Münchner Auto-Attacke: Das ist über den abgelehnten Asylbewerber bekannt

Trümmerteile und Kleidung liegen auf der Straße. Foto: Alexa Gräf/dpa
30 Menschen werden zum Teil schwerst verletzt, darunter Kinder. Der Fahrer ist polizeibekannt und wird festgenommen. Der Ruf nach Konsequenzen ertönt.
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München. Die Seidlstraße in der Münchner Innenstadt ist übersät von Trümmern und Kleidungsstücken. Ein umgestürzter Kinderwagen liegt auf der Fahrbahn. Dort, wo kurz vorher noch etwa 1500 Mitglieder der Gewerkschaft Verdi für mehr Geld im öffentlichen Dienst demonstrierten, herrschen Schock, Entsetzen und Sorge um die vielen Verletzten, von denen einige in Lebensgefahr schweben sollen.
„In München hat sich ein schwerer Anschlag ereignet“, schreibt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf der Plattform X, nachdem er zuvor den Ort der Tat besucht hat. Die bayerische Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus übernimmt die Ermittlungen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat der 24-Jährige einen Post mit islamistischem Inhalt in sozialen Netzwerken geteilt. Im Stadtteil Solln wird eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus durchsucht, in der der 24 Jahre alte Afghane gewohnt haben soll.

Söder geht von einem Anschlag aus. Foto: Christoph Trost/dpa
30 Menschen werden bei der Tat verletzt, einige von ihnen so schwer, dass Söder davon spricht, sie ringen womöglich mit dem Tod. Landesinnenminister Herrmann spricht von ein bis zwei lebensgefährlich Verletzten. Die Opfer werden in Münchner Krankenhäusern behandelt - auch in der Kinderklinik, denn unter ihnen sind laut Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) auch Kinder.
Der Vizepräsident des Münchner Polizeipräsidiums, Christian Huber, schildert den Vorfall so: Gegen 10.30 Uhr fährt ein 24 Jahre alter Asylbewerber aus Afghanistan mit seinem Auto hinter der Demo her, überholt einen Polizeiwagen zur Absicherung der Gruppe, beschleunigt - und fährt in das Ende des Demonstrationszuges, zu dem mehrere Menschen ihre Kinder mitgebracht haben. Die Polizei schießt in Richtung des Verdächtigen und nimmt ihn fest.
Der junge Afghane ist nach Worten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein abgelehnter Asylbewerber. Er sagt, „dass er eben im Moment nicht abgeschoben werden kann und er deshalb sich weiter in unserem Land aufhalten durfte“.

Ein Verletzter wird von Rettungskräften weggebracht. Foto: Michael Fischer/dpa
Scholz: Täter von München muss das Land verlassen
Der Verdächtige soll vor der Tat einen mutmaßlich islamistischen Post abgesetzt haben. Nach dpa-Informationen hat er einen entsprechenden Inhalt in sozialen Netzwerken geteilt. Der „Spiegel“ hatte zuvor von mutmaßlich islamistischen Beiträgen des Verdächtigen geschrieben.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war der Tatverdächtige Ende 2016 als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland gekommen und von einer Jugendhilfe-Einrichtung in Obhut genommen worden. Zuvor soll er sich in Italien aufgehalten haben. Wenige Wochen nach seiner Ankunft stellte der Jugendliche nach dpa-Informationen einen Asylantrag, der im September 2017 abgelehnt wurde, wogegen er klagte - allerdings ohne Erfolg. Seit Herbst 2020 war er ausreisepflichtig.

Trümmer liegen auf der Straße verteilt. Foto: Christoph Trost/dpa
Wer ausreisepflichtig ist, aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden kann, erhält eine Duldung. Das kann etwa der Fall sein, wenn jemand keine Ausweisdokumente hat, krank ist oder ein minderjähriges Kind hat, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Die Duldung ist immer befristet.

In diesem Mehrfamilienhaus soll der 24-Jährige gewohnt haben. Foto: Sabine Dobel/dpa
Die Tat ereignet sich mitten im Wahlkampfendspurt, etwas mehr als eine Woche vor der Bundestagswahl - und Politiker fordern einmal mehr ein hartes Durchgreifen. Bundeskanzler Olaf Scholz sagt: „Dieser Täter kann nicht auf irgendeine Nachsicht rechnen. Er muss bestraft werden, und er muss das Land verlassen“, sagt der SPD-Politiker. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mahnt: „Der Rechtsstaat muss maximale Härte zeigen.“ AfD-Chefin Alice Weidel fordert eine „Migrationswende“. Grünen-Kanzlerkandidat Habeck (Grüne) zeigt sich auf X „entsetzt angesichts dieser sinnlosen Tat“.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz forderte politische Weichenstellungen für mehr Sicherheit. „Jeder muss sich in unserem Land wieder sicher fühlen. Es muss sich etwas ändern in Deutschland“, schrieb der CDU-Chef auf der Plattform X. „Die Sicherheit der Menschen in Deutschland wird für uns an erster Stelle stehen. Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen“, fügte Merz mit Blick auf die Zeit nach der Bundestagswahl hinzu.
„Ein bitterer Tag für München“
„Ein bitterer Tag für München“, sagt Oberbürgermeister Reiter am Tatort. „Es schmerzt einfach“, sagt Söder. „Im Januar ein Ereignis wie in Aschaffenburg und jetzt hier in München - es reicht einfach.“
Schon kurz nach der erschütternden Tat ist klar: Der mutmaßliche Täter war - wie auch der Verdächtige der Bluttat von Aschaffenburg mit zwei Toten - Asylbewerber und polizeibekannt. Der 24-Jährige war laut Herrmann wegen Ladendiebstahls und Betäubungsmittelverstößen aufgefallen.

Der Vorfall gegen 10.30 Uhr löste einen Großeinsatz aus. Foto: Matthias Balk/dpa
„Wir reagieren bei jedem solchen Anschlag besonnen, aber ich sage Ihnen auch, dass unsere Entschlossenheit wächst. Es ist nicht der erste Fall, und wer weiß, was noch passiert“, sagt Söder am Ort des Geschehens. Neben der Aufarbeitung des Einzelfalls und der Anteilnahme müsse der Vorfall Konsequenzen nach sich ziehen. „Wir können nicht von Anschlag zu Anschlag gehen und Betroffenheit zeigen (...), sondern müssen auch tatsächlich etwas ändern.“
Vorfall kurz vor der Sicherheitskonferenz
Ob die Tat Auswirkungen hat auf die am Freitag nur rund zwei Kilometer vom Tatort beginnende Münchner Sicherheitskonferenz, war zunächst unklar. Mehr als 60 Staats- und Regierungschefs und mehr als 100 Minister werden zu dem weltweit wichtigsten sicherheitspolitischen Expertentreffen erwartet - darunter US-Vizepräsident J.D. Vance, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Bundeskanzler Scholz.
Es gebe keinen Hinweis darauf, „dass es irgendeinen Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz gibt“, sagt Innenminister Herrmann nach der Tat. Das Motiv des jungen Mannes sei noch unklar. „Im Moment gehen wir in der Tat davon aus, dass die Zielgruppe hier, dass die Opfer aus den Reihen dieser Verdi-Demonstration eher zufällig waren“, sagt Herrmann. „Aber auch dem muss natürlich nachgegangen werden.“

Rettungskräfte stehen in der Nähe des Einsatzortes. Foto: Peter Kneffel/dpa