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Landwirte protestieren: Aldi-Blockade im Stader Nachbarkreis ist beendet

Die Polizei sperrte die Zufahrt zum Gewerbegebiet südlich der A39 ab.

Die Polizei sperrte die Zufahrt zum Gewerbegebiet südlich der A39 ab. Foto: JOTO

Seit Sonntagabend hatten hunderte Trecker die Zufahrten zu Warenlagern von Amazon und Aldi im Stader Nachbarkreis blockiert. Jetzt ist die Protestaktion der Landwirte beendet - und der Discounter meldet sich zu Wort.

Von Tobias Johanning Montag, 15.01.2024, 13:30 Uhr

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Landkreis Harburg. Nach Angaben der Polizei und der protestierenden Landwirte hatten die Traktoren im Laufe des Vormittags die Zufahrtswege des Aldi-Zentrallagers in Stelle und des Amazon-Lagers in Winsen wieder freigegeben.

Die Polizei im Landkreis Harburg prüft derzeit, ob Ermittlungen wegen möglicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz aufgenommen werden oder es zu Nötigungen kam. Denn die Demonstration war im Vorwege nicht angemeldet worden.

Hunderte Trecker blockieren die Zufahrt des Aldi-Zentrallagers in Stelle.

Hunderte Trecker blockieren die Zufahrt des Aldi-Zentrallagers in Stelle. Foto: JOTO

Schon in der Nacht von Sonntag auf Montag trafen sich führende Aldi-Mitarbeiter und die Landwirte zu ersten Gesprächen. Jetzt äußert sich das Unternehmen auf seiner Homepage zu der Protestaktion. „Aldi Nord bekennt sich klar zur deutschen Landwirtschaft und setzt daher wo immer möglich auf deutsche Ware“, heißt es dort. Aldi Nord habe zwar keine Verträge unmittelbar mit Landwirten, aber als Abnehmer heimischer Produkte sei das Unternehmen ein „Partner der deutschen Landwirtschaft“. Der Discounter kündigt an: „Wir werden uns weiterhin für einen nachhaltigen strukturellen Wandel und für langfristige Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette stark machen. Bestehende strukturelle Herausforderungen müssen gelöst werden.“

Hunderte Trecker blockierten Warenlager im Kreis Harburg

Der unangekündigte Aufzug von schätzungsweise 200-300 Traktoren und Lastwagen begann in den Abendstunden in den Landkreisen Uelzen, Lüneburg und Lüchow-Dannenberg. Gemeinsam fuhren die Landwirte über Kreis- und Landstraßen in den Landkreis Harburg, wo sich der Zug auf das Amazon-Logistikzentrum in Winsen (Luhe) und auf das Aldi-Zentrallager in Stelle aufsplittete.

Die Landwirte vor Ort erklärten, sie wollten Amazon und Aldi durch die Blockaden zu Gesprächen bewegen. Ihr Hauptziel sei es, dass diese Unternehmen sich mit dem Bauernprotest solidarisieren und ihn öffentlich unterstützen. Einige Bauern äußerten auch Protest gegen Aldis Preispolitik.

Am Sonntag stauten sich die Lkw vor dem Aldi-Zentrallager in Stelle

Gegen 21 Uhr blockierten etwa 100 Traktoren die Kreisstraße 86 vor dem Aldi-Lager und den dortigen Kreisverkehr. Lediglich Autos ließen die Demonstranten ein- und ausfahren, was schnell zu einem Rückstau von Aldi-Lastwagen führte.

Rewe-Lastwagen, vom gegenüberliegenden Rewe-Lager ließen die Demonstranten jedoch durchfahren. Dort hätte in der vergangenen Woche eine Teilblockade vor einem Lager im Landkreis Rotenburg (Wümme) zu einer Unterstützungszusage vom Lebensmittelkonzern geführt, erklärten Landwirte.

Nach Gesprächen mit der Polizei in der Nacht verlagerten die Demonstranten in Stelle ihre Traktoren auf die Gehwege, wodurch gegen 2 Uhr morgens die wartenden Aldi-Lastwagen auf das Gelände fahren konnten und der Verkehr auf der K86 wieder einigermaßen lief. Die Ausfahrt des Lagers war weiterhin blockiert. Erst gegen Mittag lösten die Bauern die Blockade.

Trecker versperrten nicht nur Amazon-Zufahrt in Winsen

Ein ähnliches Bild gab es im Gewerbegebiet Luhdorf in Winsen (Luhe). An beiden Zufahrtsstraßen blockierten Traktoren die Ein- und Ausfahrt zum Logistikzentrum von Amazon. Auch hier ließen die Landwirte nur Autos und Rettungsfahrzeuge durch.

Als sich mehr landwirtschaftliche Fahrzeuge dem Protest anschlossen als auf die Zufahrtsstraßen passten, blockierten weitere Traktoren fast alle Straßen im südlich der Autobahn 39 gelegenen Gewerbegebiet. Die Polizei sperrte die Zufahrt zum Gewerbegebiet ab.

