Landwirte sorgen für Staus auf B73 und B75 - Protestaktion in Berlin und Hamburg

Trecker haben am Montagmorgen den Verkehr auf den Bundesstraßen 73 und 75 lahmgelegt. Foto: Lenthe-Medien
Mit zwei Treckerkollonen haben Landwirte am frühen Montag auf den Bundesstraßen 73 und 75 für erhebliche Staus im morgendlichen Berufsverkehr gesorgt. Das ist der Grund für die Aktion.
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Berlin/Lüchow. Etwa 50 Landwirte fuhren am Montag gegen 6 Uhr über Bremer Straße (B75) und die Cuxhavener Straße (B73) und sammelten sich an der Moorburger Schanze vor dem Kraftwerk Moorburg um von dort ihren Protest gegen die Regierung in die Hamburger Innenstadt zu tragen. Sie wollen die protestierenden Bauern in Berlin unterstützen. Die Polizei wurde offensichtlich von dem spontanen Protest überrascht. Im Landkreis Harburg hatte die Polizei nichts mitbekommen. In Hamburg gelang es den Beamten erst auf Höhe Hausbruch und in WIlhelmsburg die Konvois aufzustoppen
Weitere Landwirte aus Niedersachsen protestieren in Berlin
Hunderte weitere Landwirte aus Niedersachsen waren am Montagmorgen einer Kundgebung gegen die geplante Streichung von Steuervergünstigungen nach Berlin aufgebrochen. Unter dem Motto „Zu viel ist zu viel“ ist eine Kundgebung (11 Uhr) am Brandenburger Tor geplant. Als Redner erwartet wird auch Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne). Der Deutsche Bauernverband verlangt von der Ampel-Regierung eine Rücknahme der Pläne, Regelungen zum Agrardiesel und zur Kfz-Steuerbefreiung abzuschaffen. Damit will die Ampel Einsparungen im Bundeshaushalt erreichen.
Aus ganz Niedersachsen werden laut einer Sprecherin des Landvolkes mehr als 1500 Landwirte an der Demonstration in Berlin teilnehmen. Mehr als 1000 Landwirtinnen und Landwirte seien mit Zug, Bussen und PKW gefahren. Daneben seien 350 Trecker mit ein bis zwei Landwirten an Bord aufgebrochen. In Lüchow im Wendland trafen sich bereits in der Nacht Landwirte, um mit ihren Traktoren nach Berlin zu fahren. Bereits am Sonntag waren Bauern aus anderen Landesteilen Niedersachsens in Richtung Hauptstadt gestartet.
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Bauern machen mobil gegen Aus für Agrardiesel-Vergünstigung
Aus Protest gegen die vorgesehene Streichung von Steuervergünstigungen durch die Bundesregierung machen Landwirte am Montag in Berlin mobil. Unter dem Motto „Zu viel ist zu viel“ ist eine Kundgebung am Brandenburger Tor geplant. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte der Deutschen Presse-Agentur, damit solle „ein erstes deutliches Signal an die Ampel-Koalition“ gesendet werden. Die Pläne zum Agrardiesel und zur Kfz-Steuerbefreiung müssten komplett zurückgenommen werden. „Wenn nicht, wird es ab Januar massiven Widerstand geben. Wir werden uns das nicht gefallen lassen.“
Zu der Demonstration hatte der Bauernverband bundesweit auch über seine Landesbauernverbänden aufgerufen. Bei der Polizei waren etwa 3000 Menschen zu der Kundgebung angemeldet. Zu dem Protest sollten auch mehrere Hundert Traktoren anrollen. Am Morgen sammelten sich erste Fahrzeuge bereits auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor, wie die Verkehrsinformationszentrale mitteilte.

Landwirte nehmen mit Traktoren an einer Demonstration des Deutschen Bauernverbandes unter dem Motto «Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!» vor dem Brandenburger Tor teil. Foto: Fabian Sommer/dpa
Özdemir warnt vor Wettbewerbsnachteilen für Bauern
Als Redner erwartet wird auch Bundesagrarminister Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker kritisierte im ARD-„Morgenmagazin“ erneut eine Kombination der Sparpläne bei Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung. Andere Länder in der EU hätten Agrardieselsubventionen. „Das führt dazu, dass sich die Wettbewerbsbedingungen für deutsche Landwirte verschlechtern und das quasi auf einen Schlag.“ Beim Agrardiesel gebe es keine Alternativen für Bauern. „Wir reden über schwere Maschinen, die kann man nicht einfach auf Elektro umrüsten.“ Landwirte dürften nicht überfordert werden, sagte Özdemir. Er habe Finanzminister Christian Lindner (FDP) alternative Sparvorschläge gemacht.
Die Union kritisierte die Pläne erneut, die auf eine Verständigung der Koalitionsspitzen zu Einsparungen im Haushalt 2024 zurückgehen. CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ohne jede Rücksicht bringt die Bundesregierung die deutschen Bauern in Existenznot.“ Diese Ignoranz und Arroganz seien unerträglich. CDU-Agrarexperte Albert Stegemann sagte, beide Sparmaßnahmen träfen direkt die Landwirte und schwächten die ländlichen Räume. Özdemir müsse sich voll und ganz hinter die Bäuerinnen und Bauern stellen.

Landwirte nehmen mit Traktoren auf einer Demonstration des Deutschen Bauernverbandes unter dem Motto „Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!“ teil. Foto: Fabian Sommer/dpa
Bauernverband: Streichungen kosten Branche fast eine Milliarde
Nach Verbandsangaben würden der Branche mit den beiden Streichungen fast eine Milliarde Euro entzogen. Bisher können sich Höfe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen. Dabei beträgt die Vergütung 21,48 Cent pro Liter – der Steuersatz für Agrardiesel liegt dann also bei 25,56 Cent pro Liter im Vergleich zum vollen Steuersatz von 47,04 Cent. Anträge auf Erstattung müssen Betriebe bei der Zollverwaltung stellen. Zudem sind land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit.
Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, der Wegfall der Subvention bei Agrardiesel sei angesichts rekordverdächtiger Agrar- und Lebensmittelpreise und vieler weiterer Agrarsubventionen verschmerzbar. „Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen - Agrardiesel staatlich zu verbilligen ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft“, sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter. Anders als vom Bauernverband behauptet, werde das Ende der Dieselsubventionen kein massives Höfesterben zur Folge haben.
Gewinne der Landwirtschaftsbetriebe gestiegen
Die Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben zuletzt verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115 400 Euro - ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts sinkender Preise bei Getreide, Ölsaaten und Milch hatte der Bauernverband sich aber bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert.
Eine Großdemonstration mit Tausenden Bauern aus ganz Deutschland und einer langen Traktoren-Kolonne hatte es auch Ende 2019 vor dem Brandenburger Tor gegeben. Damals forderten Bauern mit bundesweiten Aktionen mehr Mitsprache bei Neuregelungen zum Umwelt- und Tierschutz und mehr Wertschätzung für ihre Branche.

Trecker haben am Montagmorgen den Verkehr auf den Bundesstraßen 73 und 75 lahmgelegt. Foto: Lenthe-Medien