Restaurant-Krise? Hier kaufen Kunden jetzt vermehrt ihr Essen

Die Handelsgastronomie profitiert vom veränderten Konsumverhalten der Verbraucher. Foto: picture alliance/dpa
Bäckereien in Insolvenz, geschlossene Traditionslokale - die schlechten Nachrichten sind bekannt. Doch es gibt Gewinner. Wer derzeit gerade deutlich mehr verkauft als zuvor.
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Landkreis. Die gestiegenen Preise und die wirtschaftliche Unsicherheit drücken vielen Verbrauchern auf die Stimmung: Die Gastronomieangebote im deutschen Handel haben davon zuletzt profitieren können, wie eine Studie des Handelsforschungsinstituts EHI zeigt. „Die Konsumenten haben versucht, die Kosten zu reduzieren und preisgünstige Alternativen gewählt. Die Handelsgastronomie bietet gute Produkte zu vielfach niedrigeren Preisen als in der klassischen Gastronomie“, sagte Studienautor Olaf Hohmann.
Die Handelsgastronomie verzeichnete dadurch begünstigt im Jahr 2023 einen Rekordumsatz von 11,7 Milliarden Euro - rund 16 Prozent mehr als im Vorjahr. „Das starke Umsatzwachstum hat uns überrascht“, sagte Hohmann, der Leiter Forschungsbereich Handelsgastronomie beim EHI ist. Für das Plus hätten sowohl Preissteigerungen als auch zunehmende Besucherfrequenzen gesorgt. Knapp 60 Prozent der Unternehmen sehen einen positiven Einfluss der Konjunkturentwicklung auf ihre Gastronomie, wie eine EHI-Umfrage unter Händlern zeigt, nur jeder Zehnte einen negativen.
Zur Handelsgastronomie zählen sämtliche gastronomischen Angebote wie zubereitete Speisen und Getränke, die im Zusammenhang mit Handelsaktivitäten stehen. Dazu zählen unter anderem Bäckereien, Cafés, heiße Theken und integrierte Restaurants im Umfeld von Supermärkten, Einkaufszentren, Tankstellen, Möbel- und Baumärkten.
„Der Snack zwischendurch wird immer wichtiger“
Aus Sicht von EHI-Experte Hohmann profitiert die Branche auch von einem veränderten Essverhalten. „Der Snack zwischendurch wird immer wichtiger. Es gibt nicht mehr nur die klassischen Mahlzeiten wie Frühstück, Mittag- und Abendessen. Die Leute essen dann, wenn sie Hunger haben.“ Die Verbraucher greifen bei den Gastronomieangeboten im Handel bevorzugt zu Klassikern. Schnitzel, belegte Brötchen, Frikadellen und andere Fleischspeisen, Hausmannskost und Pizza sind die meistverkauften Speisen. Die am häufigsten verkauften Getränke waren Softdrinks, Kaffee und Wasser.
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Die Handelsunternehmen haben dabei weiterhin mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Am schwierigsten ist es laut der Umfrage, Personal zu finden und zu halten sowie den Betrieb trotz der hohen Rohstoff- und Energiepreise wirtschaftlich zu führen. Jeder zweite Händler nennt, gefragt nach den größten Herausforderungen, die Preis-Leistungs-Vorstellungen der Konsumierenden.
Bei der Nutzung der gastronomischen Angebote gibt es der Studie zufolge erhebliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Fast zwei Drittel der Einkäufe und Ausgaben entfallen auf Menschen ab 45 Jahren. Der Anteil der Verbraucher unter 24 liegt lediglich bei 8 Prozent. „Schnell verfügbare Speisen wie Schnitzel und Frikadellen sind bei Älteren sehr beliebt, bei Jüngeren weniger“, so Hohmann. Viele Händler orientierten sich jedoch stärker an Trends und hätten inzwischen auch vegetarische und vegane Angebote auf der Karte.
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Ernährungsreport: Käufer achten mehr auf Tierwohl und Bio-Siegel
Die Konsumenten in Deutschland wollen bei Lebensmitteln weniger Zucker und mehr Transparenz über Inhaltsstoffe und Herstellung - vor allem aber guten Geschmack. Dabei achten Käufer nach Darstellung des Bundeslandwirtschaftsministeriums stärker als in früheren Jahren auf Tierwohl, Regionalität und das EU-Bio-Siegel. Das ist das Ergebnis des neuen Ernährungsreports „Deutschland, wie es isst“, den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in Berlin vorstellte.
