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Ernte-Einbruch

Nächstes Produkt im Supermarkt wird knapp und teurer

Apfelsaft dürfte in den kommenden Monaten in Supermarktregalen knapper und damit für Verbraucher teurer werden.

Apfelsaft dürfte in den kommenden Monaten in Supermarktregalen knapper und damit für Verbraucher teurer werden. Foto: Stratenschulte/dpa

Vor dieser Knappheit in den Regalen der Discounter & Co. ist nicht einmal der Obstbau-Kreis Stade gefeit. Doch das Alte Land trifft keine Schuld. Was Kunden wissen müssen.

Von Redaktion Freitag, 27.10.2023, 11:58 Uhr

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Landkreis/Jork/Hannover. Apfelsaft dürfte in den kommenden Monaten knapper und damit für Verbraucher teurer werden - eine wichtige Ursache dafür ist die sehr schlechte Ernte auf den Streuobstwiesen in diesem Jahr. Von diesem bundesweit spürbaren Einbruch ist auch Niedersachsen betroffen, sagte die Vorstandsvorsitzende des Streuobstwiesen-Bündnisses Niedersachsen, Sabine Washof: „Es ist wirklich katastrophal.“ Im Vergleich zum vergangenen Jahr sei der Ertrag auf den Streuobstwiesen spürbar geringer.

Washof nannte zwei Gründe: Bei der Apfelernte wechseln sich starke Jahre regelmäßig mit schwachen Erntejahren ab. Nach der guten Ernte im vergangenen Jahr sei die Ernte in diesem Jahr daher natürlich schwächer. Fachleute bezeichnen diesen Wechsel als Alternanz. Eine andere Ursache sei ein Frosteinbruch im Frühjahr gewesen, dem viele Blüten zum Opfer gefallen seien. Daher seien vor allem die frühen Apfelsorten ausgefallen.

Im kommerziellen Apfelanbau könnten die Landwirte die empfindlichen Blüten durch ein künstlich erzeugtes Frostmäntelchen vor dem Erfrieren schützen. „Diese Möglichkeit haben wir für die Streuobstwiesen nicht“, sagte Washof.

Warum sich Mostobst für Altländer Bauern nicht rechnet

Bei den Apfelbauern werde die Apfelernte in diesem Jahr etwas geringer ausfallen als im vergangenen Jahr, sagte Claus Schliecker, Vorsitzender der Fachgruppe Obstbauern im Landvolk Niedersachsen. Für den Apfelsaft werden allerdings nicht die gut geratenen Früchte verwendet, sondern diejenigen, die zu krumm gewachsen sind oder Insektenstiche haben. Das seien pro Jahr etwa 10 bis 15 Prozent der Ernte. „Für Mostobst kann man heute keinen Apfel mehr produzieren, geschweige denn ernten“, sagte Schliecker. Der Ertrag sei so gering, dass sich dafür allein der Apfelanbau nicht lohne.

Apfelsaft läuft aus der Mostmaschine.

Apfelsaft läuft aus der Mostmaschine. Foto: Philipp Schulze/dpa/Archivbild

In Norddeutschland, eingeschlossen Mecklenburg-Vorpommern und Berlin/Brandenburg, stünden den Mostereien in diesem Jahr 44 Prozent weniger konventionell erzeugte Äpfel und 42 Prozent weniger biologisch erzeugte Äpfel zur Verfügung als vor einem Jahr, sagte Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Fruchtsaftindustrie.

Weniger Streuobst: Wann Apfelsaft knapp wird

Die Preise für angelieferte Äpfel seien seit Beginn der Kelter-Kampagne Mitte August kontinuierlich gestiegen. Nach den Regeln der Marktwirtschaft dürfte das zu höheren Preisen führen - sowohl bei den Säften der Discountern, als auch bei den Säften von regionalen Mostereien.

Ein wenig Aufschub erhalten Verbraucher in Super- und Getränkemärkten aber wohl noch: Nach Einschätzung von Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF), könnte Apfelsaft ab Juli 2024 knapp werden. Engpässe sollen mit Importen zum Beispiel aus Polen ausgeglichen werden.

Den VdF-Angaben nach werden voraussichtlich nur rund 300.000 Tonnen Streuobst geerntet werden können. Im Vorjahr waren es 500.000 Tonnen.

Äpfel mit Macken: Nicht für die Direktvermarktung geeignet, aber umso besser für Apfelsaft.

