Nach Millionenschaden durch Betrug und Diebstahl: Aurubis-Chef wirbt um Vertrauen

Blick auf den Schriftzug „Aurubis“ über dem Eingangstor zum Aurubis Werk Ost. Foto: Georg Wendt/dpa
Ein tödlicher Stickstoff-Unfall, Diebstahlsserien und ein lange verborgener Betrug: Für das Hamburger Metallunternehmen Aurubis war das Geschäftsjahr 2022/23 ein „annus horribilis“ - mit Folgen für die Chefetage.
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Hamburg. Angesichts der vorzeitigen Trennung von drei Vorstandsmitgliedern nach lange unentdeckten Millionenschäden durch Betrug und Diebstahl hat der scheidende Chef des Kupferherstellers Aurubis, Roland Harings, bei den Aktionären um Vertrauen auf einen erfolgreichen Neuanfang geworben.
Die Neubesetzung biete für die neuen Vorstandsmitglieder die Voraussetzungen, „in vertrauensvoller Zusammenarbeit das Unternehmen weiterzuführen“, sagte Harings am Donnerstag auf der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung.
Millionenschaden bei Aurubis nach Betrug und Diebstahl
Harings sprach von „schwerwiegenden Vorkommnissen“, die personelle Konsequenzen hätten. „Und dabei wird keine Führungsebene ausgeschlossen.“ Er selbst verlasse, wie im Januar entschieden wurde, zum Geschäftsjahresende am 30. September das Unternehmen. „Als Vorstandsvorsitzender stelle ich mich damit meiner Gesamtverantwortung für Aurubis.“
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Der Aufsichtsrat um seinen Vorsitzenden Fritz Vahrenholt hatte im Januar mitgeteilt, dass Harings sowie zwei seiner Vorstandskollegen Aurubis vorzeitig verlassen müssen. „Die drei Vorstandsmitglieder tragen damit den besonderen Herausforderungen der Aurubis im abgelaufenen Geschäftsjahr Rechnung, insbesondere mit Blick auf die schwerwiegenden Betrugs- und Diebstahlsfälle im Werk Hamburg und Vorkommnisse im Bereich der Arbeitssicherheit“, hieß es damals.
Aktionärskritik am Krisenmanagement
Eine Anwaltskanzlei hatte im Auftrag des Aufsichtsrates die Verantwortung des Vorstands im Zusammenhang mit den Straftaten untersucht. Auf Basis des Rechtsgutachtens der Kanzlei hatte der Aufsichtsrat allerdings beschlossen, keinen Schadenersatz von den Managern zu fordern.
Aktionärsvertreter kritisierten das Krisenmanagement durch das Kontrollgremium. Beispielsweise fragte Markus Neumann für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, ob es zwingend gewesen sei, drei von vier Vorstandsmitgliedern abzulösen. Dies sorge in einer Phase wichtiger Investitionen für Diskontinuität. „Vielleicht ist die Maßnahme etwas krass.“
Dirk Unrau von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz monierte, die Verantwortung Harings‘ bleibt für Aktionäre unklar. In diesem Zusammenhang kritisierte der DSW-Sprecher auch, dass das Gutachten der Kanzlei vom Aufsichtsrat vertraulich behandelt werde.
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Finanziell besonders schmerzlich war für das Unternehmen ein großangelegter Betrug. Aufgefallen war dieser bei regelmäßigen Überprüfungen des Metallbestands. Es gab erhebliche Abweichungen vom Sollbestand sowie Abweichungen bei Sonderproben bestimmter Recycling-Lieferungen. Aurubis geht davon aus, dass manipulierte Proben mit hohen Gehalten wertvoller Metalle abgegeben wurden, die Lieferungen dann aber deutlich weniger wertvolle Metalle enthielten - wodurch letztlich überhöhte Rechnungen bezahlt wurden.
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Die Spuren eines monatelangen Betrugs führen in den Landkreis Stade: 5000 Kilo schwer, 11 Millionen Euro wert - das soll die Beute einer Diebesbande gewesen sein. Der Hauptangeklagte, Mahmut C. aus Fredenbeck, hatte in der vergangenen Woche vor Gericht ein Geständnis abgelegt.
Die vom Gericht zugelassene Anklage wirft vier Männern schweren Bandendiebstahl oder gewerbsmäßige Hehlerei vor, zwei weiteren Beschuldigten Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl. Der Staatsanwalt betonte, dass seine Behörde weiterhin fünf der Angeklagten als mutmaßliche Täter und nur einen als Helfer sieht.
Zwischen Februar 2020 und Januar 2021 sollen die Angeklagten rund 5000 Kilo edelmetallhaltige Zwischen- und Nebenprodukte vom Aurubis-Firmengelände im Stadtteil Veddel abtransportiert haben. Die sogenannten Rohsilberfegsel enthielten nach Angaben der Staatsanwaltschaft um die 85 Prozent Silber, aber auch etwa 3 bis 5 Prozent Gold. Die Rohsilberrückstände entstehen bei Metallrecycling- und Aufbereitungsprozessen.
Die Beute verkauften die Beschuldigten laut Anklage an bislang unbekannte Abnehmer. Beträge von mehreren Hunderttausend Euro sollen bei den Lieferungen jeweils in bar gezahlt worden sein. Ein Großteil des Diebesgutes sei zur Analyse und weiteren Verwendung an metallverarbeitende Betriebe in der türkischen Metropole Istanbul versandt worden, hieß es. (dpa)