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Krankheitsfälle

Corona: Anstieg nimmt immer weiter zu – Wichtige Änderung

Zwar sind wieder vermehrt Menschen Corona-positiv, die Krankheitsverläufe sind jedoch weniger schwer.

Zwar sind wieder vermehrt Menschen Corona-positiv, die Krankheitsverläufe sind jedoch weniger schwer. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Schniefend und hustend in die Feiertage: Wie viele Menschen derzeit krankgemeldet sind? Und wie schwer die Verläufe sind? Eine Änderung betrifft Kinderärzte und Eltern.

Von dpa Donnerstag, 14.12.2023, 18:20 Uhr

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Berlin/Landkreis. Die Vorweihnachtszeit in Deutschland wird getrübt durch weiter zunehmende Infektionszahlen bei akuten Atemwegserkrankungen. Corona, Erkältungen und auch Grippe sind immer noch oder zunehmend auf dem Vormarsch, wie aus Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Im Bericht zur Lage in der Woche bis 10. Dezember ist von hochgerechnet etwa 7,9 Millionen akuten Atemwegserkrankungen (vorheriger Bericht: 7,1 Millionen) bundesweit die Rede, unabhängig von Arztbesuchen.

Nachdem vor allem Corona schon länger dominiert, rief das RKI jüngst noch den Beginn der RSV-Welle aus (RSV steht für Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen). Nun nehmen auch Grippe-Nachweise deutlich zu.

Grippe: Diese Altersgruppe ist derzeit besonders betroffen

Nach RKI-Definition hat die Grippewelle, ausgelöst durch Influenza-Viren, aber noch nicht begonnen. „Von Influenzaerkrankungen sind bisher vornehmlich Kinder im Schulalter und junge Erwachsene betroffen“, heißt es im Bericht. Die Meldezahl, also im Labor bestätigte Fälle von Influenza, ist mit rund 1400 für die Vorwoche bundesweit noch relativ niedrig. Sie hat sich aber im Wochenvergleich mehr als verdoppelt.

Corona wird hierzulande noch sehr viel häufiger festgestellt: Rund 26.850 Erkrankte wurden für die vergangene Woche gemeldet. Die Meldezahlen sind bei beiden Erkrankungen als Spitze des Eisbergs zu verstehen.

Telefonische Kinderkrankmeldung für Eltern ab 18. Dezember

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) reagierte am Donnerstag erneut. Nachdem bereits die telefonische Krankschreibung für jedermann seit der vergangenen Woche wieder möglich ist, können Eltern ärztliche Bescheinigungen, dass sie ein krankes Kind betreuen müssen, bald auch telefonisch und ohne extra Praxisbesuch bekommen. Möglich sein soll dies ab 18. Dezember, wie aus Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) hervorgeht.

Eltern können ab Mitte Dezenber ihre Kinder telefonisch krankschreiben lassen.

Eltern können ab Mitte Dezenber ihre Kinder telefonisch krankschreiben lassen. Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn

Konkret sollen Bescheinigungen für den Bezug von Kinderkrankengeld laut GKV für maximal fünf Tage ausgestellt werden können - wenn das Kind dem Arzt oder der Ärztin bekannt ist und sie die telefonische Ausstellung als vertretbar ansehen.

„Das wird Eltern und Arztpraxen merklich entlasten“, sagte ein GKV-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Lauterbach hatte die KBV und die Kassen zuvor gebeten, eine solche Regelung zu treffen.

Für kranke Kinder bis zwölf Jahren können sich Eltern von der Arbeit freistellen lassen. Dazu müssen sie bisher mit dem Kind in die Praxis gehen, um eine Bescheinigung zu bekommen. Die Kasse übernimmt dann einen Großteil des Verdienstausfalls und zahlt Kinderkrankengeld - in der Regel 90 Prozent des ausgefallenen Nettolohns.

Ein kürzlich beschlossenes Gesetz regelt laut Ministerium eine Erhöhung der Zahl der Tage, für die man Kinderkrankengeld beantragen kann. Nach Corona-Sonderregelungen wären es ab 2024 eigentlich wieder 10 Kinderkrankentage pro Jahr gewesen - das Gesetz erhöht die Zahl für 2024 und 2025 auf 15 Tage pro Kind und Elternteil.