Äpfel mit Macken: Nicht für die Direktvermarktung geeignet, aber umso besser für Apfelsaft. Foto: Andreas Arnold/dpa

Der in Deutschland hergestellte Direktsaft aus Äpfeln kommt zum Großteil von Streuobstwiesen und zu einem kleinen Teil aus Plantagen. Der hiesige Konzentratsaft wird hingegen in der Regel aus Äpfeln aus dem Ausland gemacht. Dem Verband zufolge teilt sich der Markt in etwa hälftig auf in Direktsaft und Konzentratsaft.

Zu den großen deutschen Saftfirmen gehört Wesergold aus Rinteln (Niedersachsen), Eckes-Granini aus Nieder-Olm (Rheinland-Pfalz), Valensina aus Mönchengladbach und Niederrhein-Gold aus Moers (beide NRW).

Verein sorgt sich um die Zukunft der Streuobstwiesen

Betreuung und Pflege der Streuobstwiesen müssen nach Expertenansicht besser werden. Bei vielen Altbeständen gebe es keine Pflege mehr, und auch bei neu angelegten Streuobstwiesen werde nach wenigen Jahren die regelmäßige Pflege der Bäume unterlassen, klagte Washof.

„Man muss die Bäume regelmäßig zurückschneiden“, so die Vorsitzende des Streuobstwiesen-Bündnisses weiter. Nur das stelle sicher, dass die Obstbäume auch viele Jahre Früchte tragen. Zwar gebe es an vielen Orten bürgerschaftliches Engagement für den Erhalt der Streuobstwiesen, aber es fehle auch oft an gärtnerischen Fachkenntnissen, wie mit den Bäumen umgegangen werden müsse.

Ausbildung zum Obstbaumwart

„Bürgerschaftliches Engagement ist total klasse, aber die Menschen, die sich engagieren, dürfen auch nicht alleine gelassen werden, die brauchen eine Begleitung.“ Das Streuobstwiesen-Bündnis bilde zusammen mit dem Pomolgenverein Obstbaumwarte aus. „Der Bedarf ist einfach riesig, wir haben immer noch zu wenige erfahrene Leute“, sagte Washof.

Streuobstwiesen leiden unter falscher Pflege.

Streuobstwiesen leiden unter falscher Pflege. Foto: Kristin Schmidt/dpa

Im Zusammenhang mit dem Niedersächsischen Weg seien die Streuobstwiesen ab einer Größe von 2500 Quadratmetern zwar unter Schutz gestellt worden, sagte Washof. „Die Flächen müssen aber auch gepflegt werden, Schutz alleine reicht nicht.“ Beim Niedersächsischen Weg arbeiten Naturschutzverbände, Landwirtschaft und Land gemeinsam bei Gesetzesverbesserungen für Arten-, Natur- und Gewässerschutz.

Ein Überblick, wie viele Streuobstwiesen es in Niedersachsen gibt, bestehe immer noch nicht, sagte Washof. Es gebe zwar eine Kartierungsplattform für ein Kataster, wo auf freiwilliger Basis solche Wiesen eingetragen werden können. Dennoch seien die Angaben noch unvollständig. „Das ist eine Sache, da muss sich das Ministerium drum kümmern, auch gerne mit unserer Unterstützung“, forderte Washof.

Gelbe Bänder an Apfelbäumen: Das steckt dahinter

Auch die Nutzung des Obstes sei sehr unterschiedlich. An vielen Orten gebe es Streuobstvereine, die sich mit der Vermostung des Obstes finanzieren. Aber es gebe auch noch viele Wiesen, wo das Obst einfach nur herunterfalle. Um das zu ändern, sei auch die Aktion „Gelbes Band“ ins Leben gerufen worden: Gelbe Bänder an den Bäumen signalisieren, dass das Obst von jedermann gepflückt werden kann.

Laut Umweltministerium in Hannover ist die Zahl der Obstbäume zwischen 1951 und 2014 um mehr als 75 Prozent geschrumpft, viele ältere Streuobstwiesen waren in einem schlechten Pflegezustand. Im Rahmen des Niedersächsischen Weges wurden Streuobstwiesen darum ab dem 1. Januar 2021 unter gesetzlichen Schutz gestellt. „Das ist eben auch ein wichtiger Kern des Niedersächsischen Weges, bei dem wir zusammen mit der Landwirtschaft den bestmöglichen Einklang zwischen wirtschaftlicher Nutzung sowie Natur- und Artenschutz in den Fokus nehmen", sagte Umweltminister Christian Meyer (Grüne).

