„Lebensbedrohlich“: Diese gefährliche Mutprobe breitet sich massiv aus

Die scharfen Chips sollen bis zu 500-mal schärfer sein als Tabasco-Soße. Symbolfoto: dpa
Es ist der Trend in Videos im Internet: Viele Kinder und Jugendliche stellen sich der „Hot Chip Challenge“. Und landen anschließend im Krankenhaus. Eine amtliche Warnung ist bereits ausgesprochen.
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Ein Tortilla-Chip, gewürzt mit der schärfsten Chili der Welt - wer bekommt ihn tapfer runter? Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor Mutproben mit bestimmten Chips oder anderen extrem scharfen Lebensmitteln. Der übermäßige Verzehr von stark Gewürztem könne zu „ernsthaft gesundheitlichen Beeinträchtigungen“ führen. „In der Vergangenheit wurden immer wieder Fälle bekannt, bei denen unerwünschte Wirkungen wie Schleimhautreizungen, Übelkeit, Erbrechen und Bluthochdruck beobachtet wurden“, teilte das Institut mit. Vor allem Kinder reagierten empfindlich auf scharfe Chili-Produkte.
Das BfR warnt insbesondere vor Scharf-Ess-Wettbewerben oder Mutproben, bei denen sehr scharfe Lebensmittel oder große Mengen an extrem scharfer Chili-Sauce und Chili-Extrakten gegessen würden. „In diesem Fall sind schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen möglich, die unter Umständen lebensbedrohlich sein können.“
Die Chips sollen dabei bis zu 500-mal schärfer sein als Tabasco-Soße.
Bundesinstitut warnt vor Mutproben mit extrem scharfen Speisen
Das Institut ging explizit auf die in sozialen Medien kursierende „Hot Chip Challenge“ ein. Die Herausforderung besteht darin, besonders scharfe Maistortilla-Chips zu essen, die stark mit Carolina Reaper gewürzt sind, der angeblich schärfsten Chilisorte der Welt. Im Internet gibt es zahlreiche Videos von Menschen, die an der Mutprobe teilnehmen. Darunter sind viele Kinder und Jugendliche.
„Der Verzehr führte vereinzelt bereits zu ärztlichen Noteinsätzen“, hieß es vom BfR. Im August gab es in Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) einen medizinischen Großeinsatz, weil mehrere Fünftklässler von den scharfen Chips gegessen hatten. Die Kinder mussten wegen Magenschmerzen sowie Haut- und Atemwegsreizungen versorgt werden.
Die Warnung wird auch in der Region zahlreich geteilt - so etwa vom Arbeitskreis Jugend & Medien im Landkreis Harburg. "Immer wieder gibt es nach Beobachtungen des Arbeitskreises diese Internetwettbewerbe, die von harmlosen Herausforderungen bis zu riskanten Challenges mit weitreichende Folgen reichen. So waren zuletzt das Ankündigen von Amokläufen an Schulen und das Anzünden von Schultoiletten Themen der TikTok-Challenges, und jetzt eben das Essen von extrem scharfen Chips", hieß es in einer Mitteilung des Arbeitskreises.
Das Problem: Die Chips sind auch bei örtlichen Supermärkten und natürlich auch bei Online-Versandhändlern in unterschiedlichsten Ausführungen erhältlich. „Warnhinweise, dass weder Kinder noch Schwangere diese Chips verzehren sollten, stehen zwar auf den Packungen, werden aber ignoriert. Wir wollen mit dieser Kampagne Eltern sensibilisieren“, sagt Ekkehard Brüggemann, Leiter des Medienzentrums im Kreis Harburg.
Tiktok-Mutprobe: So riskant ist die „Hot Chip Challenge“
Der scharf brennende Geschmack wird dem BfR zufolge durch Inhaltsstoffe der Chili aus der Gruppe sogenannter Capsaicinoide verursacht. Dazu zählt auch der Scharfstoff Capsaicin, der etwa in der Carolina Reaper enthalten ist. Die Stoffe würden von zahlreichen Paprika-Arten - zu denen auch die Chili gehört - gebildet, um Fressfeinde davon abzuhalten, die Früchte zu essen. Das Institut geht davon aus, dass ein Erwachsener maximal fünf Milligramm Capsaicin pro Kilogramm Körpergewicht ohne Probleme zu sich nehmen kann.
Wer Capsaicin in hohen Mengen zu sich nimmt, muss zum Beispiel eine Bluthochdruckkrise befürchten, wie das BfR warnt. Das heißt: Der Blutdruck steigt innerhalb kurzer Zeit stark an, was im schlimmsten Fall lebensbedrohlich wird. Die Schärfe kann außerdem starke Schleimhautreizungen, Übelkeit, Erbrechen und Atemnot verursachen.
Die Verbraucherzentrale macht auf ein weiteres Risiko aufmerksam: Wer sich mit Resten von Chili-Pulver an den Händen in die Augen fasst, muss dort mit starken Reizungen rechnen.
Gut zu wissen: Gegen das starke Brennen im Mund durch Capsaicin hilft Wasser nicht. Da der Stoff aber fettlöslich ist, können Milch und Milchprodukte das Brennen lindern. Auch stärkehaltige Lebensmittel wie Reis oder Brot können - in Kombination mit Speiseölen oder -fetten - der Schärfe etwas entgegensetzen.
Minister zu gefährlichen Mutproben: „Challenges machen nicht cooler“
Das BfR empfiehlt, Produkte mit Gehalten von mehr als 100 Milligramm Capsaicin pro Kilogramm Lebensmittel zu kennzeichnen und die Verpackungen mit kindersicheren Verschlüssen zu versehen.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat an Jugendliche appelliert, sich nicht an gesundheitsgefährdenden Mutproben zu beteiligen. „Nicht jeder absurde Trend, der Klicks verspricht, muss nachgeahmt werden“, sagte Reul der „Rheinischen Post“. „Alles was wehtut, sollte nicht nachgemacht werden. Ich appelliere da nicht nur an den Selbsterhaltungstrieb jedes Einzelnen, sondern an den gesunden Menschenverstand“, sagte Reul weiter. (dpa/tip)