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EU-Vorgaben

Wirbel um Tauglichkeitstests für Senioren am Steuer

Der VW Golf prallte gegen die Wand des Dorfgemeinschaftshauses in Steinkirchen, der Fahrer (83) wurde schwer verletzt. Foto: Vasel

Der VW Golf prallte gegen die Wand des Dorfgemeinschaftshauses in Steinkirchen, der Fahrer (83) wurde schwer verletzt. Foto: Vasel

In der Bevölkerung hat ein Vorschlag der EU-Kommission über regelmäßige Tests für die Fahrtauglichkeit von Senioren lebhafte Diskussionen ausgelöst. Die Meinungen sind äußerst gespalten - auch in der Politik.

Donnerstag, 09.03.2023, 07:15 Uhr

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Von Gregor Mayntz

Die einen verweisen auf eklatante Beispiele, bei denen betagte Fahrer mit schlimmen Folgen die Gewalt über ihr Auto verloren. Die anderen greifen zur Statistik, wonach ältere Fahrer deutlich erfahrener seien und wesentlich weniger Unfälle verursachten als andere Altersgruppen am Steuer.

Udo Schiefner, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundestages, fasst die Stimmung zusammen: „Wir müssen sehr genau abwägen, wo die Vorteile und wo die Nachteile liegen“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. Eines habe für ihn jedoch Priorität: „Es darf bei der Umsetzung keine Diskriminierung entstehen.“

EU-Paket für mehr Sicherheit im Verkehr

Der Vorschlag ist Teil eines EU-Paketes zu mehr Verkehrssicherheit in Europa. Die Kommission will dazu kommen, dass die Gültigkeit der Führerscheine EU-einheitlich auf 15 Jahre festgelegt wird. In einzelnen EU-Staaten gelten derzeit noch zehnjährige Laufzeiten. Durch eine Digitalisierung sollen die formalen Prozesse zugleich vereinfacht werden. Für Autofahrer ab 70 schlägt Brüssel jedoch eine auf fünf Jahre verringerte Gültigkeit vor.

Damit verbunden ist jedoch keine generelle Vorgabe zum Bestehen eines Tests zur weiterhin gegebenen Fahrtüchtigkeit. Vielmehr soll es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, ob sie lediglich eine bedingungslose Pflicht zur Verlängerung einführen, diese mit einer eigenverantwortlichen Beteuerung der Fahrtüchtigkeit verbinden oder generelle Tests einführen.

Die Kommission regt an, medizinische Untersuchungen anzuordnen, wenn die Führerscheinbehörde bei der Abwicklung der Formsachen den Eindruck gewinnt, dass der Antragsteller nicht (mehr) den medizinischen Standards entspreche. Schiefner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass unterschiedlichste Ereignisse und Entwicklungen zum Verlust der Fahrtüchtigkeit führen könnten und dies nicht unbedingt mit dem Alter zusammenhängen müsse. „Ich erwarte vom Verkehrsministerium einen Vorschlag zu einer gangbaren und wasserdichten Regelung, die wir dann im Ausschuss intensiv erörtern werden“, unterstrich der Verkehrsexperte der SPD.

Kommt die Fahrtauglichkeitsprüfung für Senioren in Deutschland?

Der CDU-Verkehrspolitiker Jens Giesecke verwies darauf, dass die Kommission verpflichtende medizinische Tests über die körperliche und geistige Eignung, wie sie bei der Verlängerung von Lkw-Führerscheinen vorgeschrieben seien, ausdrücklich nicht vorgeschlagen habe. Eine Selbsteinschätzung des Fahrers müsse bei einem Durchführungsrechtsakt genauer definiert werden. Für den Europa-Abgeordneten bleibt „wichtig, dass wir individuelle Mobilität auch im Alter ermöglichen, gleichzeitig aber auch die Verkehrssicherheit erhöhen und so die Zahl der Verkehrstoten in Europa weiter reduzieren“.

