Trotz Krise: Arbeitslosenzahlen in Niedersachsen und Hamburg sinken

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Die deutsche Wirtschaft hat trotz der diversen Krisen zuletzt noch ein kleines Wachstum geschafft - für die bevorstehende Zeit erwarten viele Ökonomen eine Rezession. Der Arbeitsmarkt zeigt sich bisher relativ stabil. Aber es gibt weitere Unsicherheiten.
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In Niedersachsen, Hamburg und Bremen ist die Arbeitslosigkeit erneut leicht zurückgegangen. Nach Angaben der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom Mittwoch waren in Niedersachsen rund 234.400 Menschen ohne Job gemeldet, das sind 1,5 Prozent weniger als im September. Die Quote steht weiter bei 5,4 Prozent. Im kleinsten Bundesland Bremen nahm die Zahl der Arbeitslosen um 1,6 Prozent auf knapp 37.700 ab, die Quote verringert sich um 0,2 Punkte auf 10,3 Prozent.
Ferien und Geflüchtete sorgten für Anstieg der Arbeitslosenquote
Bereits im Vormonat hatte sich der Arbeitsmarkt im Nordwesten etwas entspannt. Zum Herbstbeginn ist dies eine saisonübliche Entwicklung - nach dem Start des neuen Ausbildungsjahres finden junge Leute oft noch mit gewisser Verzögerung eine Lehrstelle oder eine Anstellung nach dem Abschluss einer vorherigen Ausbildung. Das sei auch in diesem Jahr ein Faktor gewesen, erklärte die BA-Zweigstelle in Hannover. Im Sommer hatte die Arbeitslosigkeit wegen der Pause im Schulsystem sowie der Aufnahme weiterer Geflüchteter aus der Ukraine zunächst zugenommen.
Daneben kämen Langzeitarbeitslose jetzt wieder vermehrt in Beschäftigung, hieß es. In der jüngsten niedersächsischen Statistik kam es in dieser Kategorie zu einem Rückgang um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt, in Bremen um 13 Prozent. Allerdings ist der gesamtwirtschaftliche Ausblick derzeit höchst unsicher, denn die Energiekrise, Rekordinflation und Wachstumsschwäche in mehreren Ländern lassen Experten demnächst eine harte Rezession erwarten.
Fachkräfte- und Nachwuchsmangel hoch
BA-Regionalchef Johannes Pfeiffer warnte, Arbeitgeber würden angesichts enormer Kostenzuwächse vorsichtiger mit Einstellungen. "Sie werden jedoch auch in einer drohenden Krise eine langfristige Fachkräftestrategie benötigen." Die wacklige Gesamtsituation zeigt sich zudem in der Tatsache, dass es im Oktober 2021 trotz erheblicher Effekte der Corona-Pandemie noch etwas besser auf dem Arbeitsmarkt ausgesehen hatte: Die aktuelle Zahl der Arbeitslosen in Niedersachsen ist um 5,6 und in Bremen um 2,1 Prozent höher als vor einem Jahr.
Gleichzeitig suchen zahlreiche Betriebe - ungeachtet einer in Summe leicht steigenden Beschäftigung - händeringend nach qualifiziertem Personal. Dabei geht es nicht nur um berufserfahrene Fachkräfte, sondern auch um geeigneten Nachwuchs. So stieg das Überangebot freier Azubi-Stellen gegenüber registrierten Bewerbungen in Niedersachsen zuletzt auf knapp 10.700. In Bremen lag diese Lücke bei 980.
Pfeiffer appellierte an Ausbildungsbetriebe, sich auch offen für junge Leute zu zeigen, die noch Nachholbedarf haben - fehlende Grundkompetenzen werden von Arbeitgebern immer wieder angesprochen. Die BA könne hier helfen. Aber auch behinderte Jugendliche müssten beim Einstieg in die Berufswelt stärker gefördert werden.
Hamburger Unternehmen stellen ein
In Hamburg ist die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg im September nach drei Monaten des Anstiegs wieder gesunken. "Nachdem die Anzahl der gemeldeten Arbeitslosen von 69.800 im Mai auf über 77.900 im August hochgeschnellt war, verzeichnen wir nun wieder einen Rückgang der Arbeitslosigkeit", erklärte der Chef der Hamburger Arbeitsagentur, Sönke Fock, am Freitag.
