Vom syrischen Juristen zum Backprofi in Hannover

Raheem Haidar verteilt Pistazien-Buttercreme auf die «Red Velvet Cupcakes». Der syrische Jurist wurde in Deutschland zum Backprofi. Foto: Alicia Windzio/dpa
Als Raheem Haidar nach Deutschland kommt, hat er ein Jurastudium schon im Gepäck. Nur: Der Abschluss wird nicht anerkannt. Was soll er nun machen? Der Syrer hat eine Idee.
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Hannover. Vom studierten Juristen zur Servicekraft - und dann einer der bekanntesten Backprofis Deutschlands: Raheem Haidars Leben und Karriere hat immer wieder ungewöhnliche Wendungen genommen. Als er 2015 aus Syrien nach Deutschland kam, musste er seinen Traumberuf, den des Juristen, aufgeben. Der 33-Jährige jobbte in zahlreichen anderen Berufen, doch ausgerechnet die Geburtstagstorte seiner Schwester sollte alles ändern.
In Syrien habe es keine Zukunft mehr für die Menschen gegeben, erinnert er sich: „Man sollte entweder kämpfen, sterben oder flüchten.“ Da seine Schwester bereits in Deutschland lebte, konnte er schnell mit einem Visum einreisen.
Kindheitstraum platzt
Doch dann wurde es holprig: Sein Studium wurde nicht anerkannt. „Jura war mein Kindheitstraum“, erzählt er. Doch sowohl die sprachliche Barriere als auch die finanzielle Lage verhinderten, dass er ein Studium in Deutschland beginnen konnte. „Also habe ich mich durch viele verschiedene Bereiche gearbeitet“, sagt Haidar. Er habe als Verkäufer, Servicekraft und zuletzt in der Logistik gearbeitet. Dass sein Traum platzte, habe er akzeptieren müssen.
Der Bundesagentur für Arbeit sind solche Fälle bekannt. „Aus unserer Praxis wissen wir, dass insbesondere in reglementierten Berufen wie dem juristischen Bereich häufig Herausforderungen bestehen, da die Rechtssysteme sich stark unterscheiden können“, erklärt die Pressesprecherin Vitalia Seidel. „Kann ein ausländisches Studium nicht anerkannt werden, sollte eine berufliche Neuorientierung nach den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und Interessen stattfinden“, rät Olaf Groß, Pressesprecher in Niedersachsen.
Norddeutschland
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„Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für süßes Essen“, erzählt Haidar, der früher gerne gekocht, aber nicht gebacken hat. Nur seien die Torten, die er bestellte, immer enttäuschend gewesen. An den Geburtstag seiner Schwester 2020 erinnert er sich daher genau: „Ich habe dann gesagt, das ist die letzte Torte, die wir kaufen. Ab jetzt backe ich und bin nach Hause zurückgefahren und an demselben Tag habe ich die erste Torte gebacken.“
Nächtelang versuchte er, das Backen zu perfektionieren. Und das ganz allein: „Ich wollte auch keinen Workshop machen, sondern ich wollte das mir alles selber beibringen.“
Ins Fernsehen gestolpert
Seine Freundin Katrina meldete ihn schließlich heimlich bei einer Fernsehshow an. Die beiden hatten sich bei der Arbeit in einem Café kennengelernt. „Sie hat an mich geglaubt“, sagt der 33-Jährige. Beim ersten Versuch klappte es nicht, aber 2022 wurde er für eine weitere Show eingeladen: „Bei der Sendung habe ich wirklich alles gegeben. Ich wollte für mich, für meine Familie, für meine Freunde, die an mich auch geglaubt hatten, den Cupcake nach Hause bringen.“ Er gewann die Show.
Nachbarkreise
Dorfladen erstrahlt in neuem Glanz
Jetzt sei er in ganz Deutschland unterwegs - und nehme an jeder Backmesse teil, auch an der Verbrauchermesse „Infa“ in Hannover. In der „Showküche“ hat Haidar mehrere Auftritte und backt unter anderem „Red Velvet Cupcakes“ mit Pistazien-Buttercreme. Die kommen bei den Besuchern gut an. Auf die Frage, wie es geschmeckt hat, antwortet die Messebesucherin Brigitte Jakobi: „Hervorragend! So etwas Leckeres habe ich noch nie gegessen.“
Auf die Plätzchen, fertig, los
Die wachsende Bekanntheit bringt viel Arbeit mit sich. Dazu gehören Messevorbereitungen, Auftritte, Social Media, Kooperationen und natürlich die Workshops. Dazu kommen auch Aufgaben, die dem 33-Jährigen weniger Spaß machen: „Ganz ehrlich, ich hasse Papierkram“, sagt er lachend.
Ein eigenes Café ist ebenfalls geplant - in Hannover. Die Stadt, in der er seit seiner Ankunft in Deutschland lebt, sei ein Zuhause für ihn geworden. Einen Laden hat er schon im Blick. Hier will er nicht nur Kaffee und seine Kreationen, sondern auch Workshops anbieten. Einen konkreten Namen für das Café weiß er bislang nicht. Aber eins ist sicher: „Es muss mit meinem Namen verbunden sein.“ Und sein einstiger Traumberuf? „Ganz ehrlich, an diesen Beruf denke ich nicht mehr“, sagt der frühere Jurist.