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Interview

Lichtverschmutzung im Wattenmeer: „Der dunkle Himmel bleibt eine Vision“

Häfen gelten als große Lichtemittoren. Sobald Leuchtmittel auf den Terminals nur noch bei Bedarf eingesetzt werden (NPorts hat sich bereits auf diesen Weg begeben) ist in Sachen „natürliche Nacht über dem Wattenmeer“ zumindest ein Anfang gemacht. Foto: Adelmann

Häfen gelten als große Lichtemittoren. Sobald Leuchtmittel auf den Terminals nur noch bei Bedarf eingesetzt werden (NPorts hat sich bereits auf diesen Weg begeben) ist in Sachen „natürliche Nacht über dem Wattenmeer“ zumindest ein Anfang gemacht. Foto: Adelmann

Die Niederlande, Deutschland und Dänemark haben kürzlich eine Absichtserklärung auf den Weg gebracht. In der „Trilateral Vision on Dark Sky over the Wadden Sea“ geht es darum, die Idee einer „natürlichen Nacht“ über dem Wattenmeer zu fördern. Was es damit auf sich hat.

Sonntag, 08.01.2023, 14:01 Uhr

Von Kai Koppe

Dunkelheit ist elementar für einige Arten, in Reinform an unseren durch Bebauung und Hafeninfrastruktur geprägten Küsten aber kaum noch zu finden. Dass sich das Problem gleichwohl lindern lässt, erfuhr Redakteur Kai Koppe von der "Nordsee-Zeitung" im Gespräch mit dem Biologen Bernhard Rauhut. Als Leiter des Cuxhavener UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer-Besucherzentrums wirbt Rauhut für den Gedanken, Licht auch im kommunalen Raum nach Maß und Bedarf einzusetzen.

Inwieweit ist Dunkelheit für den Lebensraum Wattenmeer von Bedeutung? 

Licht und Dunkelheit haben erhebliche Auswirkungen – auf alle Organismen. Das ist durch zahlreiche Studien belegt, insbesondere für Insekten, für Fledermäuse, aber auch für Vögel. Über die Vögel kommen wir zum Thema Wattenmeer. Insekten spielen hier keine große Rolle, das ist klar, auch nicht die Fledermäuse, dafür umso mehr die Zugvögel.

Zugvögel haben verschiedene Orientierungsmechanismen. Dazu gehört neben einem Magnetfeld- auch der Sternenkompass, nach dem sie sich orientieren, sobald sie nachts ziehen. Dieser Sternenkompass kann durch Lichtquellen gestört oder abgelenkt werden - eben dort, wo der Vogelzug stattfindet und zu diesem Bereich gehört unsere Wattenmeerküste.

In der kürzlich verabschiedeten trilateralen Erklärung ist von einer „Dark Sky Vision“ die Rede. Ins Deutsche übertragen klingt der Begriff Vision nach einem Ziel, das man ohnehin nicht erreicht. Sprechen wir über etwas Utopisches? 

Das muss man ein wenig differenzierter sehen. Der dunkle Himmel bleibt eine Vision, weil wir natürlich nicht in die Steinzeit zurückwollen. All die Errungenschaften, die mit Beleuchtung zu tun haben, die uns Sicherheit geben und unser Wirtschaften ermöglichen, wollen wir nicht zurückdrehen, auch in der Wattenmeer-Region nicht. Beleuchtung bedarfsgerecht und sinnvoll einzusetzen und sich deren Bedeutung bewusst zu werden - darum geht es.

Dieser Ansatz ist durchaus ein Stück weit visionär, er wird sich nicht überall durchsetzen lassen. Dass er funktionieren kann, zeigt aber das Beispiel Spiekeroog. Spiekeroog ist im vergangenen Jahr als Sterneninsel anerkannt worden. Im Wattenmeer-Bereich gibt es so etwas schon an zwei weiteren Standorten in den Niederlanden. Pellworm im schleswig-holsteinischen Wattenmeer hat diesen Status ebenfalls.

Das bedeutet, dass es nachts dort tatsächlich so dunkel ist, dass man bei unbewölktem Himmel die Milchstraße erkennt?

So ist es. Das ist für diese Inseln tatsächlich ein Markenzeichen. Was nicht bedeutet, dass dort keine Straßenlaterne mehr brennt. Aber es gibt diesbezüglich viele gute Ideen. Wenn man sich des Themas erst einmal annimmt, kann man eine Menge bewirken.

„Es geht um die Lichtqualität, letztlich aber auch um die Lichtmenge und um die Orte, an denen Licht eingesetzt wird“, sagt Bernhard Rauhut und führt als Beispiel das Thema „neue Baugebiete“ an. Hier „könnte man diese Problematik mit auf die Agenda nehmen. Und Anregungen geben oder Auflagen machen“. Foto: Jan Woitas/dpa

„Es geht um die Lichtqualität, letztlich aber auch um die Lichtmenge und um die Orte, an denen Licht eingesetzt wird“, sagt Bernhard Rauhut und führt als Beispiel das Thema „neue Baugebiete“ an. Hier „könnte man diese Problematik mit auf die Agenda nehmen. Und Anregungen geben oder Auflagen machen“. Foto: Jan Woitas/dpa

Ich war vor einiger Zeit mal in Büsum, lief auf dem Deich und wunderte mich, dass da auf einmal eine Lampe anging. Das funktionierte ganz einfach über einen Bewegungsmelder: Leuchten, die normalerweise auf ganz niedrigem Niveau brennen, wurden auf volle Kraft gedreht, sobald sich Personen näherten. So dass das Licht bedarfsgerecht eingesetzt wurde. Solche Anregungen aufzugreifen - darum geht es im Grunde genommen im Rahmen der Erklärung.

Das beantwortet schon fast meine Frage, was die Wattenmeer-Anrainer eigentlich tun können, um den Lichtausstoß in ihren Einflussbereichen zu senken. Denn wenn ich es richtig verstanden habe, ist ja genau dass das Ziel: ein zivilisatorisches Problem zu begrenzen beziehungsweise zu lindern.

Genau. Es geht um die Lichtqualität, letztlich aber auch um die Lichtmenge und um die Orte, an denen Licht eingesetzt wird. Das sind die Stellschrauben, an denen man drehen und etwas verändern und verbessern kann. Das muss nicht mit der Brechstange passieren, etwa, indem man sämtliche Straßenlaternen sofort umrüsten würde. Das kann man sich ja auch gar nicht leisten.

Aber sobald es um neue Projekte geht, sobald zum Beispiel ein neues Baugebiet ausgewiesen wird, könnte man diese Problematik mit auf die Agenda nehmen. Und Anregungen geben oder Auflagen machen.

Ist das Thema Lichtverschmutzung im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen? Hat die Allgemeinheit das Problem auf dem Schirm oder muss man diesbezüglich noch eine Menge Aufklärungsarbeit leisten?

Ich denke, es handelt sich um ein neues Thema. „Lichtverschmutzung“ klingt in mancher Hinsicht vielleicht etwas zu hart, auf der anderen Seite macht dieses Wort deutlich, worum es eigentlich geht. Die Problematik ist vielen sicher unterschwellig bewusst, sei es, dass sie wissen, bei hellem Mondlicht nicht schlafen zu können, sei es, dass sie die Straßenlaterne vor ihrem Schlafzimmerfenster stört.

Dass sich Licht in unterschiedlicher Weise auf das Ruhebedürfnis und Wohlbefinden des Menschen auswirkt, ist vielen bekannt. Dass man die Dinge derart auf den Punkt bringt und darin auch eine generelle Gefahr sieht, ist eine Sichtweise, die noch nicht so weit verbreitet ist. Aufklärungsarbeit ist deshalb auf jeden Fall nötig.

Wenn die Stadt Cuxhaven nun diese Erklärung unterzeichnet (mittlerweile haben das schon mehr als 40 Teilnehmer der trilateralen Wattenmeerkonferenz getan), wirkt sie übrigens allein auf diesem Wege aufklärend beziehungsweise als Multiplikator.

Ganz persönlich gesprochen: Was mich für dieses Thema begeistert und auch noch einmal ein Stück „wachgerüttelt“ hat, ist die Erkenntnis, die Qualität eines dunklen Raumes als Erlebnis verkaufen zu können. Im Rahmen von naturkundlichen Führungen oder Sternenführungen zum Beispiel.

„Verkaufen“ ist ein gutes Stichwort. Wahrscheinlich muss man das Thema tatsächlich ein bisschen promoten, weil Dunkelheit ja von Haus aus für uns Menschen eher angstbesetzt ist.

Richtig. Man muss natürlich einen guten Weg finden und darf nicht anfangen, Fahrradwege nicht mehr zu beleuchten und auf diese Weise ein Gefühl von Unsicherheit schüren. Man muss bedarfsgerecht vorgehen, und das machen ja mittlerweile Unternehmen wie NPorts: In den Häfen benötigt man Licht, um verladen zu können, aber es brennt eben nur, wenn es gebraucht wird und nicht sinnlos die ganze Nacht.  (yvo/axt)

Zur Person

Bernhard Rauhut leitet das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer-Besucherzentrum in Sahlenburg. Im Cuxhavener Umweltausschuss stellte er kürzlich die trilaterale „Declaration of Intent“ (Absichtserklärung) vor, die auch die Stadt Cuxhaven unterstützen möchte.

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