Das Streuobstwiesen-Projekt des BUND wurde insgesamt mit rund einer Million Euro vom Land gefördert, die Gelder kommen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).

Apfelernte: Holsteiner Cox wird Opfer des Klimas

Die Qualität der Apfelernte im Alten Land ist gut, die Menge bleibt unter der des Vorjahres. „Es sieht gut aus, die Betriebe sind auf der Zielgeraden“, sagt Matthias Görgens, stellvertretender Leiter der zur Landwirtschaftskammer Niedersachsen gehörenden Obstbauversuchsanstalt Jork. Es seien noch nicht alle Früchte von den Bäumen geholt, Ende des Monats werde die Ernte abgeschlossen sein.

Erst im November gebe es genaue Zahlen. Für dieses Jahr werde mit einer Erntemenge von 299.000 Tonnen gerechnet, das seien 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Nach der großen Ernte im vergangenen Jahr tragen die Bäume etwas weniger, das sei der normale Biorhythmus. Zwar sei das Wetter derzeit zum Ernten durchwachsen, aber im September und bis in den Oktober hinein sei es noch richtig gut gewesen. Das Alte Land ist mit 550 Betrieben und 10.000 Hektar Fläche zwischen Cuxhaven und Hamburg nach Angaben der Gemeinde Jork das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Deutschlands.

Äpfel in einer Jorker Sortieranlage.

Äpfel in einer Jorker Sortieranlage. Foto: Sina Schuldt/dpa

Ernte im Alten Land läuft bis Ende Oktober

Wegen des Klimawandels und der gestiegenen Durchschnittstemperaturen verändert sich auf lange Sicht ein Teil des Anbaus. „Der Holsteiner Cox kann Hitze nicht vertragen, diese Anbausorte geht zurück. Er ist ein Klimaverlierer“, sagt Görgens.

Dagegen seien die Bedingungen für Birnen besser geworden. „Früher war es zu kalt. Jetzt sagen wir den Bauern, pflanzt doch Birnen.“ Damit könne der fehlende Import aus Ländern wie Italien, wo es inzwischen zu heiß für den Birnenanbau geworden sei, ausgeglichen werden. Derzeit sei das noch ein kleines Segment, der Anteil im Alten Land mache etwa drei Prozent aus. (dpa/tip)

J
Jochen Gast
27.10.202321:12 Uhr

Leider falsch verstanden. Es war nicht zu billig, sondern zu teuer. Steigende Kosten durch Mindestlohn, Energie, etc führen einfach dazu, dass es sich nicht lohnt, die Äpfel zu ernten, weil man dann drauf zahlt. Ein Großteil aller Lebensmittel wird noch vor Verkauf weggeschmissen, ebenso vom Endverbraucher nach Kauf. Da sich jetzt über die Produzenten aufzuregen, die im Grunde am Ende der Kette stehen, ist schon recht eindimensional.

J
Jochen Gast
27.10.202321:12 Uhr

Doppelter Kommentar gelöscht. TAGEBLATT online

J
J. Gast
27.10.202321:10 Uhr

Doppelter Kommentar gelöscht. TAGEBLATT online

T
Thomas Hülsen
27.10.202317:10 Uhr

.zu F. Müller
das stimmt ich war auch entsetzt das macht man nicht das sind Lebensmittel
da kann man mal sehen denen gehts noch viel zu gut hier schmeissen Lebensmittel weg weils zu billig ist unglaublich

C
Carl-Heinz Thor Straten Wolf
27.10.202308:29 Uhr

Das ist also die neue Art Preissteigerungen kundzutun. Die Apfelbauern klagen jedes Jahr erneut, mal zu kalt zu nass zu warm mal zu viel Regen oder Sonne irgendwas wird schon passen. Ach ja die Bienen habe ich noch vergessen. Es steckt mit Sicherheit viel Arbeit drin, aber verhungern tun Sie noch lange nicht.

F
Frank Müller antwortete am
27.10.202309:18 Uhr

Ich möchte daran erinnern, dass im letzten Jahr die Obstbauern einen nicht unerheblichen Teil der Äpfel nicht geerntet haben. Die Preise waren so niedrig, dass die Ernte sich nicht gerechnet hat.

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