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Kriminalität

Cum-Ex-Prozess gegen Hamburger Bankier Olearius hat begonnen

Der angeklagte Bankier Christian Olearius (r) steht neben seinem Anwalt Peter Gauweiler im Gerichtssaal im Bonner Landgericht. Olearius soll als persönlich haftender Gesellschafter der Privatbank Warburg bei den Cum-Ex-Steuerdeals mitgemischt haben. Foto: Thomas Banneyer/dpa

Der angeklagte Bankier Christian Olearius (r) steht neben seinem Anwalt Peter Gauweiler im Gerichtssaal im Bonner Landgericht. Olearius soll als persönlich haftender Gesellschafter der Privatbank Warburg bei den Cum-Ex-Steuerdeals mitgemischt haben. Foto: Thomas Banneyer/dpa

Für den Steuerzahler war Cum-Ex ein finanzielles Desaster: Finanzakteure betrieben ein Geschäftsmodell, das den Staat Milliarden kostete. Nun kommt ein Hamburger Bankier vor Gericht. Auch der Name Olaf Scholz dürfte in einem Seitenstrang des Verfahrens fallen.

Montag, 18.09.2023, 18:15 Uhr

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Vor dem Bonner Landgericht hat ein Prozess gegen den Hamburger Bankier Christian Olearius wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung begonnen. Der 81-Jährige war als persönlich haftender Gesellschafter der Warburg-Bank in die sogenannten Cum-Ex-Deals eingebunden. Er erschien am Montag zum Prozessauftakt im Gericht und bestätigte seine Personalien. Ihm werden 14 Fälle begangener oder versuchter Steuerhinterziehung vorgeworfen, die laut Anklageschrift einen Steuerschaden von knapp 280 Millionen Euro verursacht haben sollen (Aktenzeichen 63 KLs 1/229).

Warburg-Bankier Olearius steht vor Gericht

Olearius weist die Vorwürfe zurück. Sein Anwalt ist der frühere CSU-Bundespolitiker Peter Gauweiler. Die Hochphase der Cum-Ex-Geschäfte war in den Jahren 2006 bis 2011, auf diesen Zeitraum beziehen sich die Vorwürfe gegen Olearius im Kern. Später soll er versucht haben, mit falschen Angaben eine Steuernachzahlung zu verhindern. Hierfür suchte er auch den Kontakt mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Nach Darstellung der Ankläger war Olearius bei den Geschäften aktiv und maßgeblich beteiligt. Er sei insbesondere in Krisensituationen eingebunden gewesen, um Risiken abzuwenden, und ihm sei bekannt gewesen, dass das Cum-Ex-Geschäftsmodell auf der Anrechnung beziehungsweise Erstattung von Steuern beruhte, die gar nicht gezahlt worden waren. Bei dem Geschäftsmodell inszenierten Banken und andere Finanzakteure ein Verwirrspiel mit Aktien mit («cum») und ohne («ex») Dividendenanspruch. Der Staat wurde um Milliarden geprellt. Laut Bundesgerichtshof war Cum-Ex eine Straftat.

Die Eingangstür des Bankhauses M.M.Warburg & CO in Hamburg. Dem Gesellschafter Christian Olearius werden 13 Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung vorgeworfen.

Die Eingangstür des Bankhauses M.M.Warburg & CO in Hamburg. Dem Gesellschafter Christian Olearius werden 13 Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung vorgeworfen.

 

Der Prozess

Der Angeklagte Olearius hat die Vorwürfe in der Vergangenheit stets zurückgewiesen. Vor Prozessbeginn wollte er sich nach Angaben seines Sprechers nicht dazu äußern. Es sind bis März 2024 insgesamt 28 Verhandlungstage geplant. Dem früheren Warburg-Chef drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Die Vorwürfe

Der frühere Chef der Bank soll sich detailliert mit Cum-Ex-Strategien befasst und entsprechende Geschäfte abgesegnet haben. Der Anklageschrift zufolge war er in alle Planungen eingebunden und kannte alle Abläufe und maßgeblichen Entscheidungen. Zudem war er für die Unterzeichnung von Steuererklärungen zuständig, in deren Folge Steuern erstattet wurden, die zuvor gar nicht gezahlt worden waren.

Treffen mit Olaf Scholz

Im Rahmen des Versuchs, die Steuernachzahlung zu verhindern, traf sich Olearius in den Jahren 2016 und 2017 mit dem damaligen Hamburger Rathauschef und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Nach den Treffen verzichtete die Hamburger Finanzverwaltung trotz zunächst anderer Pläne vorerst auf die Rückforderungen, wodurch die unrechtmäßige Rückerstattung von Kapitalertragssteuern in Höhe 47 Millionen Euro in die Verjährung lief. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst auf wiederholte Weisung des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert. Später beglich die Bank nach eigenen Angaben alle Forderungen.

Verdacht der politischen Einflussnahme

Die Frage, ob es damals eine politische Einflussnahme auf die Hamburger Steuerverwaltung gab, beschäftigte bereits Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in der Hamburgischen Bürgerschaft. Scholz verneint die Frage, beruft sich bezüglich der Treffen mit Olearius aber auf Erinnerungslücken. Womöglich bringt der Bonner Prozess auch Erkenntnisse zu diesem brisanten Thema - in der ausführlichen Anklageschrift gegen Olearius kommt der Name Scholz mehrfach vor.

„Die Warburg Bank hat sich an Olaf Scholz gewandt, um eine steuerliche Verjährung der Tatbeute zu erreichen, da sie auf dem legalen Behördenweg nicht mehr weiterkam”, sagt der frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi. Der Bonner Prozess sei wichtig für den wehrhaften Rechtsstaat. „Cum-Ex-Geschäfte sind schwerste organisierte Kriminalität.” Von Olearius erwarte er „Einsicht und Reue”.

Der Cum-Ex-Steuerskandal

Bei dem Geschäftsmodell inszenierten Banken und andere Finanzakteure ein Verwirrspiel für den Fiskus mit Aktien mit („cum”) und ohne („ex”) Dividendenansprüchen. Dabei wurde der Bund insgesamt um einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag geprellt. Der Bundesgerichtshof wertete die Geschäfte 2021 als Straftat. Es gab bereits mehrere Verurteilungen. So bekam der Anwalt Hanno Berger, eine der treibenden Kräfte hinter dem Geschäftsmodell, zwei Haftstrafen. (dpa)

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