Trotz Spätsommers: Dürre-Wende im Kreis Stade
Trotz trockenem Boden: Die Landwirte im Kreis Stade hatten im Sommer eher mit zu nassem Wetter als mit Trockenheit zu kämpfen. Foto: dpa
Die Dürre in Niedersachsen ist nicht komplett vorbei. Die Situation hat sich durch die vielen Niederschläge im Winter und Sommer aber deutlich verbessert. Wie es aktuell aussieht.
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Die Dürresituation in Niedersachsen hat sich durch das feuchte Winterhalbjahr und den teils sehr nassen Sommer deutlich verbessert. Im Oberboden herrscht im ganzen Bundesland keine Dürre mehr, in tieferen Bodenschichten nur noch in einzelnen Regionen um Hannover sowie weiter östlich bei Wolfsburg, wie aus Daten des Dürremonitors beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) hervorgeht. „Die Böden sind bis auf eine Tiefe von 60 Zentimetern deutschlandweit gut durchfeuchtet - in manchen Regionen sogar nasser als üblich”, sagte der Leiter des UFZ-Dürremonitors Andreas Marx.
Zuletzt im Juli hatte es Aufregung um ein neues Online-Portal des Niedersächsisches Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gegeben. Darin werden tagesaktuell Livedaten zu Wasserspiegeln an bestimmten Messpunkten erhoben und dargestellt. Für den Kreis Stade und die Region gibt es vier Messpunkte.
Die Werte in Wiepenkathen, Estorf, Engelschoff und Hüll wiesen im Juli ausschließlich die Prädikate „sehr niedrig“ und „niedrig“. Jetzt ist mit Stand vom 11. September an allen vier Stationen von einer „normal“ zulesen.
Das sagen die Trinkwasserverbände zu den Grundwassermessdaten
Die Wasserverbände klärten mit Start des Online-Portals dazu auf, die Werte seien keinesweg für die Trinkwasserversorgung der Haushalte im Kreis Stade entscheidend. Beim NLWKN gehe es um Oberflächengrundwasser. Für die Trinkwassergestellung wird der Grundwasserkörper in 50 bis 100 Metern Tiefe genutzt, die Brunnen seien außerdem woanders verortet, und zwar in Trinkwasserschutzgebieten.
Grundsätzlich sei jedoch ein seit 2018 und den trockenen Jahren ein Absinken des Grundwasserkörpers zu bemerken. Laut dem NLWKN bewegen sich die Grundwasserstände bereits seit 2009 auf einem durchschnittlichen bis niedrigen Niveau. Insgesamt lägen die Grundwasserstände im Kreis Stade im Mittel unterhalb der vor 2018 beobachteten Tiefstwerte.
In diesem Jahr nun möglicherweise eine kleine Wende.
Wo bundesweit Dürre-Schwerpunkte liegen
Neben den Teilen Niedersachsens liegt der derzeitige Dürreschwerpunkt unterhalb der 60 Zentimeter bis in zwei Meter Bodentiefe vor allem in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen. „Im Westen sieht die Situation besser aus, weil dort ein Atlantisches Klima herrscht, im Osten aber ein ungünstigeres Kontinentalklima”, sagte Marx.
Der diesjährige Regen habe das Niederschlagsdefizit, welches sich über die letzten Jahre angesammelt habe, nicht kompensiert, hatte kürzlich Fred Hattermann, Hydrologie am Potsdam-Instiut für Klimafolgenforschung (PIK), gesagt. „Und dadurch, dass auch dieser Sommer wärmer war als im Durchschnitt und auch die Strahlung stark zugenommen hat, wächst der Wasserbedarf der Vegetation stetig, und wir müssten also jedes Jahr mehr Niederschläge bekommen, um dies zu kompensieren.”
Zu trocken? Landwirtschaft hatte keine Probleme mit Dürre
Für die Landwirtschaft habe es deutschlandweit in diesem Jahr keine Probleme mit Dürre gegeben, die Böden seien flächendeckend gut durchfeuchtet gewesen, sagte Klimaforscher Marx. Anders stellt sich die Situation für den Wald dar. „Der Wald ist immer noch im Stress, weil die Niederschläge nicht in tiefe Wurzelregionen von bis zwei Metern kommen”. Vor allem im Osten Deutschlands sei man von solchen Werten noch weit entfernt. „Da fehlt es an mehreren zusätzlichen Monatsniederschlägen, um die Bodendürre aufzulösen.”
57,7 Millimeter beziehungsweise sieben Prozent mehr jährlicher Niederschlag in Deutschland: Das gibt der Deutsche Wetterdienst (DWD) als sogenannten linearen Trend seit dem Jahr 1881 an. Doch der Wert allein hat wenig Aussagekraft.
Denn der Anstieg ist vor allem auf mehr Niederschlag in den Wintermonaten zurückzuführen. Darauf weisen das Umweltbundesamt und auch der DWD selbst hin. „Im Sommer hingegen ist der Niederschlag im linearen Trend seit 1881 um rund fünf Prozent zurückgegangen“, erläutert DWD-Agrarmeteorologe Andreas Brömser im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Gerade der Sommer sei aber zusammen mit dem Frühling der etwa für die Landwirtschaft wichtige Vegetationszeitraum. „Im Sommer bräuchten wir mehr Niederschlag“, sagt Brömser.
Zudem sei von der Niederschlagsmenge allein kein Schluss auf die Bodenfeuchte oder Dürre möglich, so Brömser. Als einen Grund dafür nennt er die seit 1881 gestiegenen Durchschnittstemperaturen: „Je höher die Temperaturen, desto mehr Regen verdunstet auch schnell wieder. Der in Deutschland verzeichnete Anstieg um 1,7 Grad Celsius bedeutet rund zwölf Prozent mehr Verdunstung.“
Dürre: Warum Böden trotz mehr Regen trockener werden
Der vergleichsweise nasse Sommer 2023 kann leicht darüber hinwegtäuschen, dass Dürren in Deutschland in den vergangenen Jahren teils außerordentlich waren. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung schrieben 2020 im Fachblatt „Scientific Reports“, dass es in Zentraleuropa in den Jahren 2018 und 2019 die größten Sommerdürren der vergangenen 250 Jahre gegeben habe.
DWD-Meteorologe Brömser sagt: „Die letzten zehn Jahre sind trockener als der langjährige Trend.“ Allerdings müsse man noch vorsichtig sein bei der Frage, ob es sich dabei um eine längerfristige Entwicklung oder eine Schwankung von ein paar Jahren handele.
Und wie sieht es in den Böden aus? Das Umweltbundesamt schrieb 2019 in einem Bericht unter Berufung auf DWD-Angaben, dass die Zahl der Tage mit geringer Bodenfeuchte seit dem Jahr 1961 deutlich zugenommen habe. Aktuell zeigt ein Blick in den sogenannten Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums zwar, dass der Regen der vergangenen Wochen vielerorts für ausreichend Wasser in den oberen Bodenschichten gesorgt hat. Doch in den tieferen Schichten hält die Dürre in vielen Regionen an. (dpa/tip)
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Weitere Geoportale des NLWKN
Das NLWKN bietet mehrere Webportale mit Umweltdaten an, neben „Grundwasserstandonline“ auch