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Senioren-TÜV, Auto-Entzug: Diese Strafen empfehlen die Verkehrsexperten

Alkohol am Steuer könnte bald noch härter bestraft werden. Die Täter könnten sogar ihr Fahrzeug an den Staat abgeben müssen.

Alkohol am Steuer könnte bald noch härter bestraft werden. Die Täter könnten sogar ihr Fahrzeug an den Staat abgeben müssen. Foto: Poggemann/Symbolbild

Wer betrunken mit dem Auto fährt und einen schweren Unfall baut, soll sein Fahrzeug künftig verlieren können. Darin bestand Einigkeit. Bei den umstrittenen Checks für Ältere ging es auch um „abrasierte Außenspiegel“.

Von Lars Laue Samstag, 27.01.2024, 11:15 Uhr

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Goslar/Landkreis. Sind ältere Menschen am Steuer irgendwann ein Risiko? Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde intensiv über verpflichtende Fahrtests und Medizinchecks für Senioren diskutiert. Und was sind eigentlich „Rückmeldefahrten“?

Die Debatte darüber, ob Auto fahrende Senioren zu regelmäßigen Fahrtests oder Medizinchecks verpflichtet werden sollten, nimmt gleich zu Beginn Fahrt auf: Anja Käfer-Rohrbach, als Befürworterin eines solchen „Senioren-TÜVs“ auf dem Podium beim Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar, berichtet von ihrer 81-jährigen Schwiegermutter. „Mir wurde angst und bange. Da fahre ich nicht mehr mit“, stellt die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbands der Versicherer klar. Manch einer der Verkehrsexperten im Saal des Hotels „Der Achtermann“ schüttelt mit dem Kopf, als die Versicherungsvertreterin von „fünf abrasierten Außenspiegeln“ erzählt.

Versicherer für verpflichtende Rückmeldefahrten für ältere Autofahrer

Für Käfer-Rohrbach ist daher klar, dass der Gesetzgeber einschreiten muss. Sie schlägt für Autofahrer ab 75 Jahren vor, sogenannte Rückmeldefahrten verpflichtend zu machen. Fahrten also, bei denen ein Fahrlehrer mit im Auto sitzt und anschließend eine Rückmeldung darüber gibt, was gut lief und wo er Probleme sieht. Das Ergebnis soll nicht veröffentlicht werden oder gar meldepflichtig sein, „sondern nur dazu dienen, eine Sicht von außen auf die Fähigkeiten beziehungsweise Probleme am Steuer zu erhalten“, betont Käfer-Rohrbach.

„Als Pflicht oder freiwillig?“, hakt Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), sicherheitshalber noch mal nach. „Verpflichtend“, stellt ihre Kontrahentin auf dem Podium unmissverständlich klar. „Dann nicht“, entgegnet Engelmeier und fügt hinzu: „Dann haben wir ja doch wieder so etwas wie eine Prüfungssituation.“ Überhaupt sei die ganze Debatte diskriminierend für Senioren. Sie habe kürzlich bei einem 78-Jährigen im Auto gesessen, der „richtig gut“ gefahren sei. Ob Rückmeldefahrten, Fahrtests oder Medizinchecks: Für Engelmeier alles denkbar, „aber nur freiwillig“, wie die Chefin des Sozialverbandes betont.

Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde darüber diskutiert, ob ältere Autofarher regelmäßige Fahrtests machen sollten.

Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde darüber diskutiert, ob ältere Autofarher regelmäßige Fahrtests machen sollten. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Auch die Idee, Senioren mit kostenlosen Tickets für Bus und Bahn auszustatten, wenn sie ihren Führerschein freiwillig abgeben, findet Engelmeier gut, sagt aber auch: „Dafür müsste vor allem im ländlichen Raum der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden.“

Kommen in der EU neue Führerschein-Regeln?

Die Diskussion beim Verkehrsgerichtstag kommt übrigens nicht von ungefähr. Auf EU-Ebene wird derzeit über eine Führerscheinreform diskutiert. Die EU-Kommission hatte im vergangenen Jahr vorgeschlagen, dass Menschen über 70 alle fünf Jahre entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausfüllen oder sich ärztlich untersuchen lassen sollen. Die Debatte dauert an.

Moderatorin Hilke Janssen stellte die provokante Frage, ob ältere Menschen irgendwann ein Risiko seien. Statistisch gesehen seien allerdings an nur 14 Prozent aller Unfälle mit Personenschäden Menschen über 65 Jahre beteiligt, erklärte die Journalistin. Wenn ältere Menschen beteiligt waren, seien sie dabei meist schuld gewesen, fügte Janssen hinzu. Zudem seien die meisten Falschfahrer ältere Menschen.

Belege dafür finden sich in Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden. Demnach haben ältere Autofahrer häufiger die Hauptschuld als jüngere, wenn sie an Unfällen mit Personenschaden beteiligt sind. Der Statistik zufolge waren Menschen ab 65 vergangenes Jahr in mehr als zwei Dritteln dieser Fälle (69 Prozent) die Hauptverursacher.

  • Kommentar von Lars Laue
    Senioren-TÜV ist nicht der richtige Ansatz

Gas und Bremse verwechselt und im Schaufenster gelandet: Wir kennen diese Meldungen, hinter denen – das gehört leider zur Wahrheit dazu – häufig Senioren am Steuer stecken. Sollten ältere Menschen, sagen wir mal ab 70 Jahren, also regelmäßig zu Fahrtests oder Medizinchecks verpflichtet werden?

Mit Blick auf die Statistik ist es so, dass ältere Menschen vergleichsweise selten an Unfällen beteiligt sind. Daher stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, Senioren in Prüfungssituationen und zum Arzt zu drängen, damit sie ihren Führerschein behalten können.

Natürlich ist die Debatte emotional aufgeladen. Die Deutschen und ihre Autos sind untrennbar miteinander verbunden. Gerade für ältere Menschen kann der Verlust des Führerscheines einen massiven Einschnitt und Verlust an Lebensqualität bedeuten. Da sind gerade diejenigen, die im ländlichen Raum wohnen, noch einmal mehr betroffen als Senioren, die in der Stadt leben und jederzeit in den Bus oder die U-Bahn steigen können.

Eigenständig mit dem Auto zur Freundin, zum Arzt, zum Einkaufen, ins Kino, ins Theater oder auch in den Urlaub fahren zu können, ist insbesondere für Senioren von unschätzbarem Wert und hat auch etwas mit Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu tun.

Unweigerlich würden verpflichtende Tests dazu führen, dass Senioren von heute auf morgen ausgegrenzt würden – und das in einer Zeit, in der das Thema Einsamkeit zu einem immer größeren Problem zu werden scheint.

Allemal besser als ein „Senioren-TÜV“ wäre es, alle Autofahrer dafür zu sensibilisieren, dass die Reaktionsfähigkeit mit den Jahren abnimmt und hin und wieder ein Fahrsicherheitstraining angezeigt wäre – ohne Zwang und Prüfungsdruck, sondern freiwillig und eigenverantwortlich und mit Spaß am Autofahren. Statt über einen „Führerschein mit Verfallsdatum“ zu diskutieren und damit Senioren per se ihre Fahrkünste abzusprechen, sollten wir besser über Nachschulungen in Erste-Hilfe-Kursen sprechen. Oder wer fühlt sich an einer Unfallstelle noch sicher in der Lage, als Ersthelfer das Richtige zu tun?

Verkehrsgerichtstag fordert schärfere Strafen für Alkohol im Verkehr

Unterdessen hat der Verkehrsgerichtstag am Ende seiner dreitägigen Zusammenkunft in Goslar empfohlen, dass diejenigen, die betrunken mit dem Auto fahren und einen schweren Unfall verursachen, künftig ihr Fahrzeug verlieren können.

Nach einer strafbaren Rauschfahrt unter Drogen- oder Alkoholeinfluss soll das Fahrzeug sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit eingezogen werden können. Der Fahrer oder die Fahrerin muss dann sein Fahrzeug für immer an den Staat abgeben. Bei Alkohol am Steuer kann eine Straftat bereits ab 0,3 Promille vorliegen, etwa wenn es zu einem Unfall kommt oder der Fahrer Ausfallerscheinungen hat. Die Regelung solle für alle Fahrzeuge also auch Fahrräder oder Roller gelten und auch für Fahrzeuge, die nicht dem Täter gehören. Vorraussetzung soll sein, dass der Fahrer bereits in den vergangenen fünf Jahren wegen einer ähnlichen Tat verurteilt wurde.

Schärfere Strafen für Punktehandel gefordert

Bisher können es Autofahrer wegen einer Gesetzeslücke manchmal umgehen, Punkte für Vergehen im Straßenverkehr zu erhalten. Bisher ist es möglich, die Punkte eines anderen Menschen - je nach Rechtsauslegung straffrei - auf sich zu nehmen. Teilweise bieten Unternehmen aus dem EU-Ausland das auch gegen Bezahlung online an. Der Verkehrsgerichtstag fordert daher bessere Strafen, gegen die eigentlichen Fahrer sowie die Unternehmen, die den sogenannten Punktehandel anbieten. Unter anderem solle es möglich sein, Menschen, die derartige Angebote nutzen, Fahrverbote zu erteilen. Internetangebote für den Punktehandel sollen zudem verboten werden.

Unabhängig davon sollen Vergehen im Straßenverkehr weiter verfolgt werden. Dafür müssten unter anderem Bußgeldbehörden mehr Personal bekommen, forderte der Verkehrsgerichtstag. Zudem solle die Verjährungsfrist für Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr von drei auf sechs Monate verlängert werden.

Unfallflucht: Meldung von Unfällen erleichtern

In der Debatte um eine Reform bei der Unfallflucht, sprach sich der Verkehrsgerichtstag gegen eine Herabstufung der Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit aus. Die Meldung eines Unfalls solle aber besser geregelt werden, etwa durch die Einrichtung einer neutralen, digitalen Meldestelle. Auch solle es möglich sein, einen Unfall bis zu 24 Stunden nach dem Geschehen straffrei melden zu können. Zudem solle eine Mindestwartezeit festgelegt werden, die der Unfallverursacher im Idealfall einhalten soll. Die Wartezeit solle nicht allzu lang sein, sagte der Strafrechtsprofessor Jan Zops, der den Arbeitskreis leitete. Darüber hinaus wurde empfohlen, dass Fahrerflucht künftig nicht mehr automatisch mit dem Entzug der Fahrerlaubnis bestraft werden solle - solange nur Sachschäden entstanden sind.

Mehr Informationen zur Haftung bei Reisen

Wer mit mehreren Verkehrsmitteln wie etwa der Bahn und dem Flugzeug unterwegs ist, soll nach Ansicht des Verkehrsgerichtstages besser über seine Rechte informiert werden. Das solle Reisenden vor ihrer Buchung besonders einfach klar gemacht werden, etwa mit Piktogrammen. Konkret wurde bei dem Thema um die Haftung bei Verspätungen und verpassten Anschlüssen diskutiert. Hierbei wurde empfohlen, Passagierrechte zu vereinheitlichen und klarer zu regeln, wer im Zweifel haftet. Entschädigungszahlungen sollten sich nach Ansicht des Verkehrsgerichtstages am Ticketpreis orientieren. Sie sollten auch gezahlt werden, wenn der Zielort mit großer Verspätung erreicht wurde - nicht nur bei abgebrochenen Reisen.

Bei Unfallschäden mehr außergerichtlich klären

Die meisten Fachleute haben beim Verkehrsgerichtstag über Unfallschäden gesprochen. Konkret ging es um den Umgang mit Vorschäden bei der Schadensregulierung. Nach einem Unfall müsse bei einem Schadensgutachten, dass das Unfallopfer einholt, das Auto bereits auf Vorschäden untersucht werden. Wenn der Versicherer, der den Schaden bezahlen soll, aus seinen Akten Informationen über einen Vorschaden hat, solle er dies dem Unfallopfer vor einer Gerichtsverhandlung mitteilen. Teilweise wüssten die Autobesitzer selbst nichts von Vorschäden, etwa wenn sie beim Kauf eines Gerbauchtwagens nicht darüber informiert wurden, erklärte Bundesrichterin Vera von Pentz, die den entsprechenden Arbeitskreis leitete.

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Jochen Mextorf
27.01.202409:11 Uhr

Wirre Ideen von Besserwissern und Dilettanten. Enteignung durch Fahrzeug - "Einzug". Man glaubt es nicht. Unfallhäufigkeit deckt sich mit jungen Fahrern. Bei Zwangsmaßnahmen müssten auch die berücksichtigt werden.

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