So sei die Zahl der Arbeitslosen in der Hansestadt im Vergleich zum August um 2466 oder 3,2 Prozent auf 75.445 gefallen. Die Arbeitslosenquote sank von 7,2 auf 7,0 Prozent und entspricht dem Wert von September 2021. "Den Rückgang der Arbeitslosigkeit im September sehe ich insbesondere durch die beständig hohe Arbeitskräftenachfrage Hamburger Unternehmen begründet."
Die Arbeitsagentur beobachte genau, ob es irgendwo Anzeichen für ungewöhnliche Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt gebe. Positiv sei unter anderem der Rückgang der gemeldeten Arbeitsuchenden um 1500 auf 134.167. "In der Hochphase der Corona-Pandemie erreichten wir in den Monaten Juli bis August 2020 Werte von über 150.000", sagte Fock. Auch beim Kurzarbeitergeld stellte die Arbeitsagentur mit etwa 17 000 Anträgen im laufenden Jahr einen deutlichen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr fest. "In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres waren es ziemlich genau 85.000", sagte Fock.
Auch in Hamburg war der Hauptgrund für den Anstieg der Arbeitslosigkeit während des Sommers nach Überzeugung des Agenturchefs der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die daraus resultierende hohe Zahl an Geflüchteten. Ukrainer haben seit dem 1. Juni direkten Zugang zum Arbeitsmarkt und werden seither auch als Arbeitssuchende beziehungsweise Arbeitslose gezählt. "In diesem Monat sind insgesamt 4701 Ukrainerinnen und Ukrainer arbeitslos gemeldet, das sind 154 weniger als im Vormonat", sagte Fock.
Jüngsten Beschäftigungsdaten vom Juli zufolge sind in Hamburg 1.034.900 sozialversicherungspflichtige Voll- und Teilzeitstellen besetzt - 27.300 oder 2,7 Prozent mehr als im Juli 2021. Der leichte Rückgang um 3000 Stellen im Vergleich zum Juni sei der Urlaubs- und Ferienzeit geschuldet. "Ich rechne fest damit, dass das hohe Beschäftigungsniveau in Hamburg auch in den nächsten Monaten hält und sogar bis Ende des Jahres steigen dürfte", sagte Fock.
Fach- und Führungskräfte sind gefragt
Die Zahl der freien Stellen in der Hansestadt befinde sich weiter auf hohem Niveau. So gab es den Angaben zufolge im September 13.574 freie Jobangebote - 713 oder 5,5 Prozent mehr als vor einem Jahr, aber etwas weniger als im August mit 13.865 freien Stellen. Der größte Teil der Stellen sei unbefristet, sofort zu besetzen und richte sich an Fach- und Führungskräfte.
"Die Unternehmen halten ihre Fach- und Führungskräfte, wo es nur geht, und stellen qualifizierte Arbeitslose ein, weil der branchenübergreifende Neu- und Ersatzbedarf an qualifiziertem Personal grundsätzlich hoch ist und bleibt", sagte Fock. Der demografische Wandel zwinge sie auch dazu. So seien 76.400 der beschäftigten Fach- und Führungskräfte 60 Jahre und älter, 181.500 seien 55 Jahre und älter. "Allein vor dem Aspekt des laufenden Rentenüberganges, wird die Suche nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern auf Dauer mit einigen saisonalen Schwankungen hoch sein."
Mehr Betriebe melden Kurzarbeit an
Ganz anders sieht der Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein aus. Dort wurden mehr Arbeitslose gemeldet als noch vor einem Jahr. Im Oktober sank die Zahl der Menschen ohne Job nur geringfügig. Der Ukraine-Krieg macht sich in der Statistik bemerkbar. Bei der Kurzarbeit steigen die Zahlen.
Im nördlichsten Bundesland waren im Oktober 81.400 Menschen ohne festen Job und damit 2,3 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres, wie die Agentur für Arbeit am Mittwoch berichtete. Zum Vormonat September gab es einen minimalen Rückgang um 0,4 Prozent. Die Arbeitslosenquote beträgt nunmehr wie im September 5,2 Prozent, nach 5,0 Prozent vor einem Jahr. Eine steigende Tendenz zeigt sich auch bei der Kurzarbeit, in der nach den aktuellsten Zahlen vom Juli in dem Monat 777 Beschäftigte in 134 Betrieben waren. Im Oktober zeigten 196 Betriebe für 1819 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Kurzarbeit an.