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Tote Tiere

Schäfer bitten Bevölkerung in größter Not um Spenden

Eine Tierärztin behandelt zusammen mit dem Schäfer von der Blauzungenkenkeit befallene Schafe.

Eine Tierärztin behandelt zusammen mit dem Schäfer von der Blauzungenkenkeit befallene Schafe. Foto: Lars Penning/dpa

Erst der Wolf, jetzt ein Virus: Viele fürchten derzeit um ihre Existenz - vor allem im Nordwesten. Ein Verein schlägt Alarm.

Von Redaktion Mittwoch, 28.08.2024, 15:15 Uhr

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Winsen/Landkreis. Die wirtschaftliche Existenz vieler deutscher Schäfer steht auf dem Spiel. Das sagt der Förderverein der Deutschen Schafhaltung in einem am Mittwoch herausgegebenen öffentlichen Appell. „Die Existenz der Schäfer war bereits vor der Blauzungenkrankheit, die aktuell grassiert, massiv bedroht – durch eine fehlgeleitete Landwirtschaftspolitik und die Wiederansiedlung der Wölfe“, erklärt Wendelin Schmücker, Vorsitzender des Fördervereins. Die aktuelle Situation sei katastrophal.

Trotz Impfung sind viele Tiere an der Blauzungenkrankheit erkrankt. Dies verursache „immense Behandlungskosten“. Laut Schmücker arbeiteten die Schäfer oft bis zu 20 Stunden am Tag, um ihren kranken Tieren alles Lebensnotwendige zu verabreichen, inklusive der Ernährung per Magensonde. Sein Fazit: „Ohne externe Unterstützung werden viele Schäfer einen Neubeginn nicht schaffen.“

Tote Tiere: 4.000 Schafhalter bereits betroffen

Die für Schafe und Rinder gefährliche Blauzungenkrankheit breitet sich in Deutschland zunehmend aus; Niedersachsen hat bundesweit die zweitmeisten Fälle. Die Fallzahlen explodieren gerade regelrecht, heißt es auch vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI). Laut Wendelin Schmücker, der selbst Heidschnucken in Winsen hält, hätten bereits etwa 4.000 Schafhalter Tiere verloren und stünden vor dem Ruin.

Der Grund ist, dass die krankheitsübertragenden Mücken seit Wochen zahlreich vorhanden und sehr aktiv sind. Binnen nur zehn Monaten hat sich der Erreger in ganz Deutschland ausgebreitet. Das Virus existiert in mehr als 20 verschiedenen Varianten, Serotypen genannt. Aktuell kursiert in Deutschland und anderen europäischen Ländern der Typ BTV-3.

Blauzungenkrankheit: Wie stecken sich Schafe und Kühe an?

Die meisten BT-Viren werden durch blutsaugende Mücken aus der Gruppe Culicoides übertragen, sehr kleine Mücken, die zu den Gnitzen gehören. Sie vermehren sich vor allem in der warmen Jahreszeit bei feuchtwarmem Wetter.

Laut einem Beitrag im Fachmagazin „Science“ können die Mücken innerhalb weniger Tage mehrere Kilometer weit fliegen - bei Rückenwind sogar hunderte Kilometer. Auch der Transport von kranken Tieren kann zur Verbreitung des Virus beitragen.

Nach der Übertragung durch den Stich einer infizierten Gnitze vermehrt sich das Virus in bestimmten Lymphknoten. Erkrankte Tiere sind in der Regel lebenslang immun. Einmal mit der jetzt kursierenden Variante infizierte Tiere erkranken also nicht erneut daran - an anderen Serotypen allerdings schon.

Wie geht es erkrankten Tieren?

Die Blauzungenkrankheit ist sehr schmerzhaft und kann - je nach Serotyp unterschiedlich häufig - zum Tod führen. Insbesondere Schafe haben oft starke Schmerzen im Maul und lahmen, wie es vom FLI heißt. Die namensgebende Verfärbung der Zunge hingegen ist eher selten. Bei Rindern verläuft die Krankheit deutlich milder.

Wendelin Schmücker ist Vorsitzender des Fördervereins der Deutschen Schafhalter.

Wendelin Schmücker ist Vorsitzender des Fördervereins der Deutschen Schafhalter. Foto: Philipp Schulze/dpa

Nach Daten aus den schon länger betroffenen Niederlanden sterben bei der derzeit in Europa kursierenden Variante BTV-3/NET2023 im Mittel ein Viertel der Tiere in Schafhaltungen - deutlich mehr als bei anderen Varianten. In manchen Betrieben verendeten sogar mehr als 70 Prozent der kranken Tiere. Auch bei Rindern ist die Sterblichkeit den Daten zufolge erhöht, bei Milchvieh kann die Milchleistung deutlich zurückgehen.

Zum Vergleich: Während der BTV-8-Epidemie hatten die deutschen Tierseuchenkassen im Jahr 2007 Entschädigungen für 33.233 tote Schafe und 10.240 Rinder gezahlt, wie es beim FLI heißt.

Schäfer physisch und psychisch an Belastungsgrenze

Der Förderverein der Deutschen Schafhaltung sammelt jetzt Geldspenden, um den betroffenen Schäfern zu helfen. Die andauernde Belastung durch die Blauzungenkrankheit habe viele Schäfer an ihre Grenzen gebracht – sowohl psychisch als auch physisch. „Wo sind all die Tierschützer, die nach Tierwohl schreien?“, fragt Schmücker. „Schafhaltung mit Beweidung dient der Biodiversität sowie dem Deich- und Küstenschutz. Schafe pflegen die Landschaft, die wir lieben.“ Er appelliert auch an Tierschutzorganisationen, einen Hilfsfonds einzurichten. (tip/dpa)

Spenden können auf folgendes Konto überwiesen werden: IBAN: DE4820069965 0001115000; Bank: Volksbank Winsener Marsch; Verwendungszweck: „Stichwort Schäfer in Not“ (Spendenquittung auf Wunsch erhältlich)

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