„Gibt es keine Bewegung, werden wir wieder streiken“ - GDL-Chef Weselsky kritisiert CDU

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), ist zufrieden mit dem laufenden Bahnstreik. Foto: Bernd Weißbrod
Zur Halbzeit des Bahnstreiks zieht der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, eine positive Bilanz. Er erlebe „Disziplin auf breiter Front“. Scharf attackiert Weselsky die Union für Vorschläge, das Streikrecht zu ändern.
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Herr Weselsky, es ist Halbzeit des GDL-Streiks. Wie läuft der Ausstand?
Ich erlebe Disziplin auf breiter Front. Die Stimmung ist exzellent. Auch die Solidarisierung mit uns Eisenbahnern ist groß. Viel mehr Kunden haben Verständnis für den Streik als mancher behauptet. Und dies trotz der immer wiederkehrenden Angriffe aus der Politik und der Wirtschaft. Für mich heißt das alles: Die GDL lebt und ist kampfbereit.
Sie sagen es: Die Wirtschaft spricht von einer Milliarde Euro Schaden durch den fast sechstägigen Streik. Und die Politik nimmt jetzt das Streikrecht ins Visier. Besorgt Sie das nicht?
Nein. Das ist doch Unfug. Für den angeblichen, wirtschaftlichen Schaden sind nicht wir, sondern ist das Bahn-Management verantwortlich. Die, die uns jetzt kritisieren, sind außerdem dieselben Typen, die 1993 die Privatisierung entschieden haben und einen unnützen Börsengang durchführen wollten. Die am Ende auch den Beamtenstatus im Eisenbahnsystem abgeschafft haben. Diese Leute stellen sich jetzt aufs Podium und fordern, das Streikrecht zu verändern. Das ist doch pervers.
Was sagen Sie denn konkret dazu?
Es ist unverfroren, die Rechte der Arbeitnehmer beschneiden zu wollen, weil sie für bessere Arbeitszeiten und ein höheres Einkommen kämpfen. Wenn gerade die Union darüber nachdenkt, ist das zugleich bezeichnend. Denn es war die CDU, die die Bahn im Privatisierungswahn mit heruntergewirtschaftet hat. Die Union hat zu verantworten, was aus der Eisenbahn geworden ist. Ein marodes Unternehmen, das nicht in der Lage ist, seine Kunden pünktlich an die Zielorte zu bringen. Dafür sind nicht die Arbeitnehmer verantwortlich.
Das heißt also?
Wir werden beim Streikrecht kein einziges Zugeständnis machen. Dann wären wir doch bescheuert. Genau diese Haltung wird von den Kollegen honoriert mit besonders großer Teilnahme an unseren Veranstaltungen und mit einer großen Solidarisierung untereinander.
Sehen Sie eine Chance, den laufenden Streik vorzeitig zu beenden?
Es kann jeden Tag ein Ereignis eintreten, das uns gebietet, uns an den Verhandlungstisch zu setzen. Ich kann der Deutschen Bahn aber nicht vorschreiben, was sie wann zu tun hat. Ich bin derjenige, der sich dagegen wehrt, dass man uns Scheinangebote macht, die am Ende des Tages ihre Tinte nicht wert sind. Die Öffentlichkeit wird veralbert. Deswegen die harten Worte. Und unsere harte Haltung.
Womöglich wird irgendwann eine Schlichtung notwendig sein. Was dann?
Bisher sehe ich die nicht. Ich lehne eine Schlichtung auch genauso lange ab, wie Personalvorstand Seiler es ablehnt, mit mir Tarifverträge über andere Berufsgruppen im Konzern zu schließen. Das steht ihm gar nicht zu. Ich lasse keinen Schlichter - von wem auch immer gestellt - darüber befinden, ob wir einen Tarifvertrag für Fahrdienstleister bekommen oder nicht.
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Namen kursieren aber – Matthias Platzeck, Thomas de Maizière, Bodo Ramelow.
Ich weiß, dass Bodo Ramelow sich intensiv in das Eisenbahnsystem eingearbeitet hat bei der Schlichtung 2014. Er weiß genau, wie das Management agiert. Deswegen hat Ramelow seine Fachkenntnis genutzt und die Bahn-Spitze mit Recht jetzt kritisiert. Dafür bin ich ihm dankbar.
Was erwarten Sie von Verkehrsminister Volker Wissing?
Ich habe schon mehrfach gefordert, dass Minister Wissing das Management auswechseln muss. Aber dazu ist er offenbar nicht willens. Wissing ist beratungsresistent. Das sieht man ebenso am jetzt gegründeten Infrastrukturunternehmen InfraGO. Die Strukturen bleiben gleich, eine wird sogar noch obendrauf gesetzt. Außer ein neuer Name ändert sich zugunsten der Arbeitnehmer oder der Kunden nichts.
Bereiten Sie schon den nächsten Streik vor?
Wir werden diesen Streik erfolgreich zu Ende bringen und dann schauen wir, was passiert. Eines ist aber klar: Gibt es keine Bewegung, werden wir wieder streiken. Und dann vielleicht noch länger.