„Jahrhundertprojekt“ an der Süderelbe: Aurubis liefert Wärme

Laut Aurubis entsteht die Abwärme bei einem CO2-freien Prozess - und ist damit dem Unternehmen zufolge „klimaneutral“. Foto: Marcus Brandt/dpa
Die Hamburger Energiewerke brauchen Wärme für die Kunden. In der Aurubis-Kupferhütte gibt es sie für Tausende Haushalte. Der Startschuss ist erfolgt.
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Hamburg. Die Hamburger Energiewerke nutzen künftig industrielle Abwärme aus der Kupferhütte von Aurubis, um Verbraucher zu versorgen. Rechnerisch sollen bis zu 20.000 Haushalte mit der Abwärme heizen können. Die Energiewerke nennen das Projekt das größte seiner Art in Deutschland.
Am Donnerstag stellten die Energiewerke und Aurubis die dafür ausgebaute Infrastruktur auf dem Werksgelände in Veddel vor. Spätestens von März an soll die Abwärme von dort ins Hamburger Fernwärmenetz fließen. Gespeichert wird die Wärme in einem fast 34 Meter hohen Druckwärmespeicher.
Was ist industrielle Abwärme?
Es handelt sich um Wärme, die unbeabsichtigt während der Industrieproduktion erzeugt wird. Im Aurubis-Werk entsteht die Abwärme während eines Nebenprozesses der Kupfererzeugung; genauer gesagt während der Umwandlung von Schwefeldioxid zu Schwefelsäure.

Industriewärme aus der Aurubis-Kupferhütte soll Hamburger Wohnungen heizen. Foto: Christian Charisius/dpa
Wie erreicht die Industriewärme die Abnehmer?
Aurubis erhitzt mit der Abwärme Wasser auf etwa 105 Grad und leitet es an die Energiewerke weiter. Das ist vertraglich geregelt. Die Energiewerke bewahren das Wasser in einem sogenannten Druckwärmespeicher auf. Bei Bedarf speisen die Energiewerke das Heizwasser in das Fernwärmenetz ein, an das Haushalte angeschlossen sind.
Gibt es Folgen für Verbraucher?
Mit der Wärme aus dem Aurubis-Werk werden bestehende Fernwärmekunden versorgt. Das heißt, es gibt keine 20.000 Haushalte, die künftig allein Abwärme von Aurubis erhalten. Einen deutlichen Preiseffekt für bestimmte Kunden gibt es deshalb nicht, teilen die Energiewerke mit. Langfristig soll industrielle Abwärme dazu beitragen, Preise zu stabilisieren. Denn Fernwärme wird in Deutschland noch vor allem aus fossilen Energieträgern erzeugt, beispielsweise über die Verbrennung von Erdgas.
Wie verbreitet ist Fernwärme?
In Hamburg ist Fernwärme vergleichsweise verbreitet. Im Mai 2022 wurden 18,1 Prozent aller Gebäude in Hamburg mit Fernwärme beheizt, wie Statistik Nord mitteilt. Das entspricht 35 Prozent aller Wohnungen. Der bundesweite Vergleichswert lag bei 15 Prozent.
Tschentscher: Förderung rechnet sich
Gar als „Jahrhundertprojekt“ bezeichnete Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) den klimaneutralen Ausbau der Fernwärme, für den die Zusammenarbeit von Politik und Industrie von Bedeutung sei. Schließlich könne man die Energiewende nicht allein stemmen, sondern man brauche Technikexperten, sagte Tschentscher.

Aurubis-Chef Toralf Haag, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und Energiewerke-Chef Michael Prinz starten symbolisch die Abwärmeversorgung. Foto: Marcus Brandt/dpa
Dass für den Ausbau der Infrastruktur auch Fördermittel der Bundesregierung flossen, sei gerechtfertigt. „Ich will die Millionen jetzt nicht erwähnen, die nötig waren, aber das rechnet sich“, sagte Tschentscher. Der Abteilungsleiter für Wärme des Bundeswirtschaftsministeriums, Christian Maaß (Grüne), nannte die Zahl: Insgesamt seien es rund 65 Millionen Euro gewesen, die der Bund für den Hamburger Fernwärmeausbau - inklusive des Aurubis-Projekts - bereitstellte.
Ministerium setzt auf „Parship für die Fernwärme“
Wenn es nach dem Ministerium geht, sollen Kooperationen mit der Industrie in Zukunft selbstverständlich werden. „Am Ende müssen solche Projekte nicht nur mit einem riesigen Kraftakt machbar sein“, sagte Maaß. Mit einer Plattform will das Ministerium Versorger und Industrie bei der Abwärme zueinander führen. Im Ministerium bezeichne man die Plattform in Anspielung auf das Datingnetzwerk als „Parship für die Fernwärme“, sagte Maaß.
Der Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke, Michael Prinz, äußerte sich glücklich über das Projekt. Dass es in der Hansestadt dank des Hafens und der Industrieunternehmen viele Optionen für Abwärme gebe, sei „für uns als Energieversorger Gold wert“, sagte Prinz. Mit weiteren Firmen seien die Energiewerke in Gesprächen. Mit einem baldigen Ausbau rechne er nicht. „Da vergehen mitunter Jahre, bis man die Wärme ausgekoppelt hat“, sagte Prinz der Deutschen Presse-Agentur.
Energiewerke: Anfragen nach Fernwärme vervierfacht
Laut der Statistikbehörde Nord wurden im Mai 2022 35 Prozent aller Wohnungen in Hamburg mit Fernwärme beheizt. „Die Anfragen haben sich vervierfacht in den letzten Jahren“, sagte Prinz. Auf die bestehenden Fernwärmekunden wirkt sich die neue Wärmequelle zunächst nicht aus. Es sei kein deutlicher Preiseffekt zu erwarten. Allerdings soll die Abwärme zur Stabilisierung der Preise beitragen, sagte ein Unternehmenssprecher.
Dass Abwärme komplett emissionsfrei ist, gilt nicht in jedem Fall. Schließlich braucht die Industrie zur Produktion Energie, die meist nicht aus erneuerbaren Quellen kommt. Von Aurubis soll allein klimaneutrale Wärme kommen, heißt es von den Energiewerken. Die Abwärme entsteht laut dem Kupferhersteller bei einer chemischen Reaktion, für die es keine fossilen Brennstoffe brauche.

In einem knapp 34 Meter hohen Druckwärmespeicher sammeln die Energiewerke die überschüssige Wärme aus der Kupferherstellung, bevor diese ins Fernwärmenetz eingespeist wird. Foto: Marcus Brandt/dpa
Im Abwärmegeschäft hat Aurubis Erfahrung: An den Energieversorger Enercity, mit dem sich die Energiewerke die Fernwärmeleitung teilen, liefert Aurubis schon seit 2018 Wärme - allerdings eine deutlich kleinere Menge. Bis Aurubis auch an die Energiewerke Wärme leitet, können Monate vergehen. Der Beginn war laut Angaben der Energiewerke ab der Heizperiode 2024/25 geplant. Der Start solle bis Ende März erfolgen.