Telefonische Krankschreibung an Bedingungen geknüpft

Hintergrund ist die inzwischen geltende Möglichkeit zu telefonischen Krankschreibungen bei leichten Erkrankungen, wenn Patienten in Praxen bekannt sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kassen und Kliniken hatte kürzlich eine Dauerregelung nach Vorbild einer Corona-Sonderregelung beschlossen.

Für die Allgemeinheit gelten konkret gelten zwei Bedingungen: Zum einen müssen die Patienten in der Arztpraxis bekannt sein, zum anderen dürfen sie keine schweren Symptome haben. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, können sich Patienten den Weg in die Praxis sparen. Bei schweren Symptomen jedoch „müsste die Erkrankung durch eine unmittelbare persönliche Untersuchung abgeklärt werden“, erklärte der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken. Voraussetzung ist auch, dass keine Videosprechstunde möglich ist.

Corona bedeutet: Ein Erreger zusätzlich

Insgesamt schätzt das RKI, dass vorige Woche pro 100.000 Einwohner 9500 eine akute Atemwegserkrankung hatten (Bericht der Vorwoche: rund 8500). Vor einem Jahr um diese Zeit war die Rate noch höher - in mehreren der Vorjahre niedriger, was aber teils auch an damaligen Corona-Maßmaßnahmen liegen dürfte. Bei Atemwegserkrankungen kann sich die Entwicklung ohnehin von Saison zu Saison erheblich unterscheiden.

Bei den derzeit hohen Werten könnte Fachleuten zufolge immer noch ein kleiner Nachholeffekt eine Rolle spielen: Das bedeutet, dass sich gerade womöglich noch etwas mehr Menschen mit Erregern anstecken, mit denen sie in den Pandemie-Jahren nicht oder seltener als üblich in Kontakt kamen.

„Aber man muss natürlich auch beachten, dass wir jetzt einen Erreger für Atemwegserkrankungen mehr haben“, sagte der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl der Deutschen Presse-Agentur. Wenn man den derzeit relativ hohen Anteil von Sars-CoV-2 an allen Atemwegsinfektionen betrachte, so sei es kein Wunder, dass die gesamte Inzidenz über dem Niveau der Jahre vor der Pandemie liege.

Menschen sind womöglich stärker sensibilisiert

„Zudem ist von einer höheren Aufmerksamkeit in der Bevölkerung auszugehen“, sagte der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. Und damit tendenziell auch von mehr Arztbesuchen wegen Atemwegserkrankungen, die sich auch in der Statistik beziehungsweise den Arbeitsunfähigkeitszahlen niederschlagen könnten.

Watzl widerspricht vehement Behauptungen, wonach die Hygienemaßnahmen in der Pandemie dem Immunsystem geschadet haben könnten. Dies stimme einfach nicht. „Ich muss mein Immunsystem nicht durch Infektionen trainieren, damit es überhaupt erst aktiv ist.“ Dass vermiedene Infektionen von damals nun nachgeholt werden, bedeute keine Schwächung des Immunsystems.

Schwere Corona-Verläufe sind nicht Geschichte

Trotz der Grundimmunität durch Impfungen und Infektionen in der Bevölkerung sind schwere Verläufe nicht völlig passé. Eine Corona-Infektion könne „noch ganz schön“ krank machen, sagte der Charité-Experte Leif Sander kürzlich im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). „Auch solche Ausprägungen, wie wir sie vor ein paar Jahren gesehen haben.“ Gründe könnten etwa eine länger zurückliegende Impfung oder keine gute Immunisierung sein. Einen gewissen Grad an Vorsicht halte er daher für geboten: Freiwillig eine Maske zu tragen, sei etwa in einer sehr vollen U-Bahn vernünftig - auch zum Schutz vor anderen Viren.

Auf die Corona-Warnungen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach der vergangenen Tage folgte am Mittwoch Kritik vom Chef der Kassenärzte, Andreas Gassen. „Ich halte seine Warnungen und Appelle in der Dringlichkeit für überzogen. Wir haben schließlich keine pandemische Lage mehr“, sagte Gassen der „Rheinischen Post“. Früher habe man auch nicht wegen Erkältungen oder der Grippe überall zum Maskentragen und zum Verzicht auf Weihnachtsfeiern in Innenräumen geraten. „Was Sinn macht, ist die Impfung gegen Corona und Grippe für alle Älteren und Risikogruppen“, sagte Gassen.

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