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Finanznot

Elbe Kliniken: Personal demonstriert – Krankenhäuser reduzieren Angebot

Unter dem Motto "Stoppt das Krankenhaussterben" demonstrierten bundesweit bis 30.000 Klinikbeschäftigte. Foto: dpa

Unter dem Motto "Stoppt das Krankenhaussterben" demonstrierten bundesweit bis 30.000 Klinikbeschäftigte. Foto: dpa

„Wer zahlt für uns?“ oder „Alarmstufe rot“ steht auf den Plakaten der Elbe-Kliniken-Mitarbeiter. Mit Großdemonstrationen machen Kliniken auf ihre teils bedohliche Finanzlage aufmerksam und ziehen bereits die Reißleine.

Mittwoch, 20.09.2023, 07:55 Uhr

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Von Antje Höning

Die Klinikbranche hat wegen akuter wirtschaftlicher Nöte vieler Standorte erneut zusätzliche Hilfen des Bundes verlangt. „Die finanzielle Situation der Krankenhäuser ist dramatisch, und sie gefährdet die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung“, sagte der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, anlässlich eines bundesweiten Protesttags am Mittwoch. In vielen Krankenhäusern und Regionen sei die Verunsicherung groß. Der Verband fordert daher einen schnellen „Inflationsausgleich“.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte keine neuen Zusagen dafür und verwies auf die geplante Krankenhausreform, die auch kleinere Kliniken absichere. Der Minister bekräftigte, dass die Krankenhausreform notwendig sei. Es seien nicht mehr genug Behandlungsfälle und Personal da, um 1700 Häuser am Netz zu halten, sagte er im ZDF. Jetzt treffe es in einem „unkontrollierten Prozess“ aber teils die falschen Standorte.

Elbe Kliniken mit roten Zahlen - Sorgen am Standort Buxtehude

Rund 20 Mitarbeiter und Ärzte der Elbe Kliniken Stade/Buxtehude sowie der OsteMed-Klinik in Bremervörde demonstrierten am Nachmittag in Hannover. Die Polizei sprach von rund 2500 Teilnehmern. "Wir retten Leben - Wer rettet uns?" und "GEGEN Kliniksterben. FÜR Patientenleben" stand auf ihren Plakaten. Ziel sei es, weitere Insolvenzen von Kliniken zu verhindern.

Rund 20 Mitarbeiter der Elbe Kliniken Stade/Buxtehude sowie der OsteMed-Klinik Bremervörde demonstrierten in Hannover. Foto: Instagram/Elbe Kliniken

Rund 20 Mitarbeiter der Elbe Kliniken Stade/Buxtehude sowie der OsteMed-Klinik Bremervörde demonstrierten in Hannover. Foto: Instagram/Elbe Kliniken

„Bei der geplanten Klinikreform wurden keinerlei zusätzliche Finanzmittel berücksichtigt, die die ohnehin stark unterfinanzierten Kliniken entlasten“, hatte Siegfried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken, bereits im Juli im TAGEBLATT geklagt. Seit Jahren und besonders durch die zuletzt extrem gestiegenen Kosten bei Personal, Energie und sonstigem Sachbedarf gerieten immer mehr Kliniken in eine finanzielle Schieflage, so Ristau. Er ist auch Landesvorsitzender für Niedersachsen und Bremen des Verbands der Krankenhausvorstände.

„Wir schließen uns dem Protest an, weil wir endlich wieder Verlässlichkeit bei der Finanzierung der Kliniken benötigen“, hatte der Kliniken-Chef angekündigt. „Wenn politisch nicht gehandelt wird, erleben wir einen Strukturwandel, der von Insolvenzen, Schließungen und verheerenden Auswirkungen für die Versorgungssicherheit geprägt sein wird“, ergänzte er. In manchen Regionen sei das schon jetzt deutlich spürbar.

Die Elbe Kliniken werden wohl erstmals seit 20 Jahren wieder rote Zahlen schreiben und brauchen 15 Millionen Euro Liquiditätshilfen vom Landkreis Stade, Eigentümer der Kliniken-GmbH. Sorgen gibt es vor allem um die kleineren Klinikstandorte wie Buxtehude oder Bremervörde. Diese hatte der Betriebsrat der Elbe Kliniken bereits öffentlich geäußert. Landrat Kai Seefried unterstützt die Forderung nach einer Soforthilfe.

Siegfried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken Stade-Buxtehude.

Siegfried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken Stade-Buxtehude.

70 Prozent der Kliniken sorgen sich um ihre Existenz

Bundesweit sollen die Krankenhäuser bis Ende des Jahres ein Defizit von rund zehn Milliarden Euro anhäufen. Laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts sorgen sich 70 Prozent der Kliniken ernsthaft um ihre Existenz. Fast die Hälfte der Allgemeinkrankenhäuser in Deutschland (48 Prozent) sieht ihre Liquidität bis zum Jahresende 2024 gefährdet.

Die Gewerkschaft Verdi unterstützte den Protest am Mittwoch. Vorstandsmitglied Sylvia Bühler sagte: „Krankenhäuser in wirtschaftlicher Schieflage brauchen sofort zweckgebundene Hilfen zur Finanzierung steigender Preise und Personalkosten.“ Tausende Arbeitsplätzen stünden auf dem Spiel, das müssten Bund und Länder verhindern. „Kein Krankenhaus, das für die Versorgung gebraucht wird, darf geschlossen werden.“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte im Protestaufruf: „Die extrem gestiegenen Preise zwingen viele Kliniken in die Knie.“ Kaum ein Haus könne die Ausgaben noch aus laufenden Einnahmen begleichen.

Unterstützung erhielten die Demonstranten in Hannover von Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi, der sich dem Ruf nach schneller finanzielle Hilfe durch den Bund anschloss. Der Minister verwies darauf, dass das Land seine Beteiligung an den Investitionskosten der Krankenhäuser erhöhen werde. Für die Betriebskosten sei aber der Bund zuständig. „Das ist kein schwarzer Peter, das ist Föderalismus”, sagte Philippi.

Der CDU-Fraktionschef im Landtag, Sebastian Lechner, forderte in einer Mitteilung, das Land müsse zur Überbrückung selbst Liquiditätskredite für die Kliniken auf den Weg bringen und dürfe nicht länger auf den Bund warten.

Krankenhäuser wollen Leistungen wegen Finanznot einschränken

Die Krankenhausreform sieht unter anderem vor, das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern, um Kliniken von Druck zu immer mehr Fällen zu lösen. Daher sollen sie einen großen Anteil der Vergütung allein schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Dies soll auch kleinere Häuser auf dem Land absichern. Gaß forderte rasche Hilfen, damit die Krankenhäuser die Reform überhaupt erleben könnten.

Ein Grund für den starken Anstieg der Personalkosten sind dabei die jüngsten Tarifabschlüsse, die meist im kommenden Jahr voll wirksam werden. Die Krankenhäuser beziffern den Anstieg der Personalkosten für 2024 auf über 10 Prozent. „Die Refinanzierung ist aktuell nicht gesichert“, heißt es weiter.

Das hat auch Folgen für Patienten, wie die Umfrage weiter zeigt. Viele Kliniken sehen sich nun gezwungen, ihr Angebot einzuschränken. 49 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser erwarten, ihr Leistungsangebot in den nächsten sechs Monaten reduzieren zu müssen, etwa indem sie Betten sperren oder Stationen vorübergehend schließen. 21 Prozent der Häuser gehen von Einschränkungen beim Leistungsumfang, zum Beispiel durch die Verschiebung planbarer Operationen, aus. (mkr/dpa/tip)

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