Handys schrillten, Sirenen heulten am Warntag - Umfrage soll Warnquote zeigen

Am Donnerstag gehen die 230 Sirenen im Kreis Stade los. Foto: Jens Büttner/dpa
Handys brummen, Schriftzüge leuchten, Sirenen heulen: Der bundesweite Warntag - der dritte seiner Art - soll besser klappen als der letzte Probealarm im Dezember. Eine Umfrage des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe soll die Warnquoete ermitteln.
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Letztes Update am 13.07 Uhr.
Der Bund testet die Warnkanäle einmal pro Jahr, immer am zweiten Donnerstag im September. Ein Probealarm hat am bundesweiten Warntag in Deutschland Handys und Sirenen laut schrillen, heulen und brummen lassen. Ausgelöst wurde die für etwa 11.00 Uhr angekündigte Warnung am Donnerstag vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn diesmal überpünktlich. Viele Bürgerinnen und Bürger erhielten über das Cell Broadcast System auf ihren Mobiltelefonen schon um 10.59 Uhr eine Warnung. Bei anderen meldete sich das Handy dann eine Minute später.
Verbreitet wurde der Probealarm dann auch über Radio- und Fernsehsender und auf Stadtinformationstafeln. Wer nach 11.00 Uhr beispielsweise die App des Deutschlandfunks öffnete, erhielt dort auch den schriftlichen Hinweis: „In Deutschland findet heute der Warntag 2023 mit einer bundesweiten Probewarnung statt. Es besteht keine Gefahr.“
Wer Warn-Apps wie Nina oder Katwarn auf seinem Smartphone installiert hat, erhielt auf diesem Weg auch einen Hinweis auf die Probewarnung. Bei Cell Broadcast geht die Warnung an alle dafür vorbereiteten Handys in einer bestimmten Funkzelle. Damit wurden also auch Touristen und andere Menschen mit ausländischen Mobilfunknummern, die sich gerade in Deutschland aufhalten, erreicht. Wer mit seiner deutschen SIM-Karte ins Ausland gereist war, erhielt am Donnerstag dagegen nur dann eine laute Warnung, wenn er eine der deutschen Warn-Apps installiert hat.
Mit dem bundesweiten Warntag will das dem Bundesinnenministerium unterstellte BBK herausfinden, wie viele Menschen eine Warnung vor Gefahren im Ernstfall erreichen würde. Eine Online-Umfrage des BBK soll im Anschluss helfen herauszufinden, wie viele Menschen diesmal über welchen Warnkanal erreicht wurden.
Um 11.45 Uhr kam dann wie geplant die Entwarnung. Bei der Warnung über das Cell Broadcast System, über das eine Textnachricht an alle eingeschalteten modernen Handys mit aktueller Software verbreitet wird, war keine Entwarnung vorgesehen.
Das BBK urteilte, das System habe den „Stresstest“ bestanden. „Die Vielfalt unserer Warnmittel wurde gleichzeitig ausgelöst, hat die
Bevölkerung erreicht und gewarnt“, teilte BBK-Präsident Ralph Tiesler mit. Nun wolle man die Rückmeldungen aus Ländern, Kreisen und kreisfreien Städten einsammeln und gemeinsam mit den Erfahrungsberichten der Bevölkerung auswerten. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zog eine positive Bilanz: „Unsere ersten Auswertungen zeigen: Der dritte bundesweite Warntag war ein voller Erfolg.“ Beim Warntag am 8. Dezember 2022 hatten nach Angaben des BBK mehr als 90 Prozent der Bevölkerung auf dem einen oder anderen Kanal eine Warnung empfangen.
Ein Sprecher der Deutschen Telekom sagte, das Unternehmen sei „mit dem Ergebnis des heutigen bundesweiten Warntags in unseren Netzen sehr zufrieden“. Die durch die Behörden ausgelöste Warnmeldung über Cell Broadcast sei „ohne Probleme aufgenommen, weitergeleitet und über unsere Mobilfunkstationen im gesamten Bundesgebiet gesendet“ worden.
