Europa: US-Friedensplan für Ukraine nachbessern
Putin (l) und Trump sehen den US-Plan an Grundlage für ein Ende des Ukraine-Kriegs. (Archivbild) Foto: Jae C. Hong/AP/dpa
Auch wenn die Europäer den Vorstoß des US-Präsidenten für ein Ende des Ukraine-Kriegs gutheißen, den vorliegenden Friedensplan lehnen sie ab. Bundeskanzler Merz macht stellvertretend klar, warum.
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Johannesburg. Deutschland und andere Verbündete der Ukraine lehnen den Plan von US-Präsident Donald Trump für ein Ende des russischen Angriffskrieges in der derzeitigen Form ab. Der Entwurf sei eine Grundlage, an der jedoch weiter gearbeitet werden müsse, stellten sie nach einem Krisentreffen am Rande des G20-Gipfels in Johannesburg in einer Erklärung klar.
Nach dem Treffen, bei dem auch Japan, Kanada und Australien vertreten waren, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellvertretend für die Europäer: „Kriege können nicht beendet werden durch Großmächte über die Köpfe der beteiligten Länder hinweg.“ Ein Ende des Krieges könne es nur geben, wenn die Ukraine uneingeschränkt zustimme.
„Kriege können nicht beendet werden durch Großmächte über die Köpfe der beteiligten Länder hinweg“, sagt Kanzler Merz. Foto: Michael Kappeler/dpa
Treffen mit USA am Sonntag in Genf
Einen ersten Anlauf, einen eigenen Beitrag zu leisten, unternehmen die Europäer am Sonntag in Genf. Vertreter aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie der EU sprechen dann mit den USA und der Ukraine über den Plan. Das Treffen findet auf Ebene der Berater der Staats- und Regierungschefs statt.
Aus den USA wird Außenminister Marco Rubio erwartet, der derzeit in Personalunion auch sicherheitspolitischer Berater von Präsident Donald Trump ist. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst aber nicht.
Ein Papier mit Änderungsvorschlägen zum Friedensplan haben die Europäer den USA nach Angaben von deutscher Seite bereits übermittelt. Einzelheiten wurden nicht bekannt.
Ukraine-Krisengespräche belasten eigentlichen G20-Gipfel
Schon vor Beginn des Treffens der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) unter südafrikanischem Vorsitz war klar, dass die Europäer das Treffen nutzen wollen, um sich abzustimmen, wie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geholfen werden kann.
Trump hat Selenskyj eine Frist bis kommenden Donnerstag gesetzt, grundsätzlich zuzustimmen. US-Vizepräsident JD Vance reagierte scharf auf Kritik an dem Vorhaben: „Frieden wird nicht von gescheiterten Diplomaten oder Politikern erreicht, die in einer Fantasiewelt leben.“
Merz: Trump-Vorstoß bietet Chance für ein Kriegsende
Der Bundeskanzler erklärte trotz der europäischen Vorbehalte, es gebe im Augenblick eine Chance, den Krieg zu beenden. Von einem gemeinsamen guten Ergebnis sei man aber „noch ziemlich weit entfernt“. Dies habe er am Freitagabend auch beim Telefonat mit Trump deutlich gemacht.
Ziel der Ukraine-Verbündeten ist, aus ihrer Sicht inakzeptable Zugeständnisse an Russland aus dem 28-Punkte-Plan der Amerikaner herauszuverhandeln. Der US-Vorschlag sieht zum Beispiel vor, dass die Ukraine auch bislang noch verteidigte Gebiete an Russland abtritt, ihre militärischen Fähigkeiten beschränkt und die Nato einen Verzicht auf jegliche Erweiterung erklärt.
Russland müsste dagegen nur vergleichsweise geringe Zugeständnisse machen und unter anderem auf in der EU eingefrorenes Staatsvermögen verzichten. Dieses würde für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden.
Selenskyjs Dilemma

Selenskyj sieht einen der „schwierigsten Momente“ in der Geschichte der Ukraine. Foto: -/Press Service Of The President Of Ukraine/AP/dpa
Nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj droht der Ukraine bei einem Nein zum Plan, die USA als Schlüsselpartner zu verlieren. Ohne Unterstützung der größten Militärmacht, die Waffen an die Ukraine verkauft und Daten für die Kriegsführung gegen Russland bereitstellt, würde eine Fortsetzung des Abwehrkampfs gegen die Invasoren deutlich erschwert.
Vance und Putin auf einer Linie
Der russische Präsident Wladimir Putin hält den 28-Punkte-Plan für eine Grundlage, einen Frieden zu erreichen. Russland hatte die Ukraine auf Befehl Putins am 24. Februar 2022 angegriffen.
Vance warf den Kritikern des Plans vor, die wahre Lage im Krieg zu verkennen. Auf X schrieb er: „Es gibt diese Fantasie, wenn wir bloß für mehr Geld, mehr Waffen oder mehr Sanktionen sorgten, wäre der Sieg greifbar.“
Putin wirft den Europäern ebenfalls Unkenntnis der Lage vor. Sie hätten keine echten Informationen über die Lage auf dem Schlachtfeld. Russland werde seine Ziele militärisch erreichen.
US-Boykott des Gipfels
Die USA boykottieren den ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden und können deshalb nicht direkt in Johannesburg angesprochen werden. Trump beklagt eine Diskriminierung weißer Minderheiten in Südafrika, insbesondere der sogenannten Afrikaaner, die Nachfahren niederländischer Siedler sind. Südafrika weist die Vorwürfe als unbegründet zurück. Fachleute sehen sie ebenfalls als nicht gerechtfertigt an.
Südafrika setzt trotz Ukraine-Krise Entwicklungsthemen durch
Wegen der Krisengespräche rückten die eigentlichen Gipfelthemen in den Hintergrund. Dennoch verabschiedete die G20-Runde die von Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ausgehandelte Schlusserklärung. Er warb noch einmal für mehr Zusammenarbeit bei der Lösung globaler Probleme wie der Klimakrise und der größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich in der Welt. Der Gastgeber hatte die Themenschwerpunkte „Solidarität, Gleichheit und Nachhaltigkeit“ für die G20-Präsidentschaft gesetzt.
Südafrika will G20-Vorsitz nicht symbolisch an USA übergeben
Die USA sind im kommenden Jahr Gastgeber des G20-Gipfels, auch wenn sie das Treffen in Johannesburg boykottieren. Südafrika will nun den jährlich wechselnden G20-Vorsitz am Sonntag nicht symbolisch übergeben, wie der Präsidentensprecher sagte. Die Übergabe ist für kommende Woche in der Hauptstadt Pretoria geplant.
Der Gruppe der G20 gehören 19 Staaten, die Europäische und die Afrikanische Union an. Für das kommende Jahr ist der G20-Gipfel in Miami geplant.