Die Traktorfahrer haben die Zufahrtswege zum Amazonlager in Winsen (Luhe) versperrt.

Die Traktorfahrer haben die Zufahrtswege zum Amazonlager in Winsen (Luhe) versperrt. Foto: JOTO

Auch hier forderten die Landwirte Gespräche mit Amazon. In der Nacht gab es zunächst keine Reaktion des Versandhändlers, sodass gegen 3 Uhr weiterhin keine Lieferungen das Lager verlassen konnten.

Die Protestler zündeten bei Schneefall Feuertonnen an und grillten. Ein Landwirt versicherte, dass sie genügend Vorräte für die kommenden Tage dabeihätten und von lokalen Unternehmen unterstützt würden. Mittlerweile sind die Landwirte mit ihren Traktoren auch hier abgezogen.

Proteste dauerten bis Montagmittag

Die Polizei war in der Nacht mit mehreren Beamten an den beiden Protestaufzügen. Strafverfahren seien in der Nacht nicht eingeleitet worden. Eine Anmeldung habe für die Proteste nicht vorgelegen, hieß es von der Polizei. Demonstranten erklärten dagegen, kurz vorher eine Mail an die Versammlungsbehörde des Landkreises Harburg geschickt zu haben. Ob diese am Sonntagabend jedoch gelesen wurde, ist nicht bekannt. Wie lange die Proteste gehen, war in der Nacht nicht abzusehen.

Agrarbündnis ruft zu neuem Protest auf - Kritik an Bundesregierung

Ein Bündnis aus Landwirtschafts- und Umweltorganisationen hat zu neuen Protesten gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung aufgerufen. Die Träger des Bündnisses „Wir haben es satt!“ forderten am Montag die Ampel-Koalition auf, die Zukunft der Landwirtschaft zu sichern. Dafür müsse sie für „kostendeckende Erzeuger- und faire Bodenpreise“ sorgen sowie die Bauern beim anstehenden Umbau der Tierhaltung und bei einer umweltgerechten Landnutzung ausreichend unterstützen, erklärten die Organisatoren. Für den 20. Januar riefen sie zum wiederholten Mal zu einer Demonstration während der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin auf, parallel zu einer geplanten Agrarministerkonferenz.

Inka Lange, Sprecherin des Bündnisses sagte, der „agrarpolitische Stillstand der vergangenen Jahrzehnte“ müsse beendet werden. Eine ökologischere und bäuerliche Landwirtschaft sei die Basis für ein umweltverträgliches und krisenfestes Ernährungssystem.

Viele Traktoren von Landwirten stehen am frühen Morgen auf einem Parkplatz, um sich für ihre Fahrt in Richtung Berlin zu sammeln (Zoomeffekt).

Viele Traktoren von Landwirten stehen am frühen Morgen auf einem Parkplatz, um sich für ihre Fahrt in Richtung Berlin zu sammeln (Zoomeffekt). Foto: Patrick Pleul/dpa

Claudia Gerster, Bäuerin und Mitglied im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, kritisierte, die jahrzehntelange exportorientierte agrarpolitische Ausrichtung habe die Preise auf den Höfen ruiniert und das Höfesterben vorangetrieben. Die Bauern bräuchten einen politischen Rahmen, um kostendeckende Preise gegenüber Lebensmittelindustrie und Einzelhandel durchsetzen zu können sowie wirtschaftliche Planungssicherung für den Umbau der Tierhaltung. „Klimaschutz, Tierwohl und Artenvielfalt können wir, diese Arbeit muss aber entlohnt werden.“

Reinhild Benning, Agrarexpertin der Deutschen Umwelthilfe, übte Kritik am Agrarsystem. In Deutschland würden 24 Prozent mehr Fleisch erzeugt als hierzulande nachgefragt werde, bei Schweinefleisch seien es mehr als 40 Prozent. „Diese Überproduktion drückt ebenso wie die Marktmacht der Konzerne die Erzeugerpreise nach unten und treibt Bauern und Bäuerinnen auf die Barrikaden.“ (JOTO/ set/ dpa)

Die Polizei sperrte die Zufahrt zum Gewerbegebiet südlich der A39 ab.

Die Polizei sperrte die Zufahrt zum Gewerbegebiet südlich der A39 ab. Foto: JOTO

Traktoren stehen vor der angekündigten Großdemonstration des Deutschen Bauernverbandes am Brandenburger Tor auf der Straße des 17. Juni.

Traktoren stehen vor der angekündigten Großdemonstration des Deutschen Bauernverbandes am Brandenburger Tor auf der Straße des 17. Juni. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

C
Christiane Caras
15.01.202415:28 Uhr

Nur mal als Anmerkung:
"Das Vermögen der Aldi Familie ist mit über 54 Milliarden Euro das höchste im Land.04.01.2024"

J
Jochen Mextorf
15.01.202413:53 Uhr

Die heruntergedimmte Polizei akzeptiert undemokratische und unangemeldete Proteste. Wildwest.

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