Der auch für Digitales zuständige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte, auch ihn habe eine Warnung erreicht - „das vermittelt mir die Sicherheit, in Notfällen und bei Katastrophen umgehend und zielgenau gewarnt werden zu können“. Eine Pressekonferenz seines Kabinettskollegen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), in Berlin wurde durch das laute Schrillen der vielen Mobiltelefone im Raum unterbrochen. Der Minister blieb gelassen, auch als er feststellte, dass die Warnung auf seinem Smartphone zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingegangen war.
Der Bund testet die Warnkanäle einmal pro Jahr, immer am zweiten Donnerstag im September. Wie schon beim Warntag im vergangenen Jahr, so zeigten sich auch diesmal wieder Menschen irritiert, in deren Umgebung keine Sirene zu hören war. Sirenen waren nach dem Ende des Kalten Krieges vielerorts abgebaut oder nicht erneuert worden. Inzwischen gibt es aber Bemühungen, die Zahl von aktuell mindestens rund 38 000 Sirenen bundesweit wieder zu erhöhen.
Thüringens Landtag unterbrach wegen des bundesweiten Probealarms vorsorglich seine Sitzung für einige Minuten. Man wolle nicht, dass die schrillen Signale von den Handys der Abgeordneten, Mitarbeiter und Zuschauer die Haushaltsberatung stören, begründete Landtagspräsidentin Birgit Pommer die Entscheidung.
Wann genau findet der Warntag statt?
Wie der Landkreis Stade mitteilt, wurde am Donnerstag ab 11 Uhr gewarnt. Es ertönten kreisweit rund 230 Sirenen. Entwarnung soll es gegen 11.30/11.45 Uhr geben.
Außerdem soll die Probealarmierung bei allen Bürgern im Kreis Stade via Cell Brodcast erfolgen. Dabei handelt es sich um ein System auf dem Smartphone, das Warnnachrichten automatisch via Push-Mitteilung sendet. Übermittelt wird die Warnung über alle deutschen Netzbetreiber. Dafür seien jedoch gewisse Systemvoraussetzungen auf dem Handy notwendig, wie es heißt. Zudem sollen kostenlose Warn-Apps wie NINA, BIWAPP und KatWarn auf dem Handy anschlagen.
Ergänzt wird der Warn-Mix über Meldungen in Radio und Fernsehen, Informationstafeln in den Städten sowie Warnungen auf den Bahnsteigen und in Zügen.
Welche Sirenen-Signale werden zu hören sein?
Zu hören sein wird von 11 Uhr an eine Minute lang ein „Heulton, ununterbrochen auf- und abschwellend“, wie es heißt. Die Entwarnung erfolgt mit "einem länger andauernden Sirenenton".
Der frühere Termin jetzt im September biete zudem die Möglichkeit, im Vorfeld der Sturmflutsaison im Herbst die Sirenen im Kreis testen. „Außerdem wollen wir die Bürgerinnen und Bürger für die Sirenenalarmierung sensibilisieren“, erklärt der Leiter der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle in Stade-Wiepenkathen, Wilfried Sprekels.
Dort wird für die gesamte Region zwischen Balje und Buxtehude um 11 Uhr „auf den Knopf gedrückt“. Denn: Alle Sirenen im Kreis seien seit 2019 digitalisiert und ließen sich von einem Ort aus ansteuern. Der Landkreis Stade ist in diesem Punkt in einer Vorreiterrolle. Sirenen warnen auch diejenigen, die im Funkloch stecken oder ihr Handy nicht dabei haben.
Könnten sich Menschen fürchten?
Ja, das Sirenengeheul kann Angst machen oder belastende Erinnerungen auslösen, vor allem bei älteren Menschen, Kindern oder Geflüchteten aus Kriegsgebieten. Deshalb bittet der Landkreis darum, vorab das Gespräch zu suchen und diese Menschen auf den bevorstehenden Probealarm vorzubereiten.
Aber: Die Notrufe 110 und 112 seien am Vormittag nur für echte Notfälle gedacht und dürften auf keinen Fall für Fragen zum Probealarm blockiert werden.
Der konkrete Alarm ist mit keinen weiteren Maßnahmen der Bevölkerung oder den Einsatzkräften verbunden.

