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Fußball-Merchandise

Kaum Interesse an Fanartikeln zur WM

Der umstrittene Austragungsort, das Schmuddelwetter, die Energiekrise und die Inflation trüben die Aussichten auf die Fußball-WM.

Der umstrittene Austragungsort, das Schmuddelwetter, die Energiekrise und die Inflation trüben die Aussichten auf die Fußball-WM.

1:0 für den Weihnachtsmann: Bei der Winter-WM in Katar guckt die Wirtschaft in die Röhre. Absatz und Werbung hinken denen einer „normalen“ Fußball-Weltmeisterschaft hinterher. Hersteller eines Produkts leiden besonders.

Donnerstag, 17.11.2022, 08:00 Uhr

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Mit dem Fanschal um den Hals und gemeinsam mit Freunden oder Verwandten vor einem großen Bildschirm im Biergarten bei Spielen einer Fußball-Weltmeisterschaft mitfiebern. Spätestens seit dem Sommermärchen 2006 sind die Übertragungen von großen Turnieren vielerorts ein Fußballfest in Deutschland - zumindest bislang. Denn die am 20. November in Katar beginnende WM verspricht hierzulande eher eine trostlose Veranstaltung zu werden statt ein euphorisches Fußballfest.

Der umstrittene Austragungsort, das Schmuddelwetter in Deutschland, die Energiekrise und die Inflation trüben die Aussichten - auch für die hiesige Wirtschaft.

1:0 für den Weihnachtsmann

Wegen der WM in Katar konkurrieren im Werbefernsehen, in den Einkaufszentren und Supermärkten erstmals zwei sonst säuberlich getrennte Mega-Events um die Aufmerksamkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher: Fußball und Weihnachten. Es ist ein Duell Bier gegen Glühwein, Chips gegen Lebkuchen, WM-Trikot gegen Weihnachtsmannmütze.

Doch dürfte es ein ungleicher Kampf sein. „Der Nikolaus ist im Match gegen König Fußball klar in der Favoritenrolle“, urteilt das Branchenfachblatt „Lebensmittel Zeitung“. Tatsächlich hat es König Fußball in diesem Jahr schwerer als sonst, die Herzen der Menschen und die Verkaufsflächen im Einzelhandel zu erobern. Eine Umfrage der Marketing-Agentur UGW unter rund 1000 Kunden im Lebensmittelhandel ergab, dass für fast die Hälfte (46,3 Prozent) von ihnen eine Fußball-WM einfach nicht in die Vorweihnachtszeit passt. Nur jeder Vierte glaubt demnach, dass man Weihnachtsstimmung und WM-Euphorie kombinieren kann. Lebkuchen und Glühwein zum Spiel sind für fast 40 Prozent der Befragen unvorstellbar.

„Für den Handel ist das Zusammenfallen der beiden Groß-Events ein Umsatzkiller“, ist der Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf überzeugt. „Sonst waren das immer sauber getrennte Kaufanlässe, aber jetzt vermischt sich das. Und damit fährt der Handel schlechter, denn unter dem Strich wird so weniger ausgegeben.“

„Sicherlich wäre es für den Einzelhandel einfacher gewesen, wenn das Turnier in bewährter Manier zum Sommertermin durchgeführt worden wäre. Und sicher ist die Situation mit dem Austragungsort Katar eine besondere”, sagte ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland der Deutschen-Presse Agentur. Jedes größere Sportereignis bringe bestimmten Handelsbranchen Umsatzeffekte im kleineren oder größeren Umfang. Und insbesondere eine Fußball-WM sorge erfahrungsgemäß für Impulse bei Fanartikeln, Trikots und bei bestimmten Lebensmitteln.

Eine WM in Katar sei aber nicht mit Sportereignissen im eigenen Land zu vergleichen, so der Sprecher. „Auch werden Fanevents im öffentlichen Raum im Winter sicher deutlich seltener stattfinden.” Außerdem sorgten steigende Energiekosten für gebremsten Konsum. Prognosen für das WM-Geschäft seien schwierig, da der Handelsverband bisher keine Erfahrung mit solch einem Turnier gemacht habe.

Weniger Fanartikel, Panini-Sticker und Bier

Beim Handelsverbund Intersport aus Heilbronn fällt die Nachfrage nach WM-Fanartikeln dieses Mal nach eigenen Angaben deutlich verhaltener aus. „Aufgrund des Zeitpunkts der WM im Winter gibt es keine Public-Viewing-Events und auch keine Biergärten, wo Stimmung und sehr viel Bedarf für Artikel aufkommen würde”, sagte Frank Geisler vom Vorstand von Intersport Deutschland. Der Austragungsort werde von den Kundinnen und Kunden sowie von Intersport kritisch gesehen. „Da kommt bisher weniger Euphorie auf.” Die Energiekrise und die Inflation spielten ebenfalls eine Rolle, hieß es. „Dennoch hoffen wir aber auch auf eine mögliche positive Überraschung.”

Der Sportartikel- und Kleidungshersteller Adidas erwartet von der Weltmeisterschaft trotz der Rahmenbedingungen ein Millionengeschäft - konkret erhofft sich das Unternehmen aus Herzogenaurach einen Umsatzschub von bis zu 400 Millionen Euro, wie ein Sprecher mitteilte. Der Umsatz im Bereich Fußball sei in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 um mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gewachsen. „Auch im Vergleich zur WM 2018 verzeichnen wir eine stärkere Nachfrage.”

Wo bleibt das Fußball-Sammelfieber?

Vor großen Fußballturnieren bricht normalerweise das Sammelfieber in Deutschland aus. Die begehrten Fußball-Sammelbilder stehen vor der umstrittenen WM jedoch nicht so hoch im Kurs wie sonst. Der Geschäftsführer des Stuttgarter Panini Verlags, Hermann Paul, sagte der „Augsburger Allgemeinen”, er erwarte ein deutlich schlechteres Geschäft als bei früheren Turnieren.

Dieses Mal könnte auch deutlich weniger Bier über die Ladentische und Theken gehen. „Von diesem Event erwartet sich unsere Branche keine Impulse, das muss man ganz nüchtern betrachten”, sagte der Chef des Deutschen Brauer-Bunds, Holger Eichele.

Dass die Weltmeisterschaft im Winter stattfindet, dürfte die Erwartungen bei Brauereien bremsen. „Sommerliches Wetter ist grundsätzlich der beste Bierverkäufer, während die Turnierverschiebung in die kalte Winterzeit die Lust auf kühles Bier mindern dürfte”, sagte eine Sprecherin der Radeberger Gruppe. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Nachfrage deutlich unter dem Niveau ähnlicher sportlicher Großereignisse bleiben werde. Wegen des in der Kritik stehenden Austragungsortes sollen einige Gastronomen außerdem angekündigt haben, auf Liveübertragungen zu verzichten.

Kauf von Fernsehern: Weniger Neuanschaffungen zur WM als bisher

Die WM wird zu wenig Neukäufen von Fernsehern führen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Marktforschers Yougov im Auftrag der Branchenorganisation gfu Consumer & Home Electronics. Demnach planen nur drei Prozent der Befragten, in diesem Jahr aus Anlass der WM im Wohnzimmer technisch aufzurüsten, beispielsweise mit einem neuen Fernseher, einem TV-Projektor oder einer Soundbar.

Nur drei Prozent der Befragten einer Studie wollen kurz vor Weihnachten im Wohnzimmer neue Technik anschaffen. Foto: dpa

Nur drei Prozent der Befragten einer Studie wollen kurz vor Weihnachten im Wohnzimmer neue Technik anschaffen. Foto: dpa

„Traditionell sind sportliche Großereignisse wie WMs für viele Fans ein willkommener Anlass für Neuanschaffungen“, heißt es in einer Mitteilung der gfu. Elf Prozent der Befragten hatten angeben in der Vergangenheit anlässlich von großen Sportereignissen investiert zu haben. „Ein messbarer WM-Sondereffekt beim Verkauf von TV-Geräten wird in diesem Jahr voraussichtlich kaum auftreten“, sagte gfu-Geschäftsführerin Sara Warneke.

Viele Gastronomen sind kritisch gegenüber der WM

Dass einige Gastwirte die Weltmeisterschaft in Katar wegen der Menschenrechtslage boykottieren, bestätigte Daniel Ohl vom Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg. Ohl erwartet, dass im Gastgewerbe weniger los sein werde als gewohnt. Als Gründe nannte er die Jahreszeit, die Kollision mit dem Weihnachtsgeschäft und die kritische Haltung der Gastronomen gegenüber dem Ereignis.

Der Deutsche Fleischer-Verband hält sich mit einer Prognose für das WM-Geschäft zurück. „Schwer zu sagen, was zu erwarten ist”, sagte Reinhard von Stoutz aus der Geschäftsleitung des Verbands. Bestellungen kämen kurzfristiger und seien stark abhängig vom Verlauf der Spiele.

Große Fußballturniere nutzten die Menschen in der Vergangenheit gerne, um sich einen neuen Fernseher zu kaufen - zur Freude der Elektronik-Branche. Einen merklichen Anstieg des Absatzes bei TV-Produkten wie bei vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften gebe es bei der Ingolstädter Elektronik-Fachmarktkette MediaMarktSaturn derzeit aber noch nicht, teilte eine Sprecherin mit.

Immerhin der Blick auf 2024 dürfte die hiesige Wirtschaft optimistisch stimmen. Dann nämlich findet die Europameisterschaft in Deutschland statt - wie gewohnt im Sommer. (dpa)

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