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Wer hinter der neuen AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag steckt

Gute Stimmung bei der AfD: Spitzenkandidat Stefan Marzischewski-Drewes (Mitte) jubelt mit der Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch und AfD-Chef Tino Chrupalla.

Gute Stimmung bei der AfD: Spitzenkandidat Stefan Marzischewski-Drewes (Mitte) jubelt mit der Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch und AfD-Chef Tino Chrupalla.

Die Rechtspopulisten wollen nach ihrem Wahlerfolg eine starke Opposition im niedersächsischen Landtag sein. Doch es wird bereits gegen ein Parteimitglied ermittelt.

Montag, 31.10.2022, 10:00 Uhr

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Von Lars Laue

„Wir werden der Regierung als starke Opposition gegenübertreten.“ Das kündigt Stefan Marzischewski an. Der 57-Jährige ist Vorsitzender der neuen AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag. An seiner Seite hat er 17 weitere Abgeordnete. Darunter welche, die schon aus der vorherigen Legislatur bekannt sind, aber auch neue Gesichter. Ein Überblick.

Die Mitglieder der AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag

Stefan Marzischewski ist Radiologe von Beruf und Leiter eines medizinischen Versorgungszentrums in Gifhorn. Der 57-Jährige gibt sich betont ruhig, sachlich und zurückhaltend und sagt von sich selbst, dass er „kein Marktschreier“ sei. „Bei der Vernunft“: So lautet Marzischewskis Antwort auf die Frage unserer Redaktion, wo er sich innerhalb der AfD einordne. „Demokratie ist anstrengend, aber es ist die beste Form, die wir haben. Es geht mir nicht darum, eine Revolution auszurufen und das System infrage zu stellen“, bekräftigt der zweifache Vater. Manche halten den Fraktionsvorsitzenden, der erstmals in den Landtag einzog, indes für einen „Wolf im Schafspelz“.

Ansgar Schledde ist Bauunternehmer und stammt aus Schüttorf (Kreis Grafschaft Bentheim). Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Landtag war kurz vor der Wahl durch eine ZDF-Veröffentlichung in die Schlagzeilen geraten. Der ehemalige AfD-Abgeordnete Christopher Emden erhebt gegenüber der AfD den Vorwurf, dass Listenplätze bei Wahlen angeblich verkauft wurden. Schledde soll daran beteiligt gewesen sein, weist die Vorwürfe aber zurück. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 45-Jährigen.

Jens-Christoph Brockmann ist 35 Jahre alt, stammt aus der Südheide und vertritt den Wahlkreis Bergen. Als Beruf gibt der Wahlkampfmanager und Vize-Fraktionsvorsitzende „Büroleiter“ an und betonte nach der Wahl: „Wir werden konstruktiv unseren Beitrag leisten.“ Dazu gehöre auch, Vorschläge anderer Parteien zu unterstützen, wenn die AfD diese inhaltlich befürworte.

Klaus Wichmann ist ein alter Bekannter, schließlich saß der 58-jährige Rechtsanwalt aus dem Wahlkreis Verden bereits in der vorherigen Legislatur für die AfD im Landtag. Wenn Wichmann ans Mikrofon tritt, kann es auch schon mal laut werden. Der groß gewachsene Politiker trägt seine Positionen gern mit starker Stimme vor. Außerdem scheut der Jurist auch rechtliche Auseinandersetzungen nicht. In einem Streit um das Rederecht im Land- tag hatte der niedersächsische Staatsgerichtshof dem AfD-Abgeordneten Wichmann kurz vor der Wahl recht gegeben.

Peer Lilienthal saß ebenfalls bereits für die AfD im Landtag. Der 43-jährige gebürtige Hannoveraner hatte nach dem Abitur zunächst eine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr eingeschlagen und an diversen Auslandseinsätzen teilgenommen. Später war Lilienthal als Finanzbeamter tätig, zuletzt als Amtsprüfer. Im Landtag fiel Lilienthal bislang nicht weiter auf.

Neben den fünf führenden Köpfen gehören der AfD 13 weitere Mitglieder an. Es handelt sich dabei um Holger Kühnlenz aus Nordhorn (61 Jahre, Fachkraft für Arbeitssicherheit), Omid Najafi aus Hannover (34, nach eigenen Angaben „privater Händler/Trader an der Börse“), Jessica Miriam Schülke aus Wunstorf (38, Sozialpädagogin und Angestellte beim AfD- Landesverband Niedersachsen), Stephan Bothe aus dem Wahlkreis Lüneburg (38, examinierter Altenpfleger), Dennis Jahn aus Wietze im Kreis Celle (30, Müllwerker), Vanessa Behrendt aus Helmstedt (38, medizinische Fachangestellte, Ernährungsberaterin für Kinder und Hundefriseurin), Alfred Dannenberg aus dem Wahlkreis Walsrode (46, Landwirt und Lehrer), Marcel Queckemeyer aus Bippen in der Samtgemeinde Fürstenau (42, Industriekaufmann und Vertriebsleiter), Jürgen Pastewsky aus Kissenbrück im Kreis Wolfenbüttel (60, Diplom-Kaufmann und Geschäftsführer), Delia Klages aus Hameln-Pyrmont (62, Krankenschwester), Dr. Dr. Jozef Rakicky aus dem Landkreis Helmstedt (66, Arzt für Neurologie, Chefarzt), Thorsten Paul Moriße aus Wilhelmshaven (57, Handwerksmeister Hochbau) und Harm Rykena aus Ahlhorn im Kreis Oldenburg (59, Lehrer). (mar)

  • Kommentar von Lars Laue
    AfD-Fraktion darf Klima nicht vergiften 

Wer meint, die AfD sei lediglich ein chaotischer und geistloser Haufen verblendeter Aluhut-Träger, dem keine Bedeutung beizumessen sei, springt zu kurz. Bei der Landtagswahl am 9. Oktober erzielten die Rechtspopulisten einen Stimmenanteil von exakt elf Prozent. Zum Vergleich: Bei der Landtagswahl 2017 waren es noch 6,2 Prozent. Beinahe eine Verdoppelung also. Und mit ihren elf Prozent liegt die AfD auch gar nicht mal so weit von den Grünen entfernt, die es auf 14,5 Prozent brachten und nun mit der SPD die neue rot-grüne Landesregierung bilden wollen.

Die Wählerinnen und Wähler haben 18 AfD-Abgeordnete in den neuen Landtag gewählt. Unter den Parlamentariern finden sich auch Bildungsbürger wie Mediziner und Lehrer. Das ist einerseits erschreckend, andererseits aber auch ein klares Indiz dafür, dass Menschen aus der gesamten Breite der Gesellschaft sich von den demokratischen Parteien nicht mehr ausreichend vertreten fühlen. Vor allem SPD und CDU, die massiv Stimmen an die AfD verloren haben, muss es in den nächsten fünf Jahren der Legislatur gelingen, die AfD argumentativ zu stellen und Wähler vom rechten Rand zurück in die politische Mitte zu holen.

Die AfD-Fraktion mit ihrem bislang noch moderat auftretenden Vorsitzenden Stefan Marzischewski hat eine konstruktive Oppositionsarbeit angekündigt. Sachpolitik werde egoistischer Parteipolitik vorgezogen, beteuern die Mitglieder. Daran wird die AfD sich messen lassen müssen. Was nicht passieren darf, ist, dass die Fraktion das Klima im Landtag vergiftet.

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