Blick in die Feuerwehr- und Rettungsleitstelle des Landkreises in Stade-Wiepenkathen. Foto: Landkreis Stade/Beneke
Wird der Warntag ausgewertet?
Ja. Ein Großteil der Warnmittel wird durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ausgelöst und koordiniert.
"Der Warntag soll einerseits Informationen darüber liefern, an welchen Stellen es in der Alarmierungskette womöglich hakt und ob womöglich Sirenen defekt sind - und andererseits die Menschen im Landkreis mit den Sirenensignalen vertraut machen", heißt es von der Kreisverwaltung.
Wer in seinem Umfeld keine Sirenen wahrnehmen könne oder nur schwache Sirenensignale höre, könne seinen Standort hinterher per E-Mail an frl@landkreis-stade.de oder per Telefon unter der Rufnummer 04141/123700 melden. Zusammen mit den Kommunen werde stetig an einer Verbesserung der Sireneninfrastruktur gearbeitet.
Diesmal sollen die Menschen möglichst flächendeckend mit einer staatlichen Warnung erreicht werden, wie es heißt. Beim jüngsten Warntag im Dezember erhielten schon neun von zehn Menschen auf dem einem oder anderen Weg eine Warnung.
Wo werden Probleme erwartet?
Nicht in allen Stader Nachbarkreisen ertönen Sirensignale. Der Landkreis Cuxhaven etwa macht nicht flächendeckend mit. Die Sirenen im Cuxland bleiben überwiegend stumm. Der Grund dafür sei diesmal erneut, dass noch nicht alle Sirenen im Gebiet des Landkreises auf eine digitale Alarmierung umgerüstet worden seien. "Wir wollen die Sirenen nach der Digitalisierung alle richtig und vollständig testen", erklärte Landrat Thorsten Krüger. Zurzeit seien rund 60 Prozent der etwa 220 Sirenen im Landkreis Cuxhaven mit einem digitalen Steuerungsempfänger ausgestattet.
Im Kreis Harbug sind Sirenen laut Kreisverwaltung zudem nicht mehr flächendeckend vorhanden und werden deshalb auch nicht überall im Kreisgebiet zu hören sein. Die Abdeckung ist sehr unterschiedlich, besonders die Städte verfügen nur über wenige Anlagen. Entlang der Elbe werden derzeit 64 Sirenen modernisiert und nachgerüstet.
Auch in der Großstadt Hamburg fehlt es an Sirenen.
Das BBK zeigt sich zuversichtlich, dass beim Warntag eine mindestens ebenso hohe Quote an erreichten Menschen geschafft werde wie im vergangenen Jahr. Jedes einzelne Warnmittel solle jeweils an die bisher nur insgesamt erreichte Quote von 90 Prozent gewarnten Menschen herangeführt werden. „Mit jedem Warntag lernen wir letztlich dazu”, sagte BBK-Chef Ralph Tiesler.
Das neue Cell Broadcast System hatte im Dezember 2022 knapp 54 Prozent der Menschen bundesweit erreicht. Unter anderem bei Telekom-Kunden hatte es noch Probleme und Ausfälle gegeben. Seitdem hat das System niedersachsenweit 20 Mal ausgelöst - vor allem bei schweren Unwettern oder Bombenfunden. Im Kreis Stade schlug das System bisher nur beim Warntag 2022 an.

So sieht eine Warnmeldung, die über Cell Broad versandt wurde, als Push-Nachricht auf dem Smartphone aus. Foto: dpa
Warntag: So schalten Sie Cell Broadcast auf Ihrem Smartphone ein
Handys müssen am 14. September eingeschaltet ist, Empfang haben (also in einer Funkzelle registriert sein) und mit einer aktuellen Software laufen. Auch darf nicht der Flugmodus angeschaltet sein.
Manuell lässt sich der Empfang der Notfallbenachrichtigungen beispielsweise unter "Einstellungen/Sicherheit und Notfall/Drahtlose Notfallwarnungen" (Samsung) oder „Einstellungen/Mitteilungen/Offizielle Warnmeldungen“ (Apple) ein- und ausstellen. (tip)