Der Grünen-Politiker warnte vor kulturkämpferischen Debatten und einem zunehmend aggressiven Ton im Streit ums Essen. „Der größte wachsende Bereich ist nicht vegetarisch-vegan, sondern das sind die sogenannten Flexitarier, die einfach entweder temporär Vegetarier sind oder sagen, ich reduziere meinen Fleischkonsum und esse bewusst Fleisch und achte dann vielleicht im Idealfall auch darauf, wo das Fleisch herkommt“, sagte Özdemir. „Und das ist ein riesiger Markt.“
Beim Zucker wünschen sich nur sechs Prozent keine Veränderung
Bei vielen Lebensmitteln darf es laut Report, der seit 2015 jährlich erscheint, „auch etwas weniger süß schmecken“: Mehr als vier Fünftel der Befragten (85 Prozent) befürworten demnach, wenn Fertiglebensmitteln weniger Zucker zugesetzt wird. Für sieben Prozent sollte die fehlende Süße durch Süßungsmittel – die fast oder ganz kalorienfrei sind – ausgeglichen werden. Sechs Prozent wünschen keine Veränderungen.
Der Wunsch nach mehr Transparenz müsse beachtet werden, betonte er. „Unsere Bürgerinnen und Bürger entscheiden selbst, wie sie sich ernähren, da braucht es von niemandem Belehrungen oder Vorschriften.“ Die Menschen wollten „echte Wahlfreiheit, das unterstützen wir – und zwar anhand von validen Daten“.
Für den Ernährungsreport befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Mai 2024 rund 1.000 Menschen in Deutschland ab 14 Jahren. Nach Angaben des Ministeriums achten fast doppelt so viele Menschen wie noch 2015 beim Einkauf auf das Tierwohllabel: Ihre Zahl habe sich von 36 Prozent auf 65 Prozent erhöht. Beim EU-Bio-Siegel stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 47 auf 59 Prozent. Mit 39 Prozent kaufen auch deutlich mehr Menschen öfter vegetarische oder vegane Alternativen zu tierischen Produkten. 2020 lag dieser Wert bei 29 Prozent.
Es muss vor allem schmecken
Für 99 Prozent der Befragten ist der Geschmack – wie auch in den Vorjahren – sehr wichtig oder wichtig. Das gilt für alle Altersgruppen und für Männer und Frauen gleichermaßen. An zweiter Stelle steht, dass das Essen gesund ist. Dies ist 91 Prozent (sehr) wichtig. Frauen legen mit 97 Prozent mehr Wert darauf als Männer (85 Prozent).
Rund drei Viertel der Befragten (77 Prozent) achten darauf, dass Produkte aus ihrer Region kommen, Ältere mehr als Jüngere. Bei den über 60-Jährigen legen 85 Prozent Wert auf Regionalität. Bei den 14- bis 29-Jährigen sind es 60 Prozent.
Allerdings sind Kaufentscheidung auch vom Geld abhängig. Die jüngste Altersgruppe der unter 30-Jährigen ist dabei im Vergleich preisbewusster: Für 71 Prozent trifft es voll und ganz oder eher zu, dass sie beim Einkauf auf den Preis achten. Bei den über 60-Jährigen sagen dies 51 Prozent. Hohe Zustimmungswerte zu Zielen wie Nachhaltigkeit und Tierwohl zeigen sich grundsätzlich nicht im gleichen Maße an der Einkaufstheke.
Der Report befasst sich auch mit Erwartungen an die Politik. 88 Prozent stimmen der Aussage voll und ganz oder eher zu, die Politik solle sich mehr für eine artgerechte Tierhaltung einsetzen. 75 Prozent meinen, dass es für den Klimaschutz wichtig sei, dass weniger Fleisch konsumiert wird. 50 Prozent sind der Ansicht, dass in Restaurants und Kantinen zu wenige Gerichte mit oder aus Bio-Lebensmitteln angeboten werden.