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Protestwelle

551 Fragen zu „Omas gegen Rechts“ und Co.: CDU/CSU sorgt für Empörung

In mehreren Städten demonstrierten Tausende gegen eine Bundestagsabstimmung der Union mit der AfD. (Archivbild)

In mehreren Städten demonstrierten Tausende gegen eine Bundestagsabstimmung der Union mit der AfD. (Archivbild) Foto: Christian Charisius/dpa

Das Votum mit der AfD löste eine Protestwelle gegen die Union aus. Jetzt will sich der Wahlsieger offenbar rächen und sorgt für Kritik allerorten.

Von Sascha Meyer Mittwoch, 26.02.2025, 23:30 Uhr

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Berlin. Eine Parlamentsanfrage der Union zur politischen Neutralität von Nichtregierungsorganisationen stößt auf breite Empörung und belastet auch die Gespräche über eine Koalitionsbildung mit der SPD. Parteichef Lars Klingbeil sagte, die Anfrage stelle Organisationen an den Pranger, die die Demokratie schützten. „Deswegen muss die Union jetzt für sich klären, wie ernsthaft sie in Gespräche mit der Sozialdemokratie gehen will.“ Grüne und Linke warnten vor einem Angriff auf die Zivilgesellschaft. Die Union rechtfertigte ihr Vorgehen.

Hintergrund der Kleinen Anfrage mit 551 Fragen sind jüngste Proteste gegen die CDU, „die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden“, wie es darin heißt. Die Proteste seien „eine gezielte parteipolitische Einflussnahme“ unmittelbar vor der Bundestagswahl, was nicht mehr vom Gemeinnützigkeitsrecht gedeckt sei. Zuletzt gab es bundesweit Demonstrationen gegen Rechts und die CDU. Ein Auslöser dafür war, dass die Union im Bundestag einen umstrittenen Antrag für eine schärfere Migrationspolitik auch mit Stimmen der AfD durchgesetzt hatte.

Fragen auch zu Umwelt- und Verbraucherschützern

Die Anfrage hat das Datum 21. Februar, also zwei Tage vor der Wahl. Darin erkundigt sich die Union, welche gemeinnützigen Körperschaften in der abgelaufenen Wahlperiode mit Bundesmitteln gefördert wurden. Es folgen Fragen zu Aktionen, Spenden und politischen Verbindungen - unter anderem zu „Omas gegen Rechts“, Campact, Attac, Amadeu Antonio Stiftung, Peta, Foodwatch, Deutsche Umwelthilfe, Agora Energiewende, Greenpeace und zu den Journalisten-Organisationen Correctiv, Netzwerk Recherche und dem Verein Neue deutsche Medienmacher*innen.

Gefragt wird zum Beispiel: „Gibt es Belege dafür, dass der Verein Omas gegen Rechts Deutschland e. V. einseitige Narrative in politischen Debatten fördert, und wenn ja, welche?“ Oder: „Haben Vorstände oder Führungspersonen der Amadeu Antonio Stiftung politische Ämter oder enge Verbindungen zu Parteien?“ Oder: „Wann wurde die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe e. V. letztmalig durch das zuständige Finanzamt geprüft?“

SPD-Fraktionschef spricht von „Foulspiel“

Klingbeil, der auch zum SPD-Fraktionschef gewählt wurde, nannte die Anfrage ein „Foulspiel“. Im Hinblick auf mögliche Koalitionsgespräche mit CDU und CSU sagte er, dass er sich nicht vorstellen könne, morgens in Arbeitsgruppen zusammenzusitzen und nachmittags solche Anfragen der Union zu erleben. „Die Union sollte noch mal sehr schnell in sich gehen, ob sie daran festhält.“

Beim neuen SPD-Fraktionschef stößt die parlamentarische Anfrage der Union auf Unverständnis.

Beim neuen SPD-Fraktionschef stößt die parlamentarische Anfrage der Union auf Unverständnis. Foto: Michael Kappeler/dpa

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte die Anfrage ungeheuerlich. „Es sieht alles danach aus, dass Teile der Zivilgesellschaft hier eingeschüchtert werden sollen“, sagte sie der dpa. Die Linke-Abgeordnete Clara Bünger sagte, mit der Anfrage räche sich die Union für „die antifaschistischen Proteste“ und starte einen Angriff auf die Zivilgesellschaft. „Das erinnert an autoritäre Staaten und ist angesichts der Tatsache, dass die Union aller Wahrscheinlichkeit nach die nächste Bundesregierung anführen wird, äußerst besorgniserregend.“

Kritik an „willkürlich anmutender Liste“

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte, unter dem Eindruck der breiten Proteste gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD schlage die Union wüst um sich. „Dass Foodwatch in der willkürlich anmutenden Liste von Organisationen auftaucht, obwohl wir in die Demos gegen Rechtsextremismus überhaupt nicht involviert waren, zeigt: Es geht der Union darum, unbequeme Stimmen einzuschüchtern“, sagte Geschäftsführer Chris Methmann.

Die Amadeu Antonio Stiftung, die nach eigenen Angaben gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus eintritt, kritisierte, es sollten Organisationen in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt und mundtot gemacht werden. Das Netzwerk Recherche wies „die in den Fragen enthaltenen Unterstellungen“ zurück und nannte es „eine gefährliche Entwicklung, wenn die Union die Gemeinnützigkeit etablierter journalistischer Organisationen in Frage stellt“.

Union rechtfertigt sich

Für die Union verteidigte Fraktionsvize Mathias Middelberg das Vorgehen. „Zivilgesellschaftliches Engagement ist unverzichtbar und förderungswürdig“, sagte der CDU-Politiker. „Allerdings darf öffentlich gefördertes Engagement nicht zu parteipolitischen Zwecken eingesetzt werden.“ Aus diesem Grund habe die Union vor der Wahl die Anfrage gestellt. Die Prüfung der rechtmäßigen Verwendung von Steuermitteln sei eine Kernaufgabe des Parlaments.

Die Bundesregierung will die Anfrage mit hoher Priorität beantworten, wie ihr Sprecher Steffen Hebestreit sagte. Es sei „ein Königsrecht des Parlamentes“, Fragen zu stellen. Man bewerte sie zunächst nicht. Für die Beantwortung federführend ist das Finanzministerium. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte grundsätzlich, die Bundesregierung fördere „ausschließlich Programme und Projekte, die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten und das entsprechend ja auch nachweisen müssen“.

  • Linken-Chefin: „Merz ist der Trump aus dem Sauerland“

Linken-Chefin Ines Schwerdtner sieht im Vorgehen von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz Ähnlichkeiten mit US-Präsident Donald Trump. „Merz ist der Trump aus dem Sauerland“, erklärte Schwerdtner in Berlin. „Schon in den ersten Tagen will er mit dem alten gegen den neuen Bundestag putschen und 200 Milliarden zusätzliches Sondervermögen für Militär durchdrücken, will internationale Haftbefehle ignorieren und bedroht die Zivilgesellschaft.“ Das sei „Trump light“.

Linken-Co-Chef Jan van Aken ergänzte: „Organisationen, die gegen die Zusammenarbeit mit Faschisten protestieren, die Förderung streichen, weil das nicht im öffentlichen Interesse sei - das ist ein direkter Angriff auf die Demokratie.“ Van Aken bezog sich offenbar auf eine Kleine Anfrage von CDU/CSU im Bundestag an die Bundesregierung zu Fördergeldern für zivilgesellschaftliche Organisationen wie Campact oder Correctiv.

Die Linke stellt künftig etwa zehn Prozent der Abgeordneten im Bundestag. Ihre Stimmen könnten gebraucht werden, wenn für eine Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit nötig wird. (dpa)

T
Thorsten Götze
26.02.202522:07 Uhr

Man sollte die ganze Sache mal neutral betrachten. Eine kleine Anfrage ist ein Instrument, um die Regierung zu befragen bzw. zu kontrollieren. Dies ist das Recht und in meiner Sicht auch die Pflicht der Opposition. Es wird niemandem etwas weggenommen, noch ist die Demokratie in Gefahr. Ganz im Gegenteil. Das ist gelebte Demokratie. Wenn (hunderte?) Millionen Euros an NGOs/NROs verteilt werden, kann man doch mal näher hinschauen und hinterfragen. Im Übrigen gibt es auch Organisationen, wie z. B. Greenpeace, die weder Zuwendungen von Industrie, noch Regierungen annehmen, damit die Unabhängigkeit gewahrt wird.

U
Ulla Bowe antwortete am
26.02.202522:23 Uhr

Ja, die kleine Anfrage ist eine Möglichkeit und parteipolitisches Mittel der Informationsbeschaffung und Profilierung, Aber gerade deshalb darf man im Kontext nicht die Intention außer Acht lassen.
Greenpeace gehört übrigens auch zu den in der Anfrage genannten NGO's

J
Jochen Mextorf
26.02.202520:56 Uhr

DUH bedarf der Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

G
Günter Rademacker
26.02.202520:20 Uhr

Fazit: Fördergelder werden von "hart arbeitenden Steuerzahlern" gepresst und die Großspender der Parteien sind [...] .Toll *Teile des Kommentars gelöscht. Bitte verzichten Sie auf Beleidigungen. TAGEBLATT online

H
Helmut Wiegers antwortete am
26.02.202520:43 Uhr

Herr Rademacker, Sie sollten ihren Text noch einmal überarbeiten, damit er verständlich wird.

U
Ulla Bowe
26.02.202517:50 Uhr

" ... nicht für parteipolitische Zwecke eingesetzt werden..."
Gemeint ist ja anscheinend, daß alle Einwände / Proteste / Kritiken, die sich gegen Zwecke richten, die die Unionsparteien für richtig halten, per se zu unterbinden versucht werden soll; und die AfD (@H) schließt sich dem natürlich an.
Die Demokratie wird nicht durch die zivilgesellschaftlichen Gruppen und deren Engagement gefährdet, sondern durch Parteien, die diese Gruppen in ihrer Existenz gefährden. Sie sind die wahren Totengräber der Demokratie.

U
Ulla Bowe antwortete am
26.02.202521:54 Uhr

Zum Wahlergebnis: As I told you.
Geschichtsvergessenheit heißt ist in diesen Zeiten und mit den heutigen, technischen Möglichkeiten der vielfältigen Informationsbeschaffung nur mit Ignoranz zu erklären.
Ich verstehe diese Haltung nicht!
Und übrigens:
Ich bin weder links,noch grün, sondern zutiefst von der Demokratie und ihrer Verletzlichkeit überzeugt.

H
Helmut Wiegers antwortete am
26.02.202521:46 Uhr

Frau Bowe, es ist wie immer mit Leuten wie Ihnen. Wenn ihnen die Argumente fehlen, kommen sie mit der Nazikeule. Sie haben allerdings noch nicht bemerkt, dass sie mit dieser Keule regelmäßig die eigenen Knie treffen. Glauben Sie was Sie wollen - die Probleme, die Leute wie Sie in diesem Land angerichtet haben, müssen angegangen werden. Das Wahlergebnis zeigt es in aller Deutlichkeit.

U
Ulla Bowe antwortete am
26.02.202521:38 Uhr

,... wie die seinerzeit...

Sorry

U
Ulla Bowe antwortete am
26.02.202521:31 Uhr

Und haben Sie, - Herr Wiegers -, einmal darüber nachgedacht, was die seinerzeit mehrheitlich demokratisch gewählten Nationalsozialisten mit der Demokratie weiterverfahren sind?
Das können Sie doch nicht im Ernst wollen, oder bin ich zu naiv?
Wie sagte ein ehemaliger Bundespräsident:
Wehret den Anfängen!

H
Helmut Wiegers antwortete am
26.02.202520:58 Uhr

Frau Bowe, haben Sie schon einmal darüber nachgedacht von wem "die erhaltenen Ordnungsrufe" erteilt wurden? Haben Sie das Ergebnis der Bundestagswahl eigentlich registriert? Die,wie Sie es nennen "irrlichternen Protestwähler:innen" stellen ca. 21 % der Wähler. Die Grünen Gutmenschen haben noch nicht einmal 12 % erzielt. Selbst wenn Sie die Nachfolger des SED dazuzählen, sind es immer noch weniger als 21 %. Wer hat überall rumgeschrien: Wir sind mehr?

U
Ulla Bowe antwortete am
26.02.202520:21 Uhr

Ein Blick auf die Anzahl der erhaltenen Ordnungsrufe und die Art und Weise (z.B. mit dem Fuß aufstampfen) der verbalen Einlassungen im Bundestag lässt mich fragen, mit welchem Recht die AfD fordert, (außer von den irrlichternen Protestwähler:innen) als demokratische Partei wahrgenommen zu werden und sich als Hüter des Rechtsstaats zu gerieren. Nein, - nein, solch eine Partei bereichert keinesfalls die Demokratie, aber lässt sich trotzdem gerne durch Steuergelder aushalten, - dank der demokratischen Beschlüsse.
Da wird der Bock zum Gärtner gemacht.

H
Helmut Wiegers antwortete am
26.02.202519:47 Uhr

Frau Bowe, "Parteizuweisungen" erhalten alle Parteien, auch die Nachfolger der SED. Hetze und "moralischer Kompass" ist eher eine persönliche Bewertung ihrerseits. Warum gehen Menschen wie Sie nicht den Weg, der durch den Rechtsstaat vorgegeben ist? Mit welchem Recht fordern Menschen wie Sie "Steuergeld" für Organisationen die parteipolitisch agitieren? Zu Herrn Schöcke: Es geht nicht um "Bürgerbeteiligungen" wie Sie es verstehen. Freie, gleiche und geheime Wahlen ist die Grundlage eines demokratischen Rechtsstaates. Genau das ist "Bürgerbeteiligung". "Bürgerräte" wie aus ihrer politischen Windrichtung immer wieder gefordert, sind im Grundgesetz nicht vorgesehen.

U
Ulla Bowe antwortete am
26.02.202519:17 Uhr

Parteipolitische Agitation und Hetze, - scheinbar ohne moralischen Kompass -, betreiben (zu) viele Funktionäre / Funktionärinnen der AfD, - und diese Partei wird mit Steuergeldern unterstützt, obwohl sie in weiten Teilen als rechtsextrem eingestuft wird.
Insofern sollte konsequenterweise solchen Parteien entschlossener durch die Zivilgesellschaft entgegengetreten werden, - die geringen Steuergelder (im Vergleich zu den Parteizuweisungen in nur sehr marginaler Höhe) sind dort sehr gut aufgehoben!!!
Michael Bowe

H
Helmut Wiegers antwortete am
26.02.202518:48 Uhr

Die demokratischen Rechte dieser Organisationen werden doch nicht beschnitten, Frau Bowe. Die Frage ist doch, ob die Steuerzahler Organisationen füttern müssen die parteipolitisch agieren. Genau diese Agitation, finanziert mit Steuergeld, ist eben nicht demokratisch.

A
Alexander Schöcke antwortete am
26.02.202518:32 Uhr

Exakt.
Bürgerbeteiligung durch Einschüchterung zu unterminieren, zeigt nur wie viel Angst die Partei vor den Menschen hat.

H
Helmut Wiegers
26.02.202517:27 Uhr

Es wird dringend Zeit hier einmal genauer hinzusehen. Das Geld kommt nicht von der Bank, sondern von den hart arbeitenden Steuerzahlern. Hier werden Organisationen mit Steuergeld finanziert, die diejenigen die das Geld erarbeitet haben, ganz gewiss nicht brauchen. Es ist eine von vielen weiteren Einsparungsmöglichkeiten einer neuen Bundesregierung.

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