Prominente Frauen fordern von Merz mehr Sicherheit
Kanzler Merz hat mit seinen „Stadtbild“-Äußerungen eine Debatte ausgelöst. (Illustration) Foto: Focke Strangmann/dpa
„Fragen Sie mal Ihre Töchter“, hat der Kanzler in der Debatte über Probleme im Stadtbild vorgeschlagen. 60 Frauen antworten ihm jetzt. Mit zehn konkreten Forderungen.
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Berlin. 60 Frauen aus Kultur, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft haben sich in der „Stadtbild“-Debatte mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gewandt und zehn konkrete Forderungen aufgestellt. Dazu zählt die konsequentere Strafverfolgung von sexualisierter Gewalt, die Aufnahme der Tötung von Frauen wegen ihres Geschlechts (Femizid) als eigenen Tatbestand ins Strafgesetzbuch und die Reform des Abtreibungsparagrafen 218.
Damit antworten die Frauen auf eine Äußerung des Kanzlers auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche. Auf die Frage, was er mit seiner Äußerung zu Problemen im Stadtbild denn gemeint habe, antwortete er: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“
In dem offenen Brief heißt es dazu nun: „Wir möchten gerne über Sicherheit für Töchter, also Frauen sprechen. Wir möchten es allerdings ernsthaft tun, und nicht als billige Ausrede dienen, wenn rassistische Narrative rechtfertigt werden sollen.“
Neubauer, Lang und Denalane unter den Unterzeichnerinnen
Unterzeichnet haben den Brief nach Angaben der Initiatorinnen unter anderem Grünenpolitikerin Ricarda Lang, Klimaaktivistin Luisa Neubauer, Musikerin Joy Denalane und die Autorin Alice Hasters. Außerdem dabei: die Schauspielerin Melika Foroutan sowie die Schriftstellerinnen Lena Gorelik und Mithu Sanyal.
„Wir wollen, dass Frauen sicher sind – auf der Straße und im eigenen Zuhause“, schreiben sie und listen zehn Forderungen auf.
- Konsequentere Strafverfolgung bei sexualisierter und häuslicher Gewalt
- Bessere Beleuchtung und Überwachung öffentlicher Räume
- Femizide als eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch
- Verlässliche Datenerhebung zu Gewalt gegen Frauen – differenziert nach Diskriminierungserfahrungen
- Mehr Geld für Frauenhäuser und Schutzräume
- Gewaltschutzgesetz besser finanzieren und Anerkennung rassistisch motivierter Gewalt in Gesetzgebung und Praxis
- Mehr Schutz vor digitaler Gewalt und Rassismus im Netz
- Recht auf körperliche Selbstbestimmung einführen durch die Reform von Paragrafen 219 und 218 im Strafgesetzbuch
- Finanzielle Unabhängigkeit von Frauen stärken - gleicher Lohn für gleiche Arbeit
- Altersarmut von Frauen konsequent bekämpfen
Bundesweite Proteste nach „Stadtbild“-Aussage
Merz hatte die Debatte vor zwei Wochen mit einer Äußerung zur Migrationspolitik der Bundesregierung ausgelöst: „Wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“ Erst acht Tage später wurde Merz konkreter: Probleme machten diejenigen Migranten, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, die nicht arbeiteten und die sich auch nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten, sagte er.
In einer ZDF-Umfrage gaben 63 Prozent der Befragten dem CDU-Vorsitzenden in der präzisierten Äußerung recht. Gleichzeitig machten in den vergangenen zwei Wochen Tausende Menschen auf Dutzenden Demonstrationen bundesweit ihrem Unmut über die Äußerungen Luft.
Miersch für „konkrete Lösungen“
Unklar ist weiterhin, was aus der Debatte folgt. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch schreibt in einem Brief an die sozialdemokratischen Abgeordneten, man müsse nun mit der Union, den Ländern und vor allem mit den Kommunen „an konkreten Lösungen“ arbeiten. „Ein soziales, inklusives und sicheres Stadtbild entsteht dort, wo Politik hinhört und handelt, statt zu spalten.“ Mit Unionsfraktionschef Jens Spahn habe er vereinbart, dass sich die zuständigen Fachpolitiker nun austauschen, berichtet Miersch seiner Fraktion. Konkreter wurde er aber nicht. Zuvor hatten bereits Fachpolitiker der SPD einen „Stadtbild“-Gipfel im Kanzleramt gefordert.
Warken: Ein „paar Lampen aufhängen“ reicht nicht
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, die auch Vorsitzende der Frauen Union der CDU ist, sieht ebenfalls Handlungsbedarf. In vielen Innenstädten gebe es Probleme mit Zonen, wo man schauen müsse, was mit Beleuchtung, Sauberkeit und Videoüberwachung getan werden könne, sagte sie „Table.Briefings“. „Jetzt aber so zu tun, als ob es nur genügt, ein paar Lampen aufzuhängen und irgendwie den Müll wegzufahren, das reicht, glaube ich, nicht“, fügte sie hinzu.
Forderung nach Videoüberwachung mit Gesichtsbilderkennung
Von Innenpolitikern der Union kam zuletzt vor allem die Forderung nach Videoüberwachung mit biometrischer Gesichtserkennung. Dagegen gibt es aber rechtliche Bedenken. Solche „massenhaften Grundrechtseingriffe“ seien in „verfassungsgemäßer Ausgestaltung“ kaum denkbar, heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins dazu. „Das ist Symbolpolitik ohne Sicherheitsgewinn, dafür mit großen Freiheitseinschränkungen für Millionen unbescholtener Bürgerinnen und Bürger.“