Restaurants: Steuerentscheidung gefallen – Es wird teurer

Der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie soll wieder von 7 auf 19 Prozent angehoben werden. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
TV-Köche an der Spitze, Landgasthöfe in der Breite: Der Kampf für die geringere Mehrwertsteuer ist eine der größten Lobby- und Protestkampagnen des Jahres. Jetzt hat sich die Ampel-Regierung festgelegt.
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Landkreis/Bremen/Berlin. Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie wird zu Jahresbeginn wieder auf 19 Prozent angehoben. Darauf verständigte sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die Ampel-Koalition. Zuvor hatte das „Handelsblatt“ berichtet.
Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Lieferung wird mit 7 Prozent besteuert. Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden.
Die Regelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres. Die Branche hatte zuletzt vehement dafür geworben, die Steuersenkung nicht auslaufen zu lassen.
Mehrwertsteuer in Gastronomie steigt wieder
Die Gastronomiebranche hat mit geeinter Stimme die Ampelkoalition eindringlich vor der Anhebung gewarnt. „Weniger Gäste, weniger Umsatz, weitere Betriebsaufgaben, Umsatzverluste bei Lieferanten und Partnern, Arbeitsplatzverluste und eine Verlagerung der Umsätze hin zu To-Go und Lieferdiensten wie Supermärkten sind programmiert. Es steht viel auf dem Spiel“, sagte etwa die Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges, unserer Redaktion. Deutschlandweit steht laut Dehoga die Existenz von rund 12.000 Betrieben auf dem Spiel.
„Warum sollte ein Essen, das ich genüsslich und mit Service im Sitzen in einem angenehmen Ambiente zu mir nehme, mit 19 Prozent besteuert werden und das, was ich auf die Schnelle im Alukarton to go beziehungsweise für außer Haus kaufe, mit 7 Prozent?“, klagte Hamburgs Spitzenkoch Tim Mälzer.
Das sei keine Subvention für Corona-Ausfälle, „sondern das wäre einfach eine intelligente Entscheidung, denn in meinen Augen wäre die Regelung mit einem einheitlichen Steuersatz für beide Seiten fair - für die Gastronomie und die Verbraucher. Das ist unser Recht, ganz einfach“, so der TV-Promi weiter.

Tim Mälzer zu Steuern: „Das ist unser Recht, ganz einfach.“ Foto: Marcus Brandt/dpa
Gastronomen im Kreis Stade fürchten Betriebsschließungen
Auch im Landkreis Stade machten sich Gastronomen und Dehoga stark. Funktionäre trrugen 7-Prozent-T-Shirts, die Mitgliedsbetriebe legten Unterschriftenlisten für eine Petition aus, die laut Dehoga-Geschäftsführerin Nathalie Rübsteck weit mehr als die anvisierten 100.000 Unterstützer gefunden habe.
Durch stark gestiegene Lebensmittel- und Personalkosten stehe die Gastronomie bereits stark unter Druck, sagt Lutz Feldtmann, Vorsitzender des Dehoga im Kreis Stade. Sollte die Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer ab 2024 kommen, müssten die Preise erhöht werden. Dann würden zu viele Kunden sich das Essengehen nicht mehr leisten können. Feldtmann und seine Mitstreiter vom Dehoga-Vorstand befürchten dann ein Sterben der Dorfgasthöfe: „Damit würde auf dem Lande auch das soziale Wohnzimmer vieler Orte schließen.“ Ohne Gastronomie wiederum funktioniere der Tourismus nicht, sagten die Dehoga-Vertreter gegenüber Landrat Kai Seefried bei einem Treffen in Stade.

Lutz Feldtmann, Jens Hellwege, Uwe Staats und Nathalie Rübsteck vom Dehoga (von links) im Gespräch mit Landrat Kai Seefried. Foto: Richter
Es werde eine durchschnittliche Preissteigerung bei Speisen in Restaurants von 18,2 Prozent erwartet.
Gastgewerbe stagniert auch im September
Das Gastgewerbe in Deutschland hat auch im September stagniert. Zwar stieg der um Preiseffekte bereinigte Umsatz im Vergleich zum Vormonat August um 2,0 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berichtete. Das waren aber dennoch 1,9 Prozent weniger Geschäft als vor einem Jahr und sogar 10,5 Prozent weniger als im Vergleichsmonat September 2019, also vor der Corona-Krise.
Vor allem in der Gastronomie ist immer noch eine deutliche Corona-Lücke erkennbar. Die Betriebe machten im September real 12,6 Prozent weniger Umsatz als im September 2019. Bei den Hotels und übrigen Beherbergungsbetrieben betrug die Lücke zum Vorkrisen-Niveau hingegen nur 3,1 Prozent.
Die Zahlen beschreiben das um Preiseffekte bereinigte Geschäft. Allerdings haben Wirte und Hoteliers ihre Preise in der Zwischenzeit teils kräftig erhöht, so dass ihre tatsächlichen Erlöse bei weniger Kundschaft frühere Werte übertreffen können. Dieser nominale Umsatz lag im September 3,7 Prozent über dem Wert des Vorjahresmonats.
Urteil zum Bundeshaushalt Schuld an Steuererhöhung?
Ob auch das neue 60-Milliarden-Euro-Loch im Bundeshaushalt an der Ampel-Entscheidung für die Steuererhöhung mitgewirkt habe, ist nicht verbrieft. Den Plan Zurück-zu-19-Prozent hatte es schon vor dem BGH-Urteil gegeben.
„Es ist jetzt zu früh bereits eine Debatte über grundlegende Konsequenzen zu führen“, bremste Finanzminister Christian Lindner am Donnerstag noch im Bundestag. Die Bundesregierung werte das Urteil sorgfältig aus. Debatten darüber, wie der Bund an mehr Geld kommen könnte, versuchte der FDP-Chef im Keim zu ersticken: Die Schuldenbremse und der Verzicht auf Steuererhöhungen blieben Leitplanken der Ampel-Politik, betonte er. Aber die Koalition müsse jetzt lernen, Prioritäten zu setzen - womit es schon seit vielen Jahren Probleme gebe.
Fakt ist: Würden in Restaurants weiter 7 Prozent gezahlt werden, drohen Bund und Ländern 2024 jeweils Mindereinnahmen von etwa 1,7 Milliarden Euro, 155 Millionen Euro davon fielen in Niedersachsen an. (st)