Auch der FDP-Verkehrsexperte Jan-Christoph Oetjen sprach sich gegen verpflichtende Tauglichkeitstests für Senioren aus. Eine verkürzte Gültigkeit ab einem bestimmten Alter sei jedoch ein Vorschlag, der es wert sei, näher diskutiert zu werden. Am Ende könne als Konsequenz eine regelmäßige Erneuerung des Führerscheins stehen, „die jedem Autofahrer ermöglicht, erneut die Fahrsicherheit selbst einzuschätzen“, unterstrich der liberale Europa-Abgeordnete.

EU regelt das Autofahren neu – Das soll kommen

  • Führerschein auf dem Handy anstatt im Portemonnaie: Unter anderem läutet die EU-Kommission das Ende des Führerscheins als Scheckkarte ein. So sollen Autofahrer ihren Führerschein bei Verkehrskontrollen oder der Autovermietung künftig auf dem Handy vorzeigen können.

  • Grünes Fahren: Ergänzungen auf dem Fahrschul-Stundenplan: In der Ausbildung von Fahranfängern soll klimaschonendes Fahren künftig mehr Raum einnehmen. Um besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer besser zu schützen, sollen Fahrschüler künftig zudem dafür sensibilisiert werden, dass es vermehrt neuere Fahrzeuge wie E-Scooter oder E-Bikes gibt.

  • Größere Wohnmobile auch mit gewöhnlichem Führerschein fahren: Mit dem herkömmlichen Pkw-Führerschein der Klasse B sollen laut Kommission künftig auch Fahrzeuge bis zu 4,25 Tonnen Gewicht wie größere Wohnmobile gesteuert werden dürfen - vorausgesetzt, dass es sich um emissionsfreie Fahrzeuge handelt. Bisher liegt die Gewichtsgrenze für diese Klasse in Deutschland bei 3,5 Tonnen. Batteriebetriebene Autos seien schwerer, begründet die Kommission ihren Vorschlag.

  • Führerschein mit 17 EU-weit - auch für Lkw: Was in Deutschland schon lange Praxis ist, soll nach dem Willen der Kommission bald in der gesamten EU kommen: Junge Menschen sollen bereits mit 17 Jahren den Führerschein machen und Erfahrungen durch begleitetes Fahren sammeln können. Ab 18 dürften sie dann alleine fahren. Um mehr Lkw-Nachwuchsfahrer zu finden, sollen diese Regeln künftig auch für Führerscheine der Klasse C gelten.

  • Verkehrssünder im EU-Ausland besser ahnden: Wer im EU-Ausland zu schnell gefahren ist oder falsch geparkt hat, soll künftig seltener glimpflich davonkommen: Mehr als 40 Prozent der grenzüberschreitenden Verkehrsdelikte in der EU würden ohne Strafe eingestellt, sagte Verkehrskommissarin Valean. Dabei dürfe es nicht bleiben. Deshalb soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden erleichtert werden. Verursacher von besonders schweren Delikten sollen ihren Führerschein nicht nur in einem Land verlieren, sondern in der gesamten EU. Zu solchen Delikten zählen Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 50 Stundenkilometern oder Unfälle mit Toten und Verletzten. (axt) 
Ein Teilnehmer bei einen Fahrsicherheitstraining für Senioren fährt über eine Teststrecke. Muss ein Arzt Personen, die er nicht für fahrtauglich hält, an die Behörden melden? Unter anderem mit dieser Frage beschäftigen sich Experten beim Verkehrsgerichtstag.  Foto: Wolfram Kastl/dpa

Ein Teilnehmer bei einen Fahrsicherheitstraining für Senioren fährt über eine Teststrecke. Muss ein Arzt Personen, die er nicht für fahrtauglich hält, an die Behörden melden? Unter anderem mit dieser Frage beschäftigen sich Experten beim Verkehrsgerichtstag.  Foto: Wolfram Kastl/dpa

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