Azubis dringend gesucht: Wirtschaft im Kreis Stade hat Nachwuchssorgen

Eine Auszubildende zur Köchin im dritten Lehrjahr arbeitet in einem Hotel in der Küche eines Restaurants (Symbolbild). Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Arbeitsagentur, Handwerkskammer und IHK ziehen gemeinsam eine Jahresbilanz zum Ausbildungsmarkt 2023/2024.
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Landkreis. Das Angebot an freien Ausbildungsplätzen ist gegenüber dem Vorjahr erneut leicht gesunken, die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber hat - wie schon in den beiden Vorjahren - zugenommen. Die Agentur für Arbeit Stade zieht mit der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Elbe-Weser die Jahresbilanz zum abgelaufenen Geschäftsjahr in der Berufsberatung.
Mehr Bewerber, weniger Ausbildungsstellen
„Die Zahlen und Fakten zeigen, dass der Ausbildungsmarkt weiterhin im Wandel ist“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung. „Die Arbeitsagentur und die Kammern haben große Anstrengungen unternommen, um möglichst vielen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anbieten zu können. Mit Erfolg, die Zahl der unversorgten Jugendlichen ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 11 Prozent gesunken, die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze nahm, im Vergleich zum Vorjahr, um rund 23 Prozent ab.“

Dagmar Froelich, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Stade. Foto: Bundesagentur für Arbeit
Im Ausbildungsjahr 2023/2024 lag die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen unter dem Niveau des Vorjahres. Vom 1. Oktober 2023 bis 30. September 2024 hatten Unternehmen im Bezirk der Agentur für Arbeit Stade 3247 Stellen für Auszubildende gemeldet, 82 Stellen (minus 2,5 Prozent) weniger als im Berichtszeitraum des Vorjahres.
Die Zahl der gemeldeten Bewerber nahm hingegen zu. Insgesamt nutzten 3062 Jugendliche die Berufsberatung bei der Suche nach einer Ausbildung. Das waren 2,8 Prozent (plus 82 Personen) mehr als im Berufsberatungsjahr 2022/2023.
Positive Bilanz trotz Herausforderungen
„Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen“, teilt Dagmar Froelich, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Stade, mit. „Vor dem Hintergrund ungünstiger Prognosen für die Gesamtwirtschaft und einer allgemein eher pessimistischen Stimmung fällt die Bilanz für unseren regionalen Ausbildungsmarkt daher positiv aus.“
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Das zurückliegende Berufsberatungsjahr zeige, dass die Unternehmen Ausbildung als wichtige Maßnahme zur Fachkräftesicherung genutzt haben und trotz konjunktureller Unwägbarkeiten ihre Bemühungen in der Nachwuchsförderung fortführen.
„Durch intensive Beratungsarbeit konnten wir mehr Jugendliche erreichen und dem bundesweit rückläufigen Trend entgegenwirken. Wir werden weiter daran arbeiten, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen.“
Vielfältige Gründe für unbesetzte Stellen
Unbesetzte Ausbildungsstellen gibt es auch in der Region. „Die Gründe dafür sind vielfältig, oftmals stimmen die Ausbildungsangebote nicht mit den Wunschberufen der Jugendlichen überein oder es stellen sich Fragen zur regionalen Mobilität“, fasst Dagmar Froelich zusammen.
„Um die jetzt noch unversorgten Bewerberinnen und Bewerber mit den noch unbesetzten Ausbildungsstellen zusammenzubringen, werden die Vermittlungsaktivitäten bis mindestens Ende des Jahres fortgesetzt. Unter dem Motto ‚Jeder Jugendliche bekommt eine Chance‘ lassen wir, gemeinsam mit unseren Partnern am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, nichts unversucht, um jedem bisher unversorgten Jugendlichen zu einer Ausbildungsperspektive zu verhelfen. Durch Beratungsangebote, Vermittlungsprogramme und Fördermaßnahmen unterstützen wir Jugendliche und Betriebe, um die Duale Ausbildung weiter zu stärken und den Fachkräftenachwuchs in der Region zu sichern.“

Claudia Meimbresse, Leiterin der Beruflichen Bildung bei der Handwerkskammer. Foto: Handwerkskammer/Sascha Gramann
Bei den Lehrverträgen in der Region Stade verzeichnete die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade Ende Oktober 1418 neue Abschlüsse - 98 weniger als im Vorjahr. „Unsere Betriebe wissen, dass sie qualifizierte Fachkräfte am besten durch die Ausbildung im eigenen Betrieb gewinnen. Deswegen hat die Ausbildung für sie unverändert einen hohen Stellenwert, und viele Betriebe suchen weiterhin motivierte Auszubildende“, sagt Claudia Meimbresse, Leiterin der Beruflichen Bildung.
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Die Erfahrung aus den Vorjahren zeige, dass noch bis zum Jahresende Bewegung auf dem Lehrstellenmarkt sei. Im Trend liegen laut Meimbresse klimarelevante Berufe wie Anlagenmechaniker im Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk und Elektroniker. Auch die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker mit dem Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik sei mit Blick auf die E-Mobilität stark im Kommen.
Keine Entwarnung beim Nachwuchsmangel
Trotz dieser Entwicklung gibt Meimbresse aber keine Entwarnung, was die Nachwuchssorgen im Handwerk betrifft: „Der Markt ist heiß umkämpft, und gerade kleine Handwerksbetriebe haben es oft schwer, sich im Wettbewerb als Arbeitgeber gegen die Industrie durchzusetzen“ sagt sie. „Um später genug Fachkräfte zu haben, müssen wir die Nachwuchsarbeit verstärken. In einigen Branchen wird es immer schwieriger, Auszubildende zu finden.“
Eine systematische Berufsorientierung sei daher an allen Schulformen - insbesondere an Gymnasien - dringend notwendig, damit sich mehr junge Menschen für den beruflichen Ausbildungsweg entschieden. Darüber hinaus setze sich die Handwerkskammer für mehr Wertschätzung für das Handwerk und eine Gleichstellung der beruflichen und akademischen Bildung ein. „Auch Abiturienten finden im Handwerk spannende und herausfordernde Berufe, die gleiche Karrierechancen wie ein Studium bieten“, so Meimbresse.

Dirk Immken, Leiter der Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer Elbe-Weser. Foto: IHK Elbe-Weser/Angela Reidies
Das Ausbildungsjahr 2023/2024 endet für Industrie, Handel und Dienstleistung im Elbe-Weser-Raum erneut mit soliden Zahlen. „Die Unternehmen investieren in Berufsorientierungsmaßnahmen und öffnen sich für junge interessierte Menschen. Insgesamt wird bei den neu eingetragenen Ausbildungsverträgen derzeit ein leichtes Plus von fast zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Das ist bemerkenswert, denn die Zahlen der Schulabgänger an den allgemeinbildenden Schulen sind weiter rückläufig“, teilt Dirk Immken, Leiter der Aus- und Weiterbildung der IHK Elbe-Weser, mit.
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„Der Bedarf an Fach- und Arbeitskräften in den Unternehmen wird zukünftig noch weiter steigen, da die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren in Rente gehen. Trotz der wirtschaftlich eingetrübten Lage benötigen wir auch in Zukunft gut ausgebildete Arbeitskräfte in unseren Unternehmen. Ohne diese Grundlage wird auch ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht gemeistert werden können.“
Viele Betriebe kooperieren mit lokalen Schulen
Die berufliche Orientierung junger Menschen ist der Schlüssel zum Erfolg für die Anwerbung potenzieller Auszubildender. Daher kooperieren viele Betriebe verstärkt mit lokalen Schulen und bieten Schulpraktika an. Der Aufwand lohne sich, so Dirk Immken, denn dadurch lassen sich erste Kontakte knüpfen, und die Duale Ausbildung rückt neben einem Studium in den Fokus. Viele Unternehmen machen die Erfahrung, dass es zwar wichtig ist, auf Ausbildungsmessen präsent zu sein, die junge Generation wünscht sich aber praktische Erfahrungen und Erlebnisse am zukünftigen Ausbildungsplatz.
Mit den Projekten „UBA Connect“ und „Hand in Hand for International Talents“ werden zudem junge Menschen aus dem Ausland für die Ausbildung und eine berufliche Karriere nach Deutschland geholt. „Ohne eine Zuwanderung werden wir die Fach- und Arbeitskräftelücke nicht schließen können“, betont Dirk Immken. (sal)

Eine Auszubildende zur Köchin im dritten Lehrjahr arbeitet in einem Hotel in der Küche eines Restaurants (Symbolbild). Foto: Sebastian Gollnow/dpa