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Stader Retter im Hochwassergebiet: Hektische Stunden und Ärger mit Autofahrer

Mit dem Unimog befreiten die Stader DLRG-Mitglieder den Transporter-Fahrer aus seiner Not.

Mit dem Unimog befreiten die Stader DLRG-Mitglieder den Transporter-Fahrer aus seiner Not. Foto: DLRG

Sie sind die ganze Nacht im Einsatz: 30 DLRG-Mitglieder aus dem Landkreis leisten an der Aller in der Heide Amtshilfe. Dort ist die Notlage weiter sehr angespannt. Durch einige Deiche sickert bereits Wasser.

Von Redaktion Donnerstag, 28.12.2023, 15:20 Uhr

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Hodenhagen/Landkreis. Seit dem späten Mittwochabend sind 30 Einsatzkräfte aus den DLRG-Ortsgruppen Stade, Drochtersen, Buxtehude und Horneburg/Altes Land im Heidekreis im Hochwassereinsatz. Die Einsatzkräfte berichten von hektischen ersten Stunden. Demnach sei der Landeseinsatzzug Nord, zu dem die Stader Kräfte gehören, noch in der Nacht in zwei Züge aufgeteilt und verschiedenen Einsatzstellen in der Samtgemeinde Ahlden und in Hodenhagen zugewiesen worden. Dort übernahmen die Helferinnen und Helfer dann die Sicherstellung der Wasserrettung und Absicherung der vor Ort eingesetzten Einheiten der Feuerwehren und des THW, berichtet die DLRG Ortsgruppe Horneburg/Altes Land.

Die beiden Wechselladerfahrzeuge aus Horneburg und Stade übernahmen den Transport von Sandsäcken an verschiedene Einsatzstellen, um die dort eingesetzten Einheiten der Feuerwehr logistisch zu unterstützen. Ein Lichtmast sei zur Ausleuchtung einer Sandsackfüllstation aufgebaut worden und sorgte die ganze Nacht für ausreichend Beleuchtung.

Mit Pumpen vom THW wird Wasser unweit der Aller umgepumpt (Aufnahme mit einer Drohne).

Mit Pumpen vom THW wird Wasser unweit der Aller umgepumpt (Aufnahme mit einer Drohne). Foto: Philipp Schulze/dpa

Stader DLRG befreit ignoranten Transporter-Fahrer aus Notlage

„Gegen 3.40 Uhr kam dann plötzlich Hektik auf, weil mitgeteilt wurde, dass eine Sandsackbarriere dem plötzlichen Anstieg der Aller nicht standhalten würde und es möglicherweise zu Evakuierungen und Rettungen in dem dahinterliegenden Gebiet kommen könnte“, heißt es in dem Bericht weiter. Nach Erkundung habe es jedoch Entwarnung gegeben. Sollte das Wasser, das bereits bis an die Straße vorgedrungen ist, diese überwinden, würden große Teile der Ortschaft überflutet werden.

Mit Sandsäcken müssen im Heidekreis Straßen gesichert werden, damit diese nicht überspült werden.

Mit Sandsäcken müssen im Heidekreis Straßen gesichert werden, damit diese nicht überspült werden. Foto: DLRG

Doch der nächste Alarm ließ nicht lange auf sich warten: Ein Fahrer eines Transporters hatte den Angaben zufolge einfach die Absperrung einer überspülten Straße umfahren und wollte die Aller auf dem überfluteten Teil einer Verbindungsstraße überqueren. Der Transporter habe sich festgefahren, der Fahrer benötigte Hilfe. In diesen Tagen in den Hochwassergebieten längst kein Einzelfall mehr.

Die Einsatzkräfte konnten das Fahrzeug dann mit Hilfe eines Stader Unimog aus der Situation befreien und zurück ins Trockene schleppen.

Am Nachmittag werden die Stader Ehrenamtlichen abgelöst. Sie kehren mit ihren Fahrzeugen vorerst wieder zurück.

Hochwasserlage: Im Heidekreis droht der Katastrophenfall

Die Hochwasserlage an den Flüssen Aller, Leine und Weser verschärft sich nach offiziellen Angaben weiter. Teilweise würden die Wasserstände dort noch steigen, teilte der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in einem Lagebericht am Donnerstagmorgen mit. Zudem setze ab Freitag wieder Regen ein.

An zahlreichen Pegeln gelte weiterhin die höchste Meldestufe 3. Das gelte vor allem für Gebiete der Flüsse Weser, Aller, Leine und Oker im südlichen und mittleren Niedersachsen. In Drakenburg bei Nienburg an der Weser wurde den Angaben nach der historische Wasserstand von 1981 mit 834 Zentimetern überschritten. Der Scheitel werde dort in der Nacht zu Freitag erwartet, weiter flussabwärts in Richtung Bremen erst in der Nacht zu Samstag. Im Oberlauf der Weser sei der Scheitel bereits erreicht und die Pegelstände würden sinken.

Eine Straße im Landkreis Nienburg/Weser ist überschwemmt.

Eine Straße im Landkreis Nienburg/Weser ist überschwemmt. Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Im Unterlauf der Aller - ab Celle - würden die Wasserstände weiter steigen. Auch am Unterlauf der Leine seien die Scheitelwasserstände teils noch nicht erreicht. Rund um Meppen ist auch die Ems betroffen. Es sei davon auszugehen, dass auch dort, wo Wasserstände teilweise sinken, viele Pegel vorerst auf erhöhtem Niveau blieben.

Im Landkreis Heidekreis ist am Mittwochabend der Katastrophen-Voralarm ausgelöst worden. Hintergrund sei die angespannte Hochwasserlage in den Samtgemeinden Ahlden, Rethem und Schwarmstedt, teilte die Kreisverwaltung mit. Es bestehe die Möglichkeit, dass ein Katastrophenfall eintrete.

Betroffen ist auch der Serengeti-Park in Hodenhagen, wo wegen des überfluteten Zoos der Strom abgestellt werden musste. Zur Unterstützung im Aller-Leine-Tal waren zuvor ebenfalls rund 120 Harburger Feuerwehrleute aus den Gemeinden Rosengarten, Hollenstedt, Neu Wulmstorf und Tostedt mit 18 Fahrzeugen in den Heidekreis beordert worden.

Kritisch war die Situation zudem insbesondere im Süden an der Weser sowie in den Einzugsgebieten von Aller, Leine und Oker. In der Gemeinde Winsen an der Aller mussten am Mittwochabend rund 300 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Die Siedlungen Westohe und Südohe würden evakuiert, teilte der Landkreis Celle mit. Der Wasserstand auf den Straßen sei dort auf rund 40 bis 50 Zentimeter gestiegen, aus Sicherheitsgründen sei daher der Strom abgestellt worden. Als Notunterkunft wurde die Allertalsporthalle in Winsen eingerichtet.

Feldbetten stehen in einer Sporthalle, die als Notunterkunft eingerichtet wurde.

Feldbetten stehen in einer Sporthalle, die als Notunterkunft eingerichtet wurde. Foto: Philipp Schulze/dpa

Weitere Straßen in Lilienthal bei Bremen nach Deichriss evakuiert

Nach einem Deichriss in Lilienthal bei Bremen sind angrenzende Straßen erfolgreich evakuiert worden. „Die Maßnahmen verliefen verhältnismäßig ruhig“, teilte die Gemeinde in der Nacht zu Donnerstag mit. Nach einer ersten Evakuierung am Mittwochabend wurden in der Nacht weitere Straßen „aus dringenden Sicherheitsgründen“ geräumt, wie die Feuerwehr mitteilte. Die Menschen kamen nach Angaben der Gemeinde bei Freunden und Verwandten oder in einer hergerichteten Turnhalle unter.

Das Hochwasser hat Deiche in der Nähe von Verden beschädigt.

Das Hochwasser hat Deiche in der Nähe von Verden beschädigt. Foto: Markus Hibbeler/dpa

In einigen Orten im Landkreis Verden herrschte aufgrund des Aller-Hochwassers weiterhin eine bedrohliche Lage. Das Hochwasser hat Deiche beschädigt. Es komme zu sogenannten Qualmwasseraustritten an mehreren Stellen, wie die Feuerwehr am Donnerstag mitteilte. Einsatzkräfte würden versuchen, das Aufbrechen der Deiche zu verhindern. Qualmwasser bezeichnet Wasser, das durch die Deiche durchsickert.

Betroffen ist den Angaben nach unter anderem ein Deichstück am Fluss Aller - kurz vor der Mündung in die Weser. Die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk seien im Einsatz, um den Wasseraustritt sowie eine mögliche Ausspülung der Deiche zu verhindern. Das Betreten der Deiche ist verboten.

Feuerwehrverband: Anwohner entwenden Sandsäcke von Deichen

Bei den laufenden Hochwasser-Einsätzen beklagen Feuerwehren den Diebstahl von Sandsäcken. „Sandsäcke, die an Deichen verbaut sind, werden von Anwohnern weggeholt, weil sie selber keine Sandsäcke haben, um ihre Häuser zu schützen“, sagte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, Karl-Heinz Banse, am Donnerstag in Berlin. Er sprach von vielen Problemen bei den Einsätzen.

„Es gibt Beleidigungen, es gibt Diskussionen mit Betroffenen, warum wird erst in der Straße A begonnen und nicht in der Straße B das Wasser abzupumpen. Warum hat mein Nachbar vorher die Feuerwehr im Keller als ich“, sagte Banse. „Da gibt es viel, viel Streitereien.“ Zudem habe die Feuerwehr mit sehr vielen Schaulustigen zu kämpfen.

Nach Banses Angaben sind seit Heiligabend Tausende Feuerwehrleute in verschiedenen Teilen Deutschlands im Einsatz. „Wir haben eine Hochwasserlage, wie wir sie seit vielen Jahren nicht erlebt haben.“

Die Weser hat in den vergangenen Tagen einen Pegelstand von 6,60 Metern erreicht.

Die Weser hat in den vergangenen Tagen einen Pegelstand von 6,60 Metern erreicht. Foto: Ole Spata/dpa

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Jochen Mextorf
30.12.202316:45 Uhr

Sandkerndeiche sind Schrott.

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