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Milchwirtschaft

„Knebelung“ oder Hilfe? Streit unter Landwirten

Die Milchpreise stiegen im Jahresverlauf 2024 auf den zweithöchsten Stand jemals. (Archivbild)

Die Milchpreise stiegen im Jahresverlauf 2024 auf den zweithöchsten Stand jemals. (Archivbild) Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Wie strikt sollte der Staat die Vertragsbeziehungen zwischen Landwirten und Molkereien regeln? Ein Vorschlag der EU-Kommission ruft gemischte Reaktionen hervor.

Von dpa Montag, 27.01.2025, 00:15 Uhr

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Hannover/Brüssel. Wenn am Montag in Brüssel der EU-Agrarrat zusammentrifft, steht wieder ein Dauerbrennerthema auf der Tagesordnung: eine stärkere Regulierung der Milchmenge und der Erzeugermilchpreise. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen in allen Mitgliedsländern Molkereien und Milchviehbetriebe vor Ablieferung der Milch einen schriftlichen Vertrag über die Liefermenge, den Preis, die Qualität und die Dauer des Vertrags abschließen. Dass der Vorschlag in die Tat umgesetzt wird, ist nicht wahrscheinlich, denn Deutschland steht bei dem Thema auf der Bremse.

Zwar legte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dazu Anfang Dezember einen Verordnungsentwurf zur Anwendung der sogenannten Vertragspflicht in Deutschland vor. Der Entwurf schaffte es aber bislang nicht ins Kabinett und in den Bundesrat.

„Knebelung“ oder Hilfe für Bauern?

„Ich bin froh über diese Entwicklung, denn eine solche Knebelung schadet uns Milchbauern, weil nicht mehr auf aktuelle Märkte reagiert werden könnte und zum Beispiel Hochpreisphasen am Weltmarkt nicht sofort beim Landwirt ankommen“, sagt Landvolk-Vizepräsident Frank Kohlenberg.

Andere landwirtschaftliche Interessengemeinschaften wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) oder der Bund deutscher Milchviehhalter (BdM) befürworten das Vorhaben. Zusammen mit Umweltorganisationen wie BUND, Deutsche Umwelthilfe oder dem Deutschen Tierschutzbund forderten sie Kanzler Olaf Scholz (SPD) in einem offenen Brief dazu auf, sich für die Vertragspflicht einzusetzen.

Auskömmlichere Preise erhofft

Die Befürworter erhoffen sich auskömmlichere Erzeugerpreise und eine bessere Regulierung der Milchmenge. Das derzeit in Deutschland praktizierte System führe immer wieder dazu, dass die Erzeugerpreise über einen längeren Zeitraum unterhalb der Kostendeckungsschwelle lägen, sagt der niedersächsische AbL-Landesvorsitzende Ottmar Ilchmann.

„Während der Krisen ist das besonders krass, aber auch in den besseren Zeiten geht es nie darum, dass die Milchpreise eine Kostendeckung ermöglichen“, sagt Ilchmann. Auch wenn es phasenweise gute Erzeugerpreise gebe, seien die Erlöse nie so hoch, dass die Betriebe große Rücklagen bilden könnten: „Da leben die Bauern immer von der Hand in den Mund.“

Mehr Bürokratie befürchtet

Auf der Seite des Bauernverbands und des Landvolks sieht man keine Nachfrage nach einer solchen Vertragspflicht. Schon jetzt könnten Landwirte, die bei einer Molkereigenossenschaft Mitglied sind, solche Verträge anregen. Aber die Praxis zeige, dass es dafür keine Mehrheiten gebe, erklärt eine Sprecherin des Landvolks. Eine Vertragspflicht wäre eine zu bürokratische Lösung: „Wir wollen, dass es weiterhin in der Hand der Landwirte liegen soll, ob sie Preis und Menge mit der Molkerei fix machen.“

Auch gebe es die Befürchtung, dass die Molkereien tendenziell relativ niedrige Erzeugerpreise zahlen würden. Denn der Milchmarkt gehe auf und ab, auf Phasen mit starker Nachfrage könne es auch schnell wieder Markteinbrüche geben, sagte die Landvolk-Sprecherin. So könnte ein Nachfragerückgang die Molkerei in finanzielle Schwierigkeiten bringen und bei guter Nachfrage kämen die besseren Preise erst mit Verzögerung bei den Erzeugern an.

  • Weiter hohe Milch- und Butterpreise für 2025 erwartet

Für einige Milchprodukte haben Verbraucherinnen und Verbraucher im vergangenen Jahr tiefer in die Tasche greifen müssen. Ein Päckchen Butter kostete 2024 im Schnitt rund 2,40 Euro und damit so viel wie noch nie, wie der Milchindustrie-Verband (MIV) mitteilte. Für das Kilo Milch erhielten die Erzeugerinnen und Erzeuger im Jahresverlauf durchschnittlich etwa 48 Cent - der zweithöchste Literpreis jemals.

„Wir hoffen, dass wir diesen Schwung auch in das neue Jahr mitnehmen können“, sagte der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbands (MIV), Detlef Latka. Anhaltend hohe Energiepreise belasteten zwar weiter die Betriebe. Dennoch sei der Blick der Branche auf das gerade begonnene Jahr - trotz des jüngsten Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche - optimistisch. Entspannung an der Supermarktkasse ist also nicht in Sicht.

Kein Indiz für weitere Virusausbreitung

Es gebe derzeit keine Indizien dafür, dass sich das für Klauentiere wie Rinder oder Schweine hochansteckende Virus weiter ausbreite, betonte Latka. In wichtige Märkte wie Großbritannien, Singapur, USA oder Japan könne pasteurisierte Milch bereits wieder geliefert werden. Trotzdem bleibe die Stimmung angespannt.

Während steigende Milchpreise in den Vorjahren zu einer höheren Milchproduktion geführt haben, bleibe dieser Effekt nun aus, sagte der Verbands-Vorsitzende. Die Milchmenge ging im vergangenen Jahr um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Einer von mehreren Gründen sei, dass wegen gesetzlicher Vorgaben zu Stallgrößen die Ställe nicht mehr kurzfristig mit weiteren Milchkühen gefüllt werden könnten, um die Produktion zu erhöhen.

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Jochen Mextorf
27.01.202503:52 Uhr

Waren das noch Zeiten als die EUrokraten in Brüssel dir Milch-Seen und Butterberge zum Nutzen der Bauern verwalteten und regulierten. Alles Nostalgie.

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