Streit nach „Correctiv“-Bericht: CDU-Mitglied erhält in einem Punkt Recht

Ulrich Vosgerau selbst ist CDU-Mitglied. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Ein Bericht von „Correctiv“ über ein Treffen rechter Kreise in Potsdam schlägt seit Wochen hohe Wellen. Auch der AfD-Vorsitzende im Kreis Stade hatte daran teilgenommen. Im Streit um die Darstellung hat das Landgericht Hamburg jetzt eine Verfügung erlassen.
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Hamburg/Buxtehude. Im Streit um die Berichterstattung von „Correctiv“ zu einem Treffen rechter Kreise in Potsdam hat das Landgericht Hamburg auf Antrag des Juristen und CDU-Mitglieds Ulrich Vosgerau eine einstweilige Verfügung erlassen.
Landgericht: Zitat Vosgeraus falsch wiedergegeben
Demnach hat das Medienhaus in seinem Bericht vom 10. Januar den Antragsteller in einer Passage falsch wiedergegeben, wie ein Gerichtssprecher am Dienstag mitteilte. In dem Bericht hatte es geheißen, Vosgerau halte den Vorschlag, „man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, für denkbar: Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit.“
Der Jurist habe in seinem Antrag an das Gericht deutlich gemacht, dass er ein massenhaftes Vorgehen gerade nicht befürworte. Dagegen habe „Correctiv“ die Äußerungen Vosgeraus zu dem Thema nicht konkret vorgetragen. Die Kammer sei darum in seinem Beschluss vom 26. Februar von der Unrichtigkeit des Zitats ausgegangen, hieß es. Vosgerau stehe ein Unterlassungsanspruch zu (Az. 324 O 61/24).
„Correctiv“ hat weitere Gesprächsinhalte richtig dargestellt
In zwei weiteren Punkten hatte der Antragsteller keinen Erfolg. Dabei ging es zum einen um die Formulierung von „Correctiv“: „An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können“. Vosgeraus Antwort auf eine Nachfrage sei zutreffend wiedergegeben worden, entschied das Gericht. Auf dem Treffen im November hatte der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen.
Zum anderen befasste sich das Landgericht mit der Darstellung von „Correctiv“, Vosgerau habe im Zusammenhang mit Briefwahlen über „Bedenken in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten,“ gesprochen und dies im Nachhinein auch bestätigt. Das Medienhaus habe Vosgeraus Antwort auf eine Nachfrage in zulässiger Weise zusammengefasst.
So geht es weiter
„Correctiv“ kann gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch einlegen. Dann müsste das Landgericht aufgrund einer mündlichen Verhandlung von Neuem entscheiden. Vosgerau kann - soweit sein Antrag keinen Erfolg hatte - sofortige Beschwerde erheben. In diesem Fall müsste sich das Hanseatische Oberlandesgericht mit dem Streit befassen.
Buxtehuder AfD-Mann war bei konspirativem Treffen zu massenhafter Abschiebung dabei
Eine Recherche des Medienhauses Correctiv, genannt „Geheimplan gegen Deutschland“, sorgte für ein politisches und gesellschaftliches Beben - auch im Landkreis Stade.
„Correctiv“ berichtete, dass im November Rechtsextreme in einem Hotel in der Nähe von Potsdam einen Masterplan für massenhafte Abschiebungen aus Deutschland vorgestellt haben sollen.
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In Kooperation mit dem TAGEBLATT kam heraus, dass Maik Julitz, Unternehmer aus Buxtehude und Vorsitzender der AfD im Landkreis Stade, an dem Treffen Ende November vergangenen Jahres anwesend war. „Ein weißer SUV aus Stade rollt auf den Hof, aus dem Fenster ballert die Band Frei.Wild: „Wir, wir, wir, wir schaffen Deutschland“, hieß es in dem Correctiv-Artikel. Das Auto, von dem die Rede ist, ist ein Firmenwagen von Maik Julitz.
Darauf folgte eine Protestwelle gegen Rechts. Hunderttausende Menschen gingen bundesweit gegen Rechtsextremismus, gegen die AfD und für die Demokratie auf die Straße. Es ist die größte Demonstrationswelle gegen Rechtsextremismus seit Jahrzehnten.
Remmidemmi gegen rechts
Erst am Sonntag waren zehntausende Menschen bei einer Großdemonstration in Hamburg für eine weltoffene Gesellschaft auf die Straße gegangen. Nach einer Kundgebung am Dammtor mit einem Auftritt der Hamburger Kultband Deichkind und mehreren Reden brach der bunte Protestzug unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer – Zusammen gegen Rechtsextremismus“ Richtung Innenstadt auf. „Es ist ein riesengroßes Zeichen, dass wir heute so viele Menschen sind“, sagte eine Sprecherin der Veranstalter.
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Die Organisatoren um die Klimabewegung Fridays for Future sprachen zwei Stunden nach Demobeginn von mehr als 50 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ein Polizeisprecher sagte am Abend, dass 50 000 bis 60 000 Menschen bei der Demo waren.
Die Veranstaltung war die dritte Großdemonstration gegen rechts in der Hansestadt binnen weniger Wochen. Am 19. Januar waren nach einer Nachprüfung der Innenbehörde schätzungsweise mindestens 180 000 Menschen einem Demoaufruf gefolgt, neun Tage später gingen laut Polizei rund 60 000 Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße.
Tausende Menschen gehen im Kreis Stade für Demokratie auf die Straße
Auch im Kreis Stade demonstrieren die Menschen gegen Rechts. Kurz nach Bekanntwerden der „Correctiv“-Recherche hatten in Buxtehude rund 2500 Menschen an einer Demonstration in der Altstadt für Freiheit, Demokratie und Menschenwürde teilgenommen. Das war die erste Aktion von vielen.
Mahnwachen und Demonstrationen im gesamten Landkreis Stade folgten.
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Unter dem Motto „Farbe zeigen. Braun ist nicht bunt.“ machte sich zuletzt am Sonnabend der Bunte Block mit einer Aktion in Buxtehude für Demokratie und Menschlichkeit stark.
An jedem ersten Sonnabend im Monat gemeinsam auf dem August-Hillert-Platz in Harsefeld 15 Minuten „bis nach dem Glockenläuten“ zu schweigen - dazu ruft das Bündnis für Demokratie auf. Sein Appell: „Sei. Ein. Mensch. Aufstehen für unsere Demokratie!“
(dpa)