehörden in Niedersachsen bitten die Bevölkerung erneut um Hinweise zu drei früheren Mitgliedern der linksterroristischen Roten Armee Fraktion (RAF). Die Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt haben sich in einer neuen Mitteilung an die Öffentlichkeit gewandt. Bei den Beschuldigten handelt es sich um Ernst-Volker Staub (70), Daniela Marie Luise Klette (65) und Burkhard Garweg (55). „Sie könnten auch Ihre Nachbarn sein“, heißt es im jüngsten Fahndungsaufruf.

Die Gesuchten sollen seit den 1990er-Jahren im Untergrund leben. Die Ermittler nehmen an, dass sich die Gruppe zwischen 1999 und 2016 in Deutschland aufgehalten hat. Zwölf Raubstraftaten auf Geldtransporter und Supermärkte wird dem Trio in dieser Zeit zugerechnet. Ermittelt wird zudem wegen versuchten Mordes.

Die Fahndungsplakate des LKA hingen jahrelang auch im Landkreis Stade aus.

Die Fahndungsplakate des LKA hingen jahrelang auch im Landkreis Stade aus. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Als RAF-Terroristen Marktkauf in Stade überfielen

In Stade sollen die ehemaligen RAF-Mitglieder 2012 aktiv gewesen sein: Zwei Männer waren an Heiligabend in das Kassenbüro des Marktkauf-Centers eingedrungen, hatten drei Angestellte überwältigt und mit dem erbeuteten Geld - mehrere Tausend Euro - in einem silberfarbenen VW-Golf 3 die Flucht ergriffen.

Am Steuer, das berichteten Zeugen, soll eine Frau gesessen haben. Auf der B73 verlor sich ihre Fährte, dabei hatten die Beamten längst eine Großfahndung mit Hubschrauber in die Wege geleitet. Mit einem Blaulicht sollen die Täter sich den Weg durch den Stau gebahnt haben. Durch Wiepenkathen sowie über landwirtschaftliche Straßen und Wanderwege in den Schwingewiesen ging es nach Groß Thun. Schließlich brannte das Fahrzeug in einem Wald am Fredenbecker Weg vollständig aus.

Trotz zahlreicher Hinweise blieb ein Ermittlungserfolg aus. Der Fall kam zu den Akten, bis sich im Mai 2012 der Verdacht gegen die untergetauchten RAF-Mitglieder richtete. Verwertbares DNA-Material hinterließen sie in Stade nicht, aber die Personenbeschreibungen und die Vorgehensweisen passen ins Raster.

Ex-RAF-Mitglied Burkhard Garweg soll Kontakt nach Deutschland pflegen

Wie DNA-Spuren belegen, waren Staub, Garweg und Klette 1993 am Bombenanschlag auf die neue Justizvollzugsanstalt Weiterstadt in Hessen beteiligt. Sie werden von Experten zur letzten, sogenannten dritten Generation von RAF-Terroristen gezählt. Dieser Generation werden unter anderem die Morde an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen 1989 und am Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder 1991 zur Last gelegt. 1998 erklärte sich die RAF für aufgelöst.

Die Taten von Staub, Garweg und Klette seitdem haben nach Ansicht der Behörden mit linkem Terror nichts mehr zu tun. Es gehe darum, sich Geld für das Leben im Untergrund zu beschaffen.

Die Kombo aus zwei stark bearbeiteten Fahndungsfotos zeigt Burkhard Garweg (links) und Ernst-Volker Staub.

Die Kombo aus zwei stark bearbeiteten Fahndungsfotos zeigt Burkhard Garweg (links) und Ernst-Volker Staub. Foto: Staatsanwaltschaft Verden/dpa

Einer der Gesuchten - Burkhard Garweg - soll weiter Kontakte nach Deutschland unterhalten. Im April 2023 hatte es Durchsuchungen „im familiären Umfeld des Beschuldigten“ gegeben. Dabei seien Schriftstücke, Datenträger und Mobiltelefone sichergestellt worden, hieß es damals von der Staatsanwaltschaft.

Nach „Spiegel“-Angaben fanden die Durchsuchungen bei mehreren Familienmitgliedern sowie in einem Hotel vergangene Woche in Frankfurt und Hamburg statt. Zwei Briefe seien dabei in den Fokus geraten. „Dein B.“, stehe am Ende von einem der Briefe, welcher an ein Elternteil gerichtet gewesen sei, berichtet der „Spiegel“ weiter. Der Inhalt der Briefe sei laut Staatsanwaltschaft nicht verfahrensrelevant.

150.000 Euro Belohnung: Ermittler bitten um Hinweise zu Ex-RAF-Terroristen

Für Hinweise, die zur Verurteilung der Täter führen, ist eine Belohnung von 150.000 Euro ausgesetzt.

Die Ermittlungsbehörden haben darüber hinaus zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, über das sogenannte BKMS-System anonym an die Ermittlungsbehörde heranzutreten und Hinweise zu geben. Das BKMS-System ist kein System der Polizei. Es wird seit vielen Jahren in der Privatwirtschaft erfolgreich für die Abgabe von anonymen Hinweisen bei Korruptionsverdacht eingesetzt.

„Ihre Identität ist dabei absolut geschützt, sie ist für die Nutzung des Systems weder erforderlich noch von Bedeutung“, heißt es dazu von der Staatsanwaltschaft. Es bestehe keine Möglichkeit der Rückverfolgung. Es können auch Fragen gestellt und beantwortet werden.

Der Aufruf richte sich dabei auch an die Ex-RAF-Mitglieder selbst. Möglicherweise hätten diese das Versteckspiel satt, wollten endlich reinen Tisch machen? Dann können Hinweise anonym gegeben werden.

Die Bevölkerung kann sich mit Hinweisen an jede Polizeidienststelle wenden. Das LKA ist unter Telefon 0511 9873/7400 zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft warnt: „Nicht an die Ex-Terroristen herantreten! Sie dürften bewaffnet sein.“ (tip/dpa)

Alterssimulationen von Burkhard Garweg (links), Ernst-Volker Wilhelm Staub und Daniela Klette.

Alterssimulationen von Burkhard Garweg (links), Ernst-Volker Wilhelm Staub und Daniela Klette. Foto: dpa

Beschreibung Ernst-Volker Staub (70):

  • ca. 1,83 Meter groß
  • blau-graue Augen
  • Muttermale am Rücken und Verbrennungsmale Schulter links
  • ungepflegte Zähne

Beschreibung Burkhard Garweg (55):

  • ca. 1,80 Meter groß
  • blaue Augen
  • große Nase
  • spitzes Gesicht

Daniela Marie Luise Klette (65):

  • ca. 1,65 Meter groß
  • dunkle Augen
  • Muttermale im Gesicht
S
Stefan Klein
11.02.202416:35 Uhr

Wenn das Tageblatt diese Leute hier als "Ex-Terroristen" bezeichnet, dann zeigt, dass man der RAF-Propaganda bereits auf den Leim gegangen ist. Das sind keine "Ex-Terroristen", sondern sie sind bis heute aktiv, wie man sieht.

S
Stefan Klein
11.02.202415:29 Uhr

Solche Fälle zeigen eindrücklich, dass man auch den Linksterrorismus / Linksextremismus keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen darf. Das sollte man sich immer wieder vor Augen halten, heute wo sich fast alles so ausschließlich auf den Kampf gegen Rechts fokussiert, so berechtigt er auch ist.

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