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Bauernproteste

Bundestag beschließt Agrardiesel-Aus – Wie es jetzt weitergeht

Viele Landwirte protestierten zuletzt gegen den Abbau von Steuerentlastungen beim Agrardiesel.

Viele Landwirte protestierten zuletzt gegen den Abbau von Steuerentlastungen beim Agrardiesel. Foto: David Young/dpa

Trotz breiter Proteste hat der Bundestag das Aus für Subventionen für Landwirte beschlossen. Der Präsident des Bauernverbandes reagiert als erstes.

Von dpa Freitag, 02.02.2024, 14:30 Uhr

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Berlin. Der Bundestag hat dem umstrittenen Abbau von Steuerentlastungen beim Agrardiesel zugestimmt. Das Parlament verabschiedete das Haushaltsfinanzierungsgesetz, in dem die schrittweise Abschaffung enthalten ist.

Bevor es in Kraft treten kann, muss das Gesetz noch den Bundesrat passieren. Die Länderkammer stimmte einer Fristverkürzung aber nicht zu und befasste sich damit nicht. Das Gesetz wird im Bundesrat nun zunächst in Fachausschüssen beraten. Die nächste reguläre Sitzung des Bundesrats ist für den 22. März geplant.

Die geplanten Kürzungen hatten für eine Protestwelle von Bauern gesorgt, auf dem Platz Am Sande in Stade ist ein Protestcamp aufgeschlagen.

Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen, könnte aber Einspruch einlegen und den Vermittlungsausschuss anrufen. In vielen Ländern gibt es Koalitionsregierungen mit Ampel-Parteien. Wenn sich eine Landesregierung uneins ist, muss sich das Land im Bundesrat enthalten beziehungsweise kann nicht zustimmen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP, links) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) im Bundestag.

Finanzminister Christian Lindner (FDP, links) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) im Bundestag. Foto: Britta Pedersen/dpa

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hatte gesagt: „Es ist ein eindeutiges Signal, dass die Länder das Haushaltsgesetz der Bundesregierung ausbremsen. Jetzt muss mit der gewonnenen Zeit sinnvoll umgegangen werden und Lösungen im Sinne der Landwirtschaft gefunden werden. Die Steuererhöhung beim Agrardiesel muss vom Tisch.“

Landvolk setzt auf weitere Gespräche mit Politik

Das Landvolk teilte auf Anfrage mit, man nehme dieses Signal der Länderkammer zur Kenntnis. „Wir setzen weiterhin auf Gespräche mit der Politik“, sagte die Sprecherin. Für die kommende Woche habe das Landvolk zunächst keine größeren Kundgebungen geplant. Friedliche Proteste ohne Blockaden und Störungen von Landwirtinnen und Landwirten könne es aber weiterhin geben. Darüber würden die einzelnen Kreisverbände vor Ort entscheiden.

Niedersachsen appelliert an Bauern für friedliche Proteste

Die Landesregierung hat an die Bauern appelliert, friedlich zu protestieren. Der Protest solle sich weiterhin im Rahmen bewegen und nicht eskalieren, sagte eine Sprecherin der Landesregierung am Freitag in Hannover. Sie gehe davon aus, dass es sich ansonsten um Einzelfälle handle. Außerdem denke sie, dass „solche Proteste mit Mist abkippen und Blockaden“ innerhalb der Landwirtschaftsverbände nicht gern gesehen würden und diese den friedlichen Protest bevorzugten.

Am Freitagmorgen hatten Landwirte auf der A2 zwischen Braunschweig-Watenbüttel und Peine-Ost Mist, Baumstämme und Autoreifen auf die Fahrbahn gekippt. Der Polizei zufolge musste die Autobahn in Richtung Hannover gesperrt werden. Demnach seien etwa 60 Demonstranten und 40 landwirtschaftliche Fahrzeuge an der Aktion beteiligt gewesen. Eine Reinigung der Fahrbahn durch eine Spezialfirma sei erforderlich.

Niedersachsen wollte am Freitag gemeinsam mit den anderen beiden SPD-geführten Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Saarland einen Antrag im Bundesrat einbringen, wonach der Abbau der Steuerentlastungen beim Agrardiesel über einen längeren Zeitraum geschehen sollte.

Agrardiesel-Subventionen sollen schrittweise auslaufen

Mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz setzt die Koalition Sparmaßnahmen um. Nach einem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts mussten Milliardenlöcher gestopft werden. Auf eine ursprünglich geplante Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft hatte die Regierung verzichtet. Zugleich hatte sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP darauf verständigt, dass die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel schrittweise und nicht plötzlich erfolgt.

Bisher können sich Betriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Das soll schrittweise verringert werden. Für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen soll es keine Subventionen mehr geben.

Ampel lädt Landwirtschaftskommission zum Dialog

Die Ampel-Koalition will mit der Regierungskommission zur Zukunft der Landwirtschaft über mögliche Entlastungen sprechen. Dazu sei es wichtig, in einem engen Austausch mit der Branche zu stehen und die Sichtweisen in den Beratungen heranzuziehen, hieß es in einem Schreiben der Fraktionsvizes Matthias Miersch (SPD), Julia Verlinden (Grüne) und Carina Konrad (FDP) an die Kommissionsmitglieder. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Die Fraktionen laden darin zu einem „Dialog über eine zukunftsfähige Landwirtschaft“ am 21. Februar ein.

Als Themen genannt werden unter anderem Bürokratie-Entlastungen, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und steuerrechtliche Fragen. Die Ampel-Fraktionen hatte angesichts bundesweiter Bauernproteste konkrete Maßnahmen bis zum Sommer in Aussicht gestellt.

Der noch von der Vorgängerregierung eingesetzten „Zukunftskommission Landwirtschaft“ gehören Vertreterinnen und Vertreter von Bauern und Ernährungsbranche, Natur- und Verbraucherschützern, Handel und Wissenschaft an. Das Gremium legte 2021 Empfehlungen für einen weitreichenden Umbau des Agrar- und Ernährungssystems als gesamtgesellschaftliche Aufgabe vor. Dafür werden Milliarden-Investitionen veranschlagt.

EU: Von der Leyen will Bürokratieabbau für Bauern

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen stellt Bäuerinnen und Bauern Bürokratieabbau in Aussicht. „Wir werden mit der belgischen Präsidentschaft an einem Vorschlag arbeiten“, sagte die Deutsche nach einem EU-Gipfel in Brüssel. Dieser solle bis nächsten Treffen der EU-Landwirtschaftsminister vorliegen, das für den 26. Februar geplant ist. Belgien hat momentan die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne und ist federführend dafür zuständig, etwa Ministertreffen vorzubereiten.

„Ich bin sehr empfänglich für die Botschaft, dass die Landwirte über den Verwaltungsaufwand besorgt sind“, sagte von der Leyen. Es liege ihr am Herzen, diesen zu verringern. Sie traf sich am Donnerstag auch mit Vertreterinnen und Vertretern des europäischen Bauernverbands Copa-Cogeca.

Von der Leyen betonte zudem, Landwirte könnten sich auf europäische Unterstützung verlassen. Durch die gemeinsame Agrarpolitik stünden für die Jahre 2023 bis 2027 fast 390 Milliarden Euro zur Verfügung. „Das ist fast ein Drittel des europäischen Haushalts“, so von der Leyen. Zudem sei im Jahr 2023 den am stärksten von Krisen betroffenen Landwirten eine Sonderhilfe von über 500 Millionen Euro gewährt worden.

Derzeit protestieren Bäuerinnen und Bauern in mehreren EU-Staaten. Unter anderem sehen sie sich durch Umweltauflagen der Europäischen Union unverhältnismäßig stark eingeschränkt.

Haushalt 2024: Weitere Änderungen beschlossen

Im Haushalt 2024 sind Ausgaben in Höhe von 476,8 Milliarden Euro vorgesehen – und vorerst neue Kredite über rund 39 Milliarden Euro. Bleibt es dabei, würde die Schuldenbremse erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder eingehalten, denn die Regelung im Grundgesetz erlaubt bei schlechten Konjunkturerwartungen einen gewissen Spielraum.

Im Haushaltsfinanzierungsgesetz enthalten ist zudem eine höhere Ticketsteuer auf Passagierflüge. Zudem ist eine Verschärfung von Sanktionen beim Bürgergeld auf zwei Jahre befristet.

Jobcenter dürfen Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate streichen, wenn die Betroffenen zumutbare Jobs immer wieder verweigern. Zudem wird der Bürgergeldbonus von 75 Euro pro Monat abgeschafft - eingeführt worden war er für Weiterbildungen, die nicht auf einen Berufsabschluss abzielen.

Das mit Abstand größte Budget hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit rund 175,6 Milliarden Euro – davon gehen große Teile in die Rentenversicherung, dazu kommen zum Beispiel Ausgaben für das Bürgergeld. Der Verteidigungsetat liegt bei rund 52 Milliarden Euro, hinzu kommen Milliardenmittel aus dem „Sondervermögen“ für die Bundeswehr.

Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, kritisierte, Kürzungen im sozialen Bereich, wie beim Bundeszuschuss an die Deutsche Rentenversicherung, drohende Beitragssatzsteigerungen in der Sozialversicherung und steigende Energiepreise belasteten